Nach am Mittwoch vom Europaparlament veröffentlichten Brechnungen sollen die EU-Agrarfördergelder dem aktuellen Haushaltsvorschlag der
EU-Kommission zufolge real nicht um 5, sondern um rund 15 Prozent gekürzt werden. Strukturschwachen Regionen müssten demnach Einschnitte in Höhe von 10 statt um 7 Prozent befürchten.
Die EU-Kommission versuche eine nette Geschichte zu erzählen, verberge aber dabei die Wahrheit, kritisierte die französische Parlamentsberichterstatterin Isabelle Thomas. Auf der Basis inkorrekter Zahlen könne man über den Vorschlag zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis Ende 2027 nicht diskutieren.
Der zuständige EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger verteidigte bei einer Pressekonferenz seine Vergleiche, ohne die Berechnungen aus dem EU-Parlament grundsätzlich infrage zu stellen. «Man kann alles begründen», sagte er. Für ihn sei allerdings klar, die Zahlen des Parlaments die Kompromisssuche beim Thema Haushalt nicht beförderten.
«Das Parlament will einen höheren Haushalt», sagte Oettinger. Die Regierungen einiger Mitgliedstaaten seien hingegen der Meinung, dass nach dem EU-Austritt Großbritanniens auch der Haushalt kleiner werden müsse.
Oettinger betonte zudem, dass es bei den Direktzahlungen für Landwirte «im Regelfall» nur um Mittelkürzungen von unter vier Prozent pro Hektar geben solle. Diese sei möglich, weil die Zahlungen an große
Betriebe gedeckelt werden sollten.
Der Entwurf für den künftigen MFR war Anfang Mai von Oettinger und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker präsentiert worden. Er sieht vor, dass für den Zeitraum 2021-2027 insgesamt Mittel in Höhe von 1279 Milliarden Euro eingeplant werden sollten.
Für Deutschland würde diese Zahl vermutlich eine Mehrbelastung von elf bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Unter dem Strich finanziert die Bundesrepublik derzeit rund 21 Prozent der EU-Ausgaben. Künftig könnten es Berechnungen der Regierung zufolge sogar 24 bis 25 Prozent sein.
Experten des Europaparlaments verdächtigen nun Oettinger, beim Werben für seinen Budgetvorschlag gezielt mit irreführenden Vergleichen zu arbeiten.
Bei parlamentsinternen Berechnungen wurde nicht nur festgestellt, dass Landwirte und strukturschwache Regionen deutlich stärkere Einschnitte zu befürchten haben könnten, als die EU-Kommission öffentlich behauptet. Auch die geplanten Mittelaufstockungen für Forschungs- und Jugendprogramme könnten real deutlich niedriger ausfallen als angegeben.
Für die Forschungsförderung kündigte die EU-Kommission demnach 50 Prozent mehr Geld an, während die Experten des Parlaments real nur einen Anstieg von 13,5 Prozent nachvollziehen können. Die angekündigte Verdopplung der Mittel für das Jugendaustauschprogramm Erasmus könnte den Berechnungen zufolge real nur einem Plus von 77 Prozent entsprechen.
Um politisch vorteilhafte Zahlen präsentieren zu können, rechnet die EU-Kommission nach Darstellung des Parlaments teilweise nicht wie üblich mit inflationsbereinigten Preisen. Zudem sollen teilweise geplante Summen für die Siebenjahresperiode 2021-2027 nicht mit den geplanten Summen für die Periode 2014-2020 verglichen werden, sondern mit anderen Zahlen. Kritik kommt von Parlamentariern zudem an der Methode, wie der zu erwartende Effekt des britischen EU-Austritts kalkuliert wird. Sie sei zumindest unklar, heißt es.
«Wir müssen wissen, wie sich die Situation wirklich darstellt», kritisierte der polnische Berichterstatter Jan Olbrycht am Mittwoch. Bei dem Finanzrahmen gehe es schließlich nicht nur um Zahlen, sondern darum, wie die Zukunft der EU aussehen solle.
Die EU-Abgeordneten äußerten sich am Mittwoch, nachdem Oettinger zusätzliches Zahlenmaterial zu seinen Planungen übermittelt hatte. Er stehe zu seinem Versprechen, alle Informationen bereitzustellen, die für ein besseres Verständnis seines Budgetvorschlags notwendig seien, schrieb er in einem Begleitbrief an den Haushaltsausschuss des Parlaments und die Vertretung der Mitgliedstaaten. Alle notwendigen technischen Dokumente würden ausgetauscht.
Über den Vorschlag der Kommission diskutieren derzeit Vertreter der EU-Staaten, die sich letztlich einstimmig auf den künftigen Gemeinschaftshaushalt einigen müssen. Die Verhandlungen unter den Mitgliedstaaten dürften etliche Monate dauern, wenn nicht sogar noch deutlich länger. Dann muss auch noch das Europaparlament zustimmen. Die Abgeordneten dort fordern nach einem Beschluss aus dem Monat März ein deutlich größeres EU-Budget als von der EU-Kommission vorgesehen.