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16.02.2018 | 10:54 | Kartoffelsorten 

Ein Bio-Bauer pflegt Kartoffel-Vielfalt

Barum - Die Gekürte ist länglich und lecker, sie hat rotes Fruchtfleisch und kommt aus der Lüneburger Heide. Gezüchtet hat die Kartoffel des Jahres 2018 Bio-Bauer Karsten Ellenberg aus dem kleinen Barum bei Uelzen.

Kartoffelsorten
Karsten Ellenberg hat die gute alte «Linda» für deutsche Kochtöpfe gerettet, in diesem Jahr kommt die Kartoffel des Jahres von seinem Hof im niedersächsischen Dörfchen Barum bei Uelzen. Der Bio-Bauer setzt sich für Sortenvielfalt in der Landwirtschaft ein. (c) proplanta
Seine «Rote Emmalie» hat es geschafft, die Jury teilte ihre Entscheidung auf der Biofach mit, der weltgrößten Messe für Naturkost und Naturwaren. Die Auszeichnung soll auf die Vielfalt bei den beliebten Knollen aufmerksam machen.

Ausgewählt hat Ellenbergs rötliches Baby ein Arbeitskreis, dem zehn Organisationen und Unternehmen angehören, darunter der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Anbauverband Bioland.

Zur Wahl stehen nur Sorten, die ohne Sortenschutz-Gebühren angebaut werden können, weil der Züchter darauf verzichtet oder weil die Sorte älter als 30 Jahre ist. Dann ist der Sortenschutz abgelaufen, der, ähnlich einem Patent, das geistige Eigentum an Pflanzenzüchtungen schützen soll.

Karsten Ellenberg ist kein Unbekannter. Der 55-Jährige mit dem klaren Blick hat als Retter des Kartoffel-Klassikers «Linda» bundesweit Schlagzeilen gemacht. Der «Spiegel» nannte ihn 2012 wegen seines Kampfes gegen die Saatgutkonzerne den «Kartoffel-Krieger». Die beliebte Knolle sollte vom Markt genommen werden, weil sie kein Geld mehr brachte.

2004 lief der Sortenschutz aus. Ellenberg erreichte eine Zulassung in Großbritannien, damit durfte er «Linda» auch wieder in Deutschland anbauen. Der Europäische Gerichtshof entschied dann 2012, dass Bauern auch Saatgut aus alten, amtlich nicht zugelassenen Pflanzensorten herstellen und vermarkten dürfen.

«Ich bin ein freier Bauer und Unternehmer», betont Ellenberg stolz. «Ich möchte selbst entscheiden, was ich anbauen und verkaufen will. Da möchte ich mir nichts von Saatgutkonzernen vorschreiben lassen.» Es könne nicht angehen, dass Pflanzen vom Markt verschwinden, nur weil die Industrie keinen Gewinn mehr mit bewährten Sorten mache.

«Es gibt in Europa noch etwa tausend zugelassene Sorten, aber auf dem Markt sind nur eine Handvoll.» Daran sei auch der Handel schuld, dem es nicht darum gehe, möglichst viele Sorten im Angebot zu haben, sondern vor allem billige.

«Weltweit gibt es über 2.000 zugelassene Sorten», sagt Wilfried Stegmann, Sprecher und Initiator des Arbeitskreises. «Die Tendenz der Sortenvielfalt ist jedoch weltweit leider rückläufig», bedauert er. Dabei gebe es allein in Deutschland 147 zugelassene Sorten von Speisekartoffeln. Dazu kämen 157 weitere, die in einem anderen EU-Land eingetragen seien und auch hierzulande angebaut würden.

In Deutschland kämen nur wenige Sorten aus ökologischer bäuerlicher Züchtung, sagt Stegmann. Die meisten Neuzüchtungen stammten von internationalen Zuchtkonzernen. Heute ist China das größte Anbauland der ursprünglich in Südamerika beheimateten Knollen.

Geschmack, Robustheit, Ertrag und Lagerfähigkeit machen laut Ellenberg eine gute Kartoffel aus. «Die Rote Emmalie wurde gewählt, weil sie aus ökologischer Züchtung stammt und weil sie durch ihre rote Farbe auffällt», sagt Arbeitskreis-Chef Stegmann. «Sie schmeckt würzig und hat eine ausgesprochen feine Konsistenz.» Das rote Fruchtfleisch sei dem Pflanzenfarbstoff Anthocyan zu verdanken, der ähnlich auch bei Erdbeeren und Himbeeren vorkomme. «Anthocyane sind Antioxidative, ihnen wird eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben», sagt Stegmann.

Karsten Ellenberg sei als bäuerlicher Öko-Kartoffelzüchter in Deutschland etwas ganz Besonderes. «Ich bin mit den Kartoffeln groß geworden, schon mein Vater hat sie angebaut», sagt Ellenberg. «Sie lassen sich gut anbauen und sind sehr ertragreich. Das ist nie langweilig.» Bunte Bratkartoffeln seien seine Leibspeise. «Ich ess aber auch gern mal eine Pizza», lacht er.

Über die Auszeichnung freut sich Ellenberg. Selektion sei nicht einfach, zwei bis drei Millionen Euro könnte die Neuzüchtung einer Sorte kosten. «Die hatten wir nicht», sagt er. «Als kleiner Bauer wird man oft belächelt, aber wir haben es mit wenig Mitteln und unserem Können hinbekommen.» Ellenbergs Hof hat 80 Hektar und zehn Angestellte. Ein Viertel der Fläche gehört den Kartoffeln, rund 100 Sorten werden dort angebaut. Er ist Mitglied von Bioland, dem bundesweit größten Verband für ökologischen Landbau. Ellenberg hat Partner in Kanada, als «Red Emmalie» wird seine Züchtung auch in den USA angebaut.

In nicht all zu ferner Zukunft sollen die beiden Söhne Hannes und Julius den Hof übernehmen. «Dann hat Vater mehr Zeit für die Zucht», sagt Julius Ellenberg. Der 26-Jährige hat Agrar-Betriebswirt und Marketing gelernt, er macht den Online-Shop. «Viel geht über Direktvermarktung», sagt er, rund 80 Prozent der Kartoffeln verkauft der Hof über das Internet und den Hofladen. Und wird es weiter «Linda» geben? «Unbedingt», antwortet Julius Ellenberg.
dpa
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Kommentare 
Pfiffi-Kuss-Inge schrieb am 17.02.2018 16:36 Uhrzustimmen(17) widersprechen(23)
Lieber Herr Ellenberg,

Großartig!!!
Mein Respekt und meine Anerkennung zu der gelungenen aktuellen Leistung - und das mit wenig Mitteln, dafür mit offensichtlich großem Können, ... aber und vor allem auch für den Antrieb, die Motivation - unabhängig zu bleiben gegenüber den Konzernen.

Nicht nur mein Familienursprungsname "Bauer" hat zu meinem Interesse an Natur und allem was damit zusammenhängt beigetragen. Seit vielen Jahren versuche ich alte Sortenzüchtungen und den Sortenvertrieb zu unterstützen und im eigenen Garten anzubauen und bekannter zu machen.

Das werde ich mit Ihrer Kartoffelsorte auch sehr gerne machen, zumal ich ein Kartoffelfan bin und eine Verfechterin von VIELFALT!

Frohe Grüsse aus der Eifel in die Lüneburger Heide und in absehbarer Zeit viel Freude beim Züchten.

Inge Hellmann
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