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10.01.2018 | 02:13 | Stromversorgung 

Fragen und Antworten zum Stromnetzausbau in Deutschland

Berlin - Wenn Deutschland ein Netz-Problem hat, bedeutet das nicht nur, dass in der Pampa Handyempfang und schnelles Internet fehlen. Im Alltag weniger spürbar, aber ähnlich problematisch ist der schleppende Stromnetz-Ausbau.

Stromnetzausbau in Deutschland
Schleppender und teurer Netzausbau ist ein Lieblingsthema der Kritiker der Energiewende. Meist geht es dabei um die riesigen Stromtrassen quer durch Deutschland - zum Ärger von Stadtwerken und anderen. (c) proplanta
Zwar kommt hierzulande fast überall, wo Menschen wohnen, zu fast jeder Zeit Strom aus der Steckdose.

Aber die Mega-Aufgabe Energiewende - also: weg vom Atomstrom und irgendwann auch weg von Kohle, Öl und Gas - stellt das Netz vor enorme Herausforderungen. Es geht dabei nicht nur um gewaltige Trassen von Nord nach Süd, sondern auch um jeden einzelnen Haushalt.

Wie weit ist der Netzausbau in Deutschland?

Meist ist damit der Ausbau der sogenannten Übertragungsnetze gemeint, die zum Beispiel Windstrom aus dem Norden in den Süden transportieren sollen. Es gab ein langes Gezerre in der Politik, bis man sich einigte, die «Stromautobahnen» möglichst unterirdisch zu verlegen - was sie teurer macht und die Bauzeit verlängert, aber bei Anwohnern besser ankommt.

Die Bundesnetzagentur gibt über den Stand der Dinge Auskunft: Nach dem dritten Quartal 2017 waren von insgesamt 7.700 geplanten Leitungskilometern 900 gebaut - teils geht es dabei auch nur darum, Leitungen zu verstärken, nicht komplett neu zu verlegen. Im dritten Quartal wurden insgesamt 38 Kilometer gebaut.

Warum zieht sich der Bau so lange hin?

Die Übertragungsnetzbetreiber können nicht einfach loslegen. Sie schlagen Strecken vor, die dann sorgfältig geprüft werden - sie sollen möglichst kurz sein, um Geld zu sparen, sollen aber auch Mensch und Natur möglichst wenig beeinträchtigen. Bürger dürfen mitreden.

Die Dialog- und Info-Veranstaltungen ziehen das Verfahren in die Länge, reduzieren aber - wenn es gut läuft - das Risiko von Klagen und Gerichtsverfahren, die noch viel länger dauern. Die sogenannten Antragskonferenzen für die Stromautobahnen Suedlink und Suedostlink wurden 2017 abgeschlossen. Das Planfeststellungsverfahren soll nun rund drei Jahre dauern, mit einer Genehmigung rechnen die Betreiber für 2021. Dann wird gebaut - ab 2025 soll Strom fließen.

Worüber gibt es Streit?

Bürgerinitiativen wollen aus unterschiedlichen Gründen verhindern, dass Trassen in ihrer Nachbarschaft oder durch Schutzgebiete laufen. Aber auch viele Bauern wehren sich. Sie fürchten um die Qualität ihrer Böden, wenn Kabel dort vergraben werden. Der Bauernverband fordert wiederkehrende Entschädigungen statt einmalige, da die Unternehmen ja auch fortwährend Gewinne mit den Leitungen machten.

Warum sind diese Netze überhaupt so wichtig?

Weil Windstrom aus dem Norden im industriereichen Süden bisher zu wenig ankommt. Der große Netzbetreiber Tennet musste 2017 nach eigenen Angaben fast eine Milliarde Euro für sogenannte Noteingriffe ins Netz zahlen, weil nicht genug Leitungskapazitäten frei waren.

Solche Kosten landen am Ende beim Verbraucher. Wer Schuld ist an der Netzüberlastung, ist umstritten. Die einen sagen, die Erneuerbaren würden zu schnell ausgebaut - die anderen kritisieren, dass Strom aus konventionellen Kraftwerken die Netze verstopfe, weil sie nicht flexibel genug heruntergefahren würden, wenn viel Ökostrom fließe.

Und wenn es nicht schnell genug geht?

Dann kann es passieren, dass Deutschland in Strompreiszonen aufgeteilt werden muss. Das hat damit zu tun, dass die EU-Staaten ihre grenzüberschreitenden Leitungen nach und nach für den Stromhandel mit den Nachbarstaaten öffnen müssen. Um Netz-Engpässe zu vermeiden, können sie wählen, ob sie ihren Strommarkt in Regionen aufteilen - die dann unterschiedliche Strompreise hätten - oder die Netze ausbauen. Die Bundesregierung will Strompreiszonen vermeiden.

Gibt es auch Sofortmaßnahmen?

Die Denkfabrik Agora Energiewende hat gerade eine Art Sofortprogramm vorgeschlagen, um die Transportkapazitäten zu vergrößern, so dass seltener eingegriffen werden müsste. Dazu gehört etwa der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen, die Temperaturen von bis zu 200 Grad Celsius aushalten und damit deutlich mehr als herkömmliche Freileitungen, und die damit auch bis zu doppelt so viel Energie transportieren können, wie Agora schreibt. Über den Einbau spezieller Transformatoren etwa an Umspannwerken ließe sich Strom von stark belasteten Netzabschnitten auf freie Netzabschnitte umleiten.

Sind die Übertragungsnetze das einzige Problem?

Nein, obwohl es meist um sie geht. «Die Übertragungsnetzbetreiber dominieren derzeit die Agenda. Wir brauchen aber eine enorme Investitionswelle gerade für die örtlichen Verteilnetze», sagt etwa Johannes Teyssen, der Chef des Energiekonzerns Eon. Diese müssten digitalisiert werden, um mehr Informationen zu bekommen und sie so besser steuern zu können.

