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18.06.2021 | 11:43 | Nischenprodukt mit Potenzial 

Super-Eiweiß-Pflanze: Landwirte entdecken die Kichererbse

Trebbin/Halle - Auf dem Acker von Thomas Gäbert im brandenburgischen Trebbin liegt im zweiten Jahr in Folge der Samen für Kichererbsen im Boden.

Kichererbsen
Hummus und Falafel oder leckere Suppen, Pasten, Aufstriche und Chips: Kichererbsen erobern die Speisepläne. Doch die Hülsenfrüchte werden meist importiert. In der deutschen Landwirtschaft sind sie bislang ein Nischenprodukt. Mit Potenzial. (c) proplanta
Die Reihen sind gerade gezogen. Die Pflänzchen sprießen kniehoch aus dem Boden. «Bald steht die Ernte an», sagt Gäbert. Im Vorjahr konnte er bereits von der auf knapp 17 Hektar ausgeweiteten Ackerfläche insgesamt 20 bis 25 Tonnen ernten.

«Das war ein Anfang», betont er. Noch sieht der Vorsitzende einer Agrargenossenschaft das Vorhaben als Experiment. Denn Kichererbsen müssten sich auch rechnen. Insgesamt werden in dem Betrieb rund 2.900 Hektar Ackerland bearbeitet.

Die Kichererbse ist in Deutschland ein Nischenprodukt. Erst eine geringe Zahl von Landwirten beschäftigt sich mit der Frucht. Laut Statistischem Bundesamt gibt es aufgrund der geringen Erntemenge noch keine Angaben. Der Import ist jedoch seit 2019 um knapp 7.000 Tonnen auf 19.300 Tonnen (2020) gestiegen. Die größte Menge kam aus der Türkei mit 7.000 Tonnen. Die Nachfrage nach einheimischen Kichererbsen bei den Verbrauchern ist im Wachsen.

Angesichts der Internationalisierung der Küche, mehr Interesse an vegetarischer und veganer Ernährung ist die Kichererbse auf den Tellern angekommen. «Ich gebe ihr große Chancen», sagt Urte Grauwinkel. Die Wissenschaftlerin aus Halle befasst sich mit Speisen der Zukunft. «Die junge Generation entwickelt ein neues Bewusstsein dafür, weg vom Fleisch oder zumindest weniger davon, hin zu neuen, veganen Lebensmitteln», sagt die Dozentin. Dabei spiele die Sorge um das Klima eine große Rolle.

Die Kichererbse habe großes Potenzial für die Ernährung, sagt Grauwinkel. Der hohe Eiweißgehalt sei ein guter Proteinersatz für tierisches Eiweiß. Die Expertin hofft, dass Kichererbsen künftig noch mehr in Großküchen, die Speisen auch für Kinder anbieten, verarbeitet werden. Durch Anbau in der Heimat könnten lange Transportwege vermieden und die Umwelt geschont werden.

Öko-Landwirt Jonas Schulze Niehoff aus der Magdeburger Börde gehört zu den Pionieren des Anbaus von Kichererbsen in Deutschland. Er setzt in der Vermarktung auf Regionalität, verkauft werden sie in Unverpackt-Läden. «Die Idee für den Anbau wurde bei uns zu Hause am Esstisch geboren. Es ging in dem Gespräch um vegane Ernährung», sagt der 40-Jährige. Dabei kam die Frage auf, wie baut man Kichererbsen eigentlich an? Er schritt 2018 zur Tat und richtete in seinem Betrieb eine Versuchsfläche von knapp einem Hektar ein. Heute, drei Jahre später, sind es schon 30 Hektar.

Bundesweit gibt es nach Angaben der Landwirtschaftsbranche zahlreiche Verarbeiter, die aber bislang fast ausschließlich importierte Ware nutzen. Jörn Gutowski von der Berliner Firma zeevi, die Kofu - Tofu statt aus Soja aus Kichererbsen - produziert, freut sich, dass er nun Kichererbsen in Bioqualität aus Sachsen-Anhalt verwenden kann. «Die Kunden fragen immer nach», sagt er.

Simon Rogowski, einer der beiden Geschäftsführer von Ministry of Cultures in Berlin, ist nach ersten Erfahrungen mit Kichererbsen aus Deutschland überzeugt: «Die Qualität ist besser als die von Importware». In dem Unternehmen wird Tempeh hergestellt, ein ursprünglich aus Indonesien stammendes fermentiertes Nahrungsmittel.

Es besteht meist aus Sojabohnen, aber auch andere Bohnen, Getreide und Kichererbsen können dafür verwendet werden. Rogowski ist überzeugt, das sich künftig der Preis der einheimischen Kichererbsen nach der Testphase so entwickeln werde, dass am Ende das Produkt für Landwirte, aber auch Verarbeiter und Kunden attraktiv sei.

«Kichererbsen stammen ursprünglich aus dem Himalaya», sagt Moritz Reckling, Wissenschaftler am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg bei Berlin. Dort wird unter anderem untersucht, welche Kulturen und Pflanzensorten sich angesichts des Klimawandels für einheimische Felder und die Landwirtschaft eignen.

«Die Kichererbse war schon mal da», sagt Bauer Schulze Niehoff. In alten deutschen Kochbüchern von 1920/30 seien Rezepte zu finden. Angebaut wurde die Frucht wohl vorrangig in Süddeutschland, sagt er.

Wissenschaftler Reckling dämpft indes Hoffnungen, dass in Deutschland künftig Kulturen gedeihen, die fast kein Wasser brauchen. «Zitronen werden nicht hier wachsen», sagte er. Die Kichererbse - eine Leguminose - komme aber gut mit Trockenheit zurecht. Sie werde im Mai gesät und könne im September geerntet werden.

Im Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg, Außenstelle Rheinstetten-Forchheim, laufen seit vergangenem Jahr Versuche mit Kichererbsen. «Da in Deutschland kaum verfügbar, wurde Saatgut von 22 Sorten aus dem Ausland besorgt», sagt Carola Blessing, zuständig für Pflanzenbau. Ziel der Eiweißinitiative des Landes Baden-Württemberg sei, den Anbau von Leguminosen zu fördern und die regionale Wertschöpfungskette zu unterstützen.

Der Brandenburger Landwirt Gäbert experimentiert noch mit seinen Kichererbsen. Auf seinem Hof wird die Ernte getrocknet. Frische Erbsen werden gekocht und zur weiteren Verarbeitung in Konserven gefüllt. Im Hofladen werden sie verkauft. Gäbert ist ein Fan der Ackerfrucht. «Ich esse jeden Tag Hummus und kann gar nicht genug davon bekommen», sagt er.
dpa
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Kommentare 
Nachgefragt schrieb am 24.06.2021 13:59 Uhrzustimmen(28) widersprechen(1)
Schöne es wurde im Text geändert:
Nun ist dort "insgesamt 20 bis 25 Tonnen ernten." die Rede.
Wäre toll, wenn solche Änderungen auch transparent gemacht werden würden.
Nachgefragt schrieb am 21.06.2021 06:34 Uhrzustimmen(20) widersprechen(1)
"pro Hektar 20 bis 25 Tonnen ernten"
Da ist wohl das Komma verrutscht, 2 bis 2,5 t je ha sind realistisch.
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