Sie wolle in dieser Woche «Schwung in die Verhandlungen bringen», sagte Schulze mit Blick auf die geplante
Weltklimakonferenz im November in Glasgow. Pandemiebedingt fiel sie im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 1995 aus, dieses Jahr hofft die Ministerin auf eine Präsenzveranstaltung.
Die Welt müsse gemeinsam an einem Tisch sitzen, um im Kampf gegen den
Klimawandel voranzukommen, die Pandemie habe die «Klimadiplomatie deutlich erschwert», sagte Schulze am Dienstag.
Auch der Petersberger Klimadialog, den Schulze gemeinsam mit dem designierten Präsidenten der COP 26, dem Briten Alok Sharma, leitet, läuft coronabedingt schon zum zweiten Mal anders als geplant. Über Videoschalten wollen ab Donnerstag Klimaministerinnen und -minister aus aller Welt schon einiges mit Blick auf die COP 26 in Glasgow abräumen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (
CDU) wird eine virtuelle Rede halten, die Klimaschützer mit Spannung erwarten. Ende April hatte bereits US-Präsident Joe Biden mit einem internationalen Online-Gipfel vorgelegt und ein neues Reduktionsziel für die USA verkündet - mindestens 50 Prozent weniger
Treibhausgase im Vergleich zu 2005.
Daran wolle man in diesen Tagen anknüpfen, erklärte Schulze. Die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens aus dem Jahr 2015 bedürfe noch einiger Anstrengungen. Konkrete Knackpunkte seien etwa Berichtspflichten für Treibhausgase oder die Frage, wie Emissionsminderungen gehandelt und angerechnet werden. «In den nächsten Tagen werden wir gemeinsam daran arbeiten, dafür Lösungen vorzubereiten», sagte die Ministerin.
Auch die internationale Klimafinanzierung werde ein wichtiges Thema des Klimadialogs sein. Spätestens ab diesem Jahr sollen ärmere Staaten von Industrienationen 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhalten, um besser gegen den Klimawandel gewappnet zu sein.
Ab 2025 müssten diese Zusagen weiterentwickelt werden, erklärte Schulze. Die Industrieländer hatten ursprünglich versprochen, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen für
Klimaschutz in Entwicklungsländern zu mobilisieren.
Dass größerer Ehrgeiz geboten ist, zeige auch eine aktuelle Analyse zur erwarteten
Erderwärmung, erklärte Schulze. Gemeinsam mit dem Wissenschaftler des NewClimate Institutes, Niklas Höhne, stellte sie die neusten Prognosen des Forschungsprojekts Climate Action Tracker (CAT) vor. Demnach wird die globale Erderwärmung, sofern alle bislang geplanten Klimamaßnahmen greifen sollten, am Ende des Jahrhunderts bei 2,4 Grad liegen - und damit deutlich über dem gewünschten 1,5-Grad-Ziel.
Die neuesten Projektionen gingen zwar von einem etwas optimistischeren Szenario aus als noch vor ein paar Monaten (minus 0,2 Grad), erklärte Höhne. Dennoch sei der Status Quo unzureichend.
Wenn von nun an keine weiteren Maßnahmen gegen den Klimawandel getroffen würden, läge die prognostizierte Erdtemperatur im Jahr 2100 demnach sogar bei 2,9 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. In einem «optimistischen Szenario» mit weitreichenden Emissionsreduktionen betrüge sie etwa 2,0 Grad, erklärte der Wissenschaftler.
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 jedoch voll zu erfüllen, müsste der Temperaturanstieg maximal 1,5 Grad betragen. Dafür müssten nach den Erkenntnissen der CAT-Forscher bis 2030 alle globalen Emissionen halbiert werden. Derzeit sehe es aber nicht danach aus, sagte Höhne, auch wenn es «physikalisch und technisch» möglich wäre. «Es klafft eine gigantische Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.» Ausreichende kurzfristige Reduktionsziele habe sich bislang kein einziges Land gesetzt.
Ob Deutschland hier mit besonderem Beispiel vorangehen kann, ist noch offen. Parallel zum Klimadialog geht das Koalitionsringen um ein neues Klimaschutzgesetz weiter. Umweltministerin Schulze will ihren Entwurf für eine
Gesetzesnovelle bis Ende der Woche vorlegen. Er soll neue Einsparziele für den Ausstoß von Treibhausgasen enthalten und Emissionsziele über das Jahr 2030 hinaus festlegen. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber in der vergangenen Woche mit einem wegweisenden Urteil zu Nachbesserungen verpflichtet.