Auch Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), kritisiert: «Verteilnetze werden in der öffentlichen und politischen Diskussion hoffnungslos unterschätzt.»

Was kommt auf die Verteilnetze zu?

Irgendwann soll zum Beispiel jeder Autobesitzer elektrisch fahren und sein Auto auch laden können, ohne dass das Netz zusammenbricht, wenn nach Feierabend die halbe Straße das «Tank»-Kabel anschließt. Auch das gehört zur Energiewende. Und natürlich die Stromerzeugung etwa über Solaranlagen auf Dächern oder Windräder.

An die 1,7 Millionen Kilometer Verteilnetz in Deutschland sind dem VKU zufolge schon jetzt 1,6 Millionen Erneuerbare-Energie-Anlagen angeschlossen - fast alle, nur Windparks auf dem Meer nicht. Und es werden mehr. «Im Verteilnetz spielt die Energiewende und nirgendwo sonst», sagt Reiche.

Was fordern die Betreiber der Verteilnetze?

Klare Spielregeln und Unterstützung für Investitionen. Aber auch einen Überblick über technische Daten, um genaue Vorhersagen machen zu können. «Im Moment ist das so, dass Betreiber die technischen Daten nur noch zusammengefasst bekommen - der Gesetzgeber dachte, das reicht», kritisiert VKU-Chefin Reiche.

Zudem müsse die Frage der Verantwortung geklärt werden. Aus Sicht der Kommunen sollten das die Stadtwerke sein, da sie sich vor Ort auskennen. Der VKU ist der Meinung, die Betreiber der großen Übertragungsnetze hätten zu viele Durchgriffsrechte.

«Es käme auch niemand auf die Idee, dass der Bundesverkehrsminister von Berlin aus alle Ampeln reguliert, in der Hoffnung zu wissen, wie der Verkehr vor Ort läuft», sagt Reiche.
dpa
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Kommentare 
agricola pro agricolas schrieb am 10.01.2018 08:48 Uhrzustimmen(41) widersprechen(3)
Man ist im Vorfeld übereifrig darauf bedacht, von diesem gigantischen Geschäftsverteilermodell selbst den jeweils fettesten Brocken in trockenen Tüchern wähnen zu dürfen, ...und jeder(!) deutsche Verbraucher soll dafür ohne großes Murren ordentlich -nein, weit eher noch ORDENTLICHER- latzen...!!!

Gretchenfrage, die in vorstehendem Fragenkatalog nicht bedacht wird:

1. Wie lange sollten die in Rede stehenden Stromtrassen- u. durchleitungssysteme betrieben werden und
2. wie lässt sich deren Rentabilität für die jeweiligen Inhaber über die streng geschützten Nutzungsrechte durch einen fließbandartigen Golddukatenregen "forever" zuverlässig gewährleisten!? ;-))

Diese überaus lästige Laus im jeweiligen Grundeigentümer-Pelz, erst einmal wohlig etabliert, (GRUNDBUCHRECHTLICHE DINGLICHE SICHERUNG BIS IN DIE ALLE EWIGKEITEN!), wird man sie über Generationen hinweg nicht mehr los!!!

Für Photovoltaik- u. Windkraftanlagen gibt es hingegen mittlerweile eine Befristung mit anschließend durch Bankbürgschaft schon im Vorfeld monetär abgesicherter Rückbauverpflichtung, für die Netzbetreiber hingegen existieren zu keinem Zeitpunkt aber vertraglich verpflichtende Neuverhandlungen gegenüber dem in einer fortwährenden Duldungsverpflichtung stehenden Grundeigentümer. - PUNKT!!!

Auch die nächsten Generationen kurven deshalb um jeden dieser Masten herum, haben die Nachteile der gigantischen Stromautobahnen, die man heute keineswegs gesichert abzuschätzen weiß, willenlos zu akzeptieren.

Wenn sich quasi als „Nebenprodukt“ in einer innovativen Digitalisierungszukunft solche Stromtrassen wie von selbst, versteht sich, z.B. zusätzlich als Datentransferstrecken nahezu schon aufdrängen, so reiben sich unsere handverlesenen Raubritter schon heute verstohlen grinsend die Hände, von jedweden moralischen Hemmnissen gegenüber dem Grundeigentümer befreit, der dabei sprichwörtlich in die Röhre gucken darf, ...wie so oft übrigens!!! - Dagobert Duck genießt selbstredend absolut Vorfahrt; auch auf dieser Überholspur.

Mithin stünden also unsere größten Landeigentümer, die sich an selbigem Geschäftsmodell noch am nachhaltigsten partizipieren, mit IHREM Grundeigentum schlussendlich in vorderster Priorität in einer Andienungspflicht!?

Noch effizienter zielgerichtet unserer Staatssäckel zu befüllen mit diesem allseits gelobpreisten unverzichtbaren Innovationsschub in der angedachten Art und Weise beendet sogar schlagartig die wehmütige Sorge um eine mittelfristig sicherlich entfallende Treibstoffsteuer.

Es erschließt sich mir allerdings bis heute noch nicht, wieso im eigentlichen wir intelligente Steuerungstechniken ganz selbstverständlich beanspruchen, wo gerade eben jene, die damit auch verantwortlich effizient umgehen sollten, von Tuten und Blasen wirklich wenig bis überhaupt keine Ahnung haben...! ;-(

Vergräbt man deshalb vollkommen schmerzbefreit die Milliarden u. Abermilliarden, die man dem Volk aus wirklich jeder Hosentasche zieht???
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