Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
15.08.2017 | 10:57 | Lebensmittelmüll 

Wer verschwendet die meisten Lebensmittel?

Berlin - Die Zahlen klingen dramatisch. «Elf Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgen Industrie, Handel, Großverbraucher und Privathaushalte in Deutschland jedes Jahr als Abfall», schreibt das Agrarministerium.

Verderbliche Lebensmittel
Dass ein Drittel der Lebensmittel nicht auf den Tellern landet, ist ein gewaltiges Problem. Nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich und für die Umwelt. Die Politik setzt vor allem auf Appelle an die Bürger. Reicht das? (c) proplanta
«Jedes achte Lebensmittel, das wir in Deutschland einkaufen, landet in der Tonne. Pro Person und Jahr sind das nach Zahlen aus dem Jahr 2012 durchschnittlich 82 Kilogramm Lebensmittel.»

Saure Milch, verschimmelte Zucchini, gammlige Äpfel, die Reste vom Abendessen, die im Biomüll landen. Dazu tonnenweise Verderbliches, das Supermärkte und Restaurants entsorgen. Einer Studie der Bundesregierung zufolge ist das Problembewusstsein ausgeprägt: 96 Prozent der Befragten glauben, dass auch Essen im Müll landet, das noch genießbar gewesen wäre.

Dabei entsorgen Jüngere öfter Essbares als die älteren Gerenationen, wie eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt. 92 Prozent der Deutschen im Alter von 21 bis 51 Jahren werfen Essen weg, knapp vier von zehn tun das sogar einmal die Woche.

Dagegen wirft ein Drittel der Menschen, die vor 1945 geboren wurden, nach eigenen Angaben Lebensmittel nie in den Müll. In der Nachkriegs-Generation bis Jahrgang 1954 sind es rund 27 Prozent. Wer mit Entbehrungen aufgewachsen ist, hat offensichtlich ein anderes Verhältnis zum Essen als Generationen, für die Überfluss normal ist.

Weltweit landet ein Drittel der produzierten Nahrung nicht auf den Tellern - dabei haben den Vereinten Nationen zufolge 795 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Dass Lebensmittel nicht effizient verbraucht werden, ist nicht nur ein ethisches Problem. Arbeitskraft, Boden, Wasser und andere knappe Ressourcen werden verschwendet. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) beziffert die Kosten für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft weltweit auf 2,6 Billionen US-Dollar pro Jahr.

Bis 2030 will Deutschland die Lebensmittelverschwendung pro Kopf um die Hälfte reduzieren. Das Ernährungsministerium gibt über das Portal «Zu gut für die Tonne» Tipps, wie sich in der heimischen Küche Müll vermeiden lässt.

Diesen Fokus auf Verbraucher kritisiert die Organisation Foodwatch - wie auch die oft zitierten 82 Kilo Lebensmittel-Müll pro Person. Denn da würden auch Knochen oder Bananenschalen hineingerechnet, von denen niemand erwarte, dass sie auf dem Teller landen. Insofern ist aus Sicht des Vereins auch die Angabe falsch, 61 Prozent der Lebensmittelabfälle fielen in Haushalten an.

«Die Daten von Unternehmen basieren hingegen nur auf freiwilligen Angaben, und Zahlen zu Abfällen aus der Landwirtschaft wurden gar nicht berücksichtigt», kritisiert Oliver Huizinga von Foodwatch. Er fordert gesetzliche Vorgaben für den Handel, die Industrie und die Landwirtschaft.

«Dem Konsumenten oder gar der jüngeren Generation dafür allein die Schuld zu geben, greift viel zu kurz», findet auch Tanja Dräger de Teran vom WWF. Verbraucher müssten ihr Konsumverhalten hinterfragen, der Handel seine Marketingstrategien. Zudem brauche es nach der Bundestagswahl eine Strategie «mit klaren Zielvorgaben, Zuständigkeiten und vor allem einer entsprechenden Finanzierung».

Das vom Ernährungsministerium mitfinanzierte Projekt Refowas untersucht, wo wie viele Lebensmittel aus welchem Grund in der Tonne landen. Einem Zwischenergebnis zufolge verzeichnen private Haushalte mit rund 3,5 Millionen Tonnen jährlich den größten Anteil an vermeidbaren Lebensmittelabfällen. Darauf folgen die Landwirtschaft mit rund 1,7 Millionen Tonnen, die Verarbeitung mit rund 1,5 Millionen Tonnen, die Außer-Haus-Verpflegung mit etwa einer Million Tonnen pro Jahr und der Handel mit 351.000 Tonnen jährlich.

So sind es demnach vor allem die Bürger, die beim Einkaufen, Kochen, Lagern und beim Essen etwas gegen die Verschwendung tun können. Refowas-Projektleiter Thomas Schmidt vom Braunschweiger Institut für Ländliche Räume zufolge sind die Konsumenten die «wichtigsten Akteure» - 44 Prozent des Potenzials beim Müll-Sparen liege in den Haushalten.
dpa
Kommentieren Kommentare lesen ( 2 )
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
Franke schrieb am 17.08.2017 12:05 Uhrzustimmen(33) widersprechen(23)
Nachdem es in Deutschland etwa 1 Mio Lebensmittelvergiftungen pro Jahr gibt, finde ich zdie Verwendung von zweifelhaften Lebensmitteln aktuell das weit größere Problem als das Wegwerfen dieser.
Natürlich kann man über angepasste Packungsgrößen etc. nachdenken. Aber solange wir uns leisten können Golfplätze auf Agrarflächen anzulegen, Biogasanlagen mit hochwertigen Agrarprodukten zu betreiben sollte der Kampf gegen Salmonellen, Schimmel, Fäulnis und ähnlichen Priorität haben.
cource schrieb am 17.08.2017 09:28 Uhrzustimmen(37) widersprechen(31)
die wegwerfgesellschaft produziert wertlose essbarkeiten nur um etwas zu produzieren/vermarkten, reiner selbstzweck und damit die schinder was zu tun haben, zur ernährung wäre obst/kräuter/gemüse völlig außreichend deshalb ist die sinnlose produktion von wegwerfnahrung das ursächliche problem und das wegwerfen nur die folge der wertlosigkeit der produkte
  Weitere Artikel zum Thema

 Österreich: Steuerpflicht bei Lebensmittelspenden soll fallen

 EU-Parlament will strengere Ziele für Lebensmittelabfälle

 Umweltpolitiker drängen auf strengere Reduktionsziele bei Lebensmittelabfällen

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken