Das Mittel der Jahre 2015 bis 2020 würde demnach um 4,8 % verfehlt. Das geht aus dem
Erntebericht 2021 hervor, den Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Mittwoch (25.8.) in Berlin vorgestellt hat (Dokumentation). Ihr zufolge haben sich die optimistischen Erwartungen aus dem Frühjahr und Frühsommer somit nicht erfüllt.
Die
Getreideernte sei „ins Wasser gefallen“, und die Erntearbeiten lägen im Vergleich zu einem Durchschnittsjahr weit zurück, weil es im Juli und August kaum Phasen mit beständigem trockenen Wetter gegeben habe. Im Einzelnen bezifferte Klöckner die bundesdeutsche Winterweizenernte auf 20,99 Mio t; das wären 3,5 % weniger als das Vorjahresergebnis.
Der langjährige Durchschnitt würde damit sogar um 9 % verfehlt. Die amtliche Schätzung der Rapserzeugung liegt hingegen mit 3,53 Mio t um 0,2 % über dem Vorjahresniveau; das sechsjährige Mittel würde bei der
Ölsaat damit aber noch um 11,3 % verfehlt.
Sichere Ernten nicht selbstverständlich
Köckner betonte, dass kaum ein Wirtschaftsbereich dem Extremwetter so ausgesetzt sei wie die Landwirtschaft. Der
Klimawandel stelle die Branche vor große Herausforderungen. Vielerorts würden die Erntearbeiten weiterhin durch
Schauer und Gewitter ausgebremst. Darunter litten Erträge und Qualität. „Das spiegelt sich auch im Ergebnis wider und verdeutlicht, dass sichere Ernten nicht selbstverständlich sind“, gab die Ministerin zu bedenken.
Unterdessen zeichne sich auch für Obst und Gemüse ein unterdurchschnittliches Ergebnis ab. Allerdings habe sich die Grundfutterversorgung der meisten Futterbaubetriebe durch das Grünland sowie mit Ackerfutter wie Klee,
Kleegras und
Silomais in diesem Jahr nach den trockenen Vorjahren durch den vermehrten Regen deutlich verbessert.
Anders sei aber die Situation in den von
Überschwemmungen betroffenen Gebieten. Dort seien die Futtervorräte teilweise vernichtet worden; die Futterflächen seien für die weitere Nutzung unbrauchbar. Um diesen Betrieben zu helfen, habe das Ministerium die Nutzung von Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) zu Futterzwecken zugelassen.
DRV hatte mehr Getreide erwartet
Der Deutsche
Raiffeisenverband (DRV) sah seine Prognosen zum diesjährigen Getreide- und Rapsaufkommen durch den Erntebericht 2021 trotz Abweichungen bestätigt. Wie DRV-Getreidemarktexperte Guido Seedler in Berlin erklärte, geht auch der Raiffeisenverband von einer unterdurchschnittlichen
Getreideproduktion aus. „Insbesondere der Winterweizen ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, so Seedler.
Der
DRV hatte die bundesdeutsche
Rapsernte Mitte August auf 3,5 Mio t veranschlagt, was der aktuellen amtlichen
Ernteschätzung entspricht. Die Getreideernte taxierte der Verband auf 42,9 Mio t; das waren 800.000 t mehr als die aktuelle amtliche Schätzung. Als Hauptgrund für die im Vergleich zu 2020 niedrigere
Erntemenge führte Seedler die
Wetterextreme der vergangenen Monate an. „Es wurde erneut deutlich, dass die Land- und Agrarwirtschaft auf die Folgen des Klimawandels reagieren muss“, betonte der Fachmann.
Connemann: Landwirtschaft ist Opfer
Aus Sicht der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, zeigt der Erntebericht, dass die Situation in der Landwirtschaft immer schwieriger wird. Immer häufiger bedrohten Wetterextreme mit Dürren,
Starkregen und Fluten die Ernten, erklärte die CDU-Politikerin.
Der Zeitraum zwischen Aussaat und Ernte verlängere sich, und neue
Schädlinge träten auf. Zudem erhöhten Starkniederschläge das Risiko für Erosion. „Die Landwirtschaft ist also Opfer, nicht Täterin“, betonte Connemann. Leider beherrschten aber nicht Fakten, sondern Vorurteile die öffentliche
Diskussion - von manchen Parteien auch bewusst getrieben. Als Beispiel nannte die Unionspolitikerin den „Mythos von der Kuh als Klimakillerin“.
