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18.05.2019 | 02:53 | Blühmischungen 

Bienenschutz: Blüte ist nicht gleich Blüte

München - Auf Balkonen und in Vorgärten sprießt es derzeit in allen Farben, in Gartencentern und Baumärkten greifen Kunden zu Blühmischungen - nicht zuletzt das bayerische Volksbegehren «Rettet die Bienen» hat die Menschen aufgerüttelt.

Blüten für Bienen
Ein fetter Braten. Aber ein Vegetarier wird davor hungrig bleiben. Ähnlich geht es Wildbienen und anderen Insekten bei manchem Blühstreifen. Blume ist nicht gleich Blume, erläutern Wissenschaftler zum Weltbienentag. (c) proplanta
Baden-Württemberg plant bereits ebenfalls ein Volksbegehren, in Nordrhein-Westfalen laufen Gespräche. Doch vielerorts darben die Insekten weiter, Wildbienen suchen vergeblich nach Nektar.

Nicht alles, was bunt blüht, nährt die heimischen Insekten, mahnen Wissenschaftler anlässlich des Weltbienentages am 20. Mai. Die Vereinten Nationen haben den Tag 2018 ins Leben gerufen, um auf mehr Schutz der Bienen zu drängen.

Experten werten das Volksbegehren in Bayern und das geplante Gesetzespaket als wichtigen Schritt. Sie sehen aber weiter Handlungsbedarf bei der Landwirtschaft - und geißeln die deutsche Gründlichkeit mit akkuraten Rasenflächen und unkrautfreien Grünanlagen.

«Ein bisschen mehr Schlamperei täte der Sache nicht schlecht», sagt Gerhard Haszprunar, Direktor der Zoologischen Staatssammlung München und Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. «Es muss nicht immer alles picobello sein.» Mähroboter, die durch deutsche Gärten surren, machen selbst Gänseblümchen den Garaus. Übrig bleibe «totes Grün», kaum besser als Steingärten, die gerade in Mode sind.

Auch Kommunen und Kleingartenvereine müssten Anpassungen in ihren Vorschriften vornehmen. «Viele Bestimmungen sind absolut kontraproduktiv», sagt Haszprunar. «Lasst das Gift weg, hört auf, euren Rasen zu düngen und jede Woche zu mähen. Lasst es blühen.»

Das Umdenken ist am Münchner Rathaus angekommen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bat das Baureferat, die dortigen Blumenkästen mit bienenfreundlichen Blumen zu bepflanzen. Nun sprießen dort statt Geranien unter anderem Mehlsalbei, Löwenmäulchen, Schneeflockenblume, Wolfsmilch, Leberbalsam und Prachtkerze.

Mehr Natur: Was in Wäldern mit mehr Pflanzenvielfalt, weniger Eingriffen und Totholz schon stattfindet, müsse nun auf Wiesen, Feldern und in Gartenanlagen umgesetzt werden, fordern die Experten.

Denn das Ökosystem ist komplex, Tiere und Pflanzen sind teils genau aufeinander abgestimmt. Manche Wildbienen brauchen eine ganz bestimmte Blüte, wie Manfred Klein, Leiter des Agrar- und Waldbereichs beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) erläutert. Von rund 560 Arten seien mehr als 41 Prozent in ihrem Bestand gefährdet.

Anders als die Honigbiene als «Hausschwein der Imker», die vom Menschen gezüchtet, mit Zuckerwasser über den Winter gebracht und mit Medikamenten gegen Krankheiten geschützt wird, lebt die Wildbiene nicht in Gemeinschaft - und ist wählerischer bei der Nahrung.

Gerade die allerschönsten Blumen bieten für Bienen und andere Insekten - mehr als 33 300 Arten sind in Deutschland bekannt - oft keine Nahrung. «Das sind häufig gefüllte Blüten, bei denen Staub- und teils auch Fruchtblätter zu Blütenblättern umgewandelt sind», sagt Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München.

Die meisten gezüchteten Dahlien, Rosen, Garten-Chrysanthemen und viele Tulpen und Narzissen hätten zugunsten ihres hübschen Aussehens zurückgebildete oder keine Staubblätter - und damit keine Pollen und keinen Nektar.

«Wir reißen den Löwenzahn aus und pflanzen stattdessen eine gefüllte gelbe Dahlie. Weil wir das schön finden. Das hilft aber den Insekten nichts. Es ist, als würde man uns im Wirtshaus nur das Foto von einem Schweinsbraten vorsetzen», sagt Fleischmann. «Was die Leute heute oft als Natur empfinden, ist vom Menschen künstlich gestaltet.» Der Mensch habe definiert, was Unkraut sei. Jede Pflanze habe aber ihren Platz.

Bei Blühmischungen gebe es große Unterschiede. Die besten mit vielen heimischen Samen sind oft teurer und wachsen langsamer als Mischungen mit einjährigen, fremdländischen Arten. Samen aus Südafrika und Amerika blühen rasch, helfen vielen hiesigen Insekten aber weniger. «Sie können das nicht verwerten. Unsere heimischen Insekten passen zu unseren heimischen Pflanzen wie ein Schlüssel zum Schloss», sagt Fleischmann.

Klein nennt Blühstreifen an Feldrändern «einen Tropfen auf den heißen Stein». Sie seien fast unnütz, wenn auf allen umgebenden Feldern weiter Pflanzenschutzmittel ausgebracht würden. «Was in der Breite fehlt, sind blütenreiche Wiesen und mehrjährige Brachflächen, auf denen drei oder fünf Jahre nichts passiert.»

Das Hauptproblem bleibt den Wissenschaftlern zufolge die intensive Landwirtschaft. 44 Prozent der Fläche Bayerns sind landwirtschaftlich genutzt, etwa 6 Prozent dürften öffentliche und private Grünflächen und Gärten sein. Teils sind die Städte schon fast Biotope. In München ist laut Haszprunar nach Hochrechnungen die Insektendichte pro Flächeneinheit doppelt so hoch wie im landwirtschaftlich geprägten Umland.

Bauern sollten Grünland optimalerweise nicht fünf- oder siebenmal mähen, sondern nur ein- bis zweimal, fordern die Wissenschaftler. Mit starker Düngung sinke zudem die Artenvielfalt bei den Pflanzen - und damit bei den Insekten. Hier müsse die Bundesregierung tätig werden, und die EU müsse bei der nächsten Reform der europäischen Agrarpolitik ab 2020 Lenkungsinstrumente entwickeln, fordert Klein.

«Die Bauern sind Opfertäter», sagt Haszprunar. «Sie sind Täter, denn sie machen viele Dinge falsch. Sie sind zugleich Opfer einer völlig verfehlten Agrarpolitik auf EU- und auf Bundesebene. Sie können zum Teil aus wirtschaftlichen Zwängen nur das Falsche tun.» Die Politik sei gefordert, aber auch der Konsument.

In Österreich böten bessere Restaurants nur noch Speisen aus ökologischer Herstellung an. «Es ist eine Frage breiter gesellschaftlicher Akzeptanz. Das muss sich jetzt verfestigen, damit es nicht ein Hype bleibt.»

Erst einmal geht es im Südwesten weiter: Just am Sonntag, den 19. Mai, einen Tag vor dem Weltbienentag, beginnt in Baden-Württemberg die Unterschriftensammlung für das geplante Volksbegehren.
dpa
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Kommentare 
agricola pro agricolas schrieb am 18.05.2019 07:55 Uhrzustimmen(20) widersprechen(3)
Obig Dargelegtes liest sich alles ganz wunderbar interessant: Naturschutz in seiner edelsten Ausprägung.

Hier sind in vorderster Priorität die vielfältigsten, überaus hehren Wünsche Väter jener Gedanken. Diese nahezu unüberwindbar tiefe Kluft zwischen Wunsch und Realität, wer wagt sich tatsächlich an ein solch heißes Eisen in der Praxis überhaupt heran!? Gesellschaftlicherseits isoliertes Bauern-Bashing, in selbiger heute marginalen Randgruppe sämtliche Grundübel verortet zu wissen, greift längst nicht mehr; und dennoch wetteifert man mit Schreibtisch-Weisheiten audiovisuell auf sämtlichen Kanälen, ohne dass dabei eine greifbare „grüne Revolution“ vonstatten geht.

„Pessimisten fürchten den Wind,
Optimisten hoffen, dass er sich dreht,
Realisten arbeiten daran und richten ihre Segel aus.“
(frei nach Sir A.W. Ward)

Ein z.B. diktatorisches, filigran bis ins letzte Klein-Klein ausgefeiltes Pamphlet der „Einheitsbedingungen des Deutschen Getreidehandels“, wo jedes Samenkorn unserer mannigfaltigen Beikräuter den Bauern empfindliche monetäre Abschläge verbuchen lässt, bleiben nach wie vor vollkommen unangetastet. Weitaus schlimmer noch die Regelungswut der MATIF, unseren europäischen Richtlinien landwirtschaftlicher Börsenproduktpreise, nochmals getoppt von jenen an der CBoT, wo ein Weltmarkt-Preisniveau „bedarfsgerecht“ im Hochfrequenzhandel kontinuierlich aufbereitet wird. Ein blindwütiges „Profitesaugen“ durch WEN? Die Zunahme von Finanzspekulationen an den Agrarbörsen koppeln den realen Markt mittlerweile vollkommen ab. Wir haben 2018 die schlechteste Ernte einer Bauerngeneration eingefahren bei einem hierbei auch noch desaströsen Erzeugerpreisniveau.

Von solchen Institutionen werden tatsächlich die jährlichen Todesurteile für eine nachhaltig ökologische Arten- und Insektenvielfalt in unseren Naturräumen gefällt und auch gnadenlos vollstreckt. - Wer an diesem ganz großen Rad dreht -eine handverlesene, von außen kaum sichtbare Spezies selbsternannter „Finanz-Philanthropen“- lässt unserer Mutter Natur kaum mehr Chancen zur Regeneration, liest die Erfordernisse ausgerufener Klimaschutzziele allenfalls als einschläfernde Bettlektüre, wo das eigene Erinnerungsvermögen schon am nächsten Morgen nahezu gänzlich verflogen zu sein scheint, zu sehr juckt es schon wieder in diesen manikürten Fingerchen, die Gelddruckmaschinerie heiß laufen zu lassen.

Die aktuellen Volksbegehren pro Biene und Insektenvielfalt erinnern sehr stark an die einstigen, leidenschaftlich bis aufs Messer geführten Teller-oder-Tank-Diskussionen in den 1990er Jahren, die eine fatal scheuklappengeprägte Verhinderungspolitik zur Folge hatten. Heute weiß man, dass hier offensichtliche Chancen, noch in den Kinderschuhen steckend, in den jeweiligen Hinterzimmern massiv torpediert und schlussendlich einer blindwütigen Totalzerfleischung zugeführt wurden. - Gerade jene vorgenannten Protagonisten haben sich hierüber vergnügt schmunzelnd die Hände gerieben, das erhobene Edelkristall in Champus-Siegerlaune klingen lassen. DIESELGATE - zu damaligen Zeiten noch undenkbar; heute weiß sich wirklich jeder Bürger eines Besseren belehrt!

Das HAUPTPROBLEM schlechthin bleibt nach wie vor im jährlichen Monokulturenanbau auf unseren Äckern verortet, einem grandiosen Mangel an Flexibilität über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, hierin systematisch notwendige Veränderungen erkennen zu wollen. Die CRISPR/CAS-Methodik könnte schon morgen als Diskussionsgrundlage vollkommen obsolet sein.

BW geht nun mit seinem eigenen Volksbegehren an den Start.

Die jährliche Mulchpflicht -bestenfalls mittels hoch effizientem Schröpfschnitt- in unseren Naturräumen, auch BW fordert hier ein hohes Maß an Gehorsamkeit von seinen Bauern ein, zementiert damit fortwährend ein Massensterben bei Biene Maja & Co., das seinesgleichen sucht; diese Kollateralschäden einer solchen „ackerbaulichen Kriegsführung“ sind wirklich gigantischen Ausmaßes, wehe aber, wenn der Bewirtschafter als staatlich alimentierter Landschaftspfleger dem nicht Folge leistet. Cross Complience verdonnert dazu förmlichst, während sich die Bürger Baden-Württembergs in solchen „optisch gepflegten“ Naturräumen mit einem kleinen Häkchen das eigene Gewissen zu entlasten wissen.

Säen Sie als Bauer in BW Mischkulturen aus, die im besagten Flächenantrag mit keinem entsprechenden Nutzungs-Code gelistet sind. Bei einer Vorortkontrolle möchte ich nicht in der Haut eines solchen Bauern stecken! Kopfschütteln, mit welchen Konsequenzen man da administrativ aufwartet.

Im übrigen wird spätestens nach 4 Jahren jeder Bauer zur Pflugpflege der Natur zeitlich limitiert überlassener Flächenareale verdonnert. Wenn auf entsprechenden Trockenrasenstrukturen sich nach Jahren seltene Orchideenarten sehr zur Freude nicht nur des Bewirtschafters selbst etablieren konnten, fallen diese u.a. sodann dem gesetzlich geschützten Ackerstatus zum Opfer, gerade und im Besonderen auch in BW! - Widerstand zwecklos, ansonsten wird empfindlich sanktioniert, bei Missachtung gar finanzieller Schadenersatz in astronomischer Höhe vom Eigentümer nach Ende des Pachtverhältnisses eingefordert, in richterlicher Instanz so bereits abgesegnet.

Der Sündenbock Bauer soll bei alledem nicht gänzlich die Lust am Ackern verlieren...!? - Ein wunderschönes Wochenende mit einem hoffentlich ausgedehnt nachdenklichen Spaziergang in den sonnigen Räumen unserer Natur wünscht Ihr kleines Ackerbäuerlein.
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