Wirtschaftsgrünland sei jedoch eine bedeutende Kohlenstoffsenke, aber es müsse bewirtschaftet werden, und das gehe nur mit Weidetieren. Rund 77 % der Weltagrarfläche seien Grasland, so Connemann. Der Großteil könne ausschließlich zum Weiden von Tieren benutzt werden. Die
Klimabilanz von Kühen sei also nicht so schlecht, wie sie oft dargestellt werde.
Stegemann: Gravierende Hochwasserschäden
Unionsagrarsprecher Albert Stegemann wies darauf hin, dass viele Landwirtinnen und Landwirte in den Hochwasserregionen nicht nur ihre Ernten verloren hätten, sondern auch gravierende Schäden an landwirtschaftlichen Flächen, Gebäuden oder Maschinen entstanden seien. Mit dem jetzt in den
Bundestag eingebrachten Entwurf eines Aufbauhilfegesetzes werde die Basis geschaffen, um die Hochwasserschäden zu beseitigen und die zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen.
Die Landwirte müssten aber darüber hinaus umfassende Möglichkeiten erhalten, um ihre Ernten vor dem Hintergrund des Klimawandels weiter absichern zu können, erklärte Stegemann. Dazu gehöre neben passgenauen, bezahlbaren Versicherungslösungen auch der Einsatz von neuen Züchtungstechniken. Denn damit könnten Pflanzen angebaut werden, die dem Klimastress trotzten und die
Ernährung nachhaltig sichern könnten.
Ostendorff: Stabile Erträge kaum noch zu erwarten
Auh der Agrarsprecher der grünen Bundestagsfraktion,
Friedrich Ostendorff, stellte fest, dass die Klimakrise direkt auf die Ernten durchschlage. „Die Bedingungen, gegen die Landwirte kämpfen, werden immer extremer. Stabile Erträge sind deshalb künftig kaum mehr zu erwarten“, warnte Ostendorff. Nach Einschätzung des Koordinators für Agrar- und Landnutzungspolitik bei der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (
WWF) Deutschland, Johann Rathke, verschärft die Klimakrise die Agrarkrise.
Der Erntebericht 2021 mache deutlich, dass die deutsche
Agrarpolitik der vergangenen Jahre zu inkonsequent gewesen sei und dringend neu ausgerichtet werden müsse. Die Lage in der Landwirtschaft sei ohnehin angespannt wegen eines dramatischen Artenverlustes, des kontinuierlichen „Höfesterbens“, des belasteten Grundwassers und Tierschutzproblemen, so Rathke.
Risikomanagementsysteme entwickeln
Baden-Württembergs
Landwirtschaftsminister Peter
Hauk empfahl den Landwirten, angesichts der Häufung von Extremwetterereignissen auf ihren
Betrieb zugeschnittene Risikomanagementsysteme zu entwickeln. Dazu gehörten Anbaudiversifizierung, Fruchtfolgen und ein gutes Betriebsmanagement mit Versicherungen und Rücklagenbildung.
Um Anreize zur Eigenvorsorge zu schaffen, solle das in Deutschland einmalige baden-württembergische Modellprojekt im Obst- und Weinbau zur Förderung entsprechender Versicherungsprämien fortgeführt und bei einer Beteiligung des Bundes zu einer vollständigen
Mehrgefahrenversicherung erweitert werden, erklärte der CDU-Politiker. Nach Schätzung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg fiel die Getreideernte in dem Bundesland ebenfalls unterdurchschnittlich aus.
Die Fachleute bezifferten die betreffende Menge ohne Körnermais auf 2,68 Mio t; damit würde das Vorjahresergebnis um 7 % verfehlt und das Sechsjahresmittel um 8 %. Vor allem für den Winterweizen hätten sich die ersten Schätzungen nicht bestätigt. Für diese Getreideart werde mit 1,47 Mio t gerechnet; das wären 10 % weniger als der langjährige Durchschnitt.
Beim Raps sei im Vorjahresvergleich von Ertragseinbußen von 11 % auszugehen, und zwar als Folge von Staunässe,
Hagelschäden und Auswuchs. Unter dem Strich dürfte die Rapsernte mit schätzungsweise 154.000 t um 13 % unter dem langjährigen Mittel liegen.
Ertragseinbußen bei Obst und Gurken in Brandenburg
Derweil berichtete Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel, dass die
Getreideerträge auch in diesem Bundesland wegen des trockenen und heißen Juni hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben seien. Mit Ausnahme von
Wintergerste sei insgesamt ein nur durchschnittliches Niveau erreicht worden.
Indes hätten Spätfröste im Frühjahr zu Ertragsverlusten in fast allen Obstkulturen und bei Gurken geführt. Starke
Frostschäden habe es vor allem bei Süßkirschen gegeben, aber auch bei Äpfeln und Zwetschgen. Außerdem hätten Kirschen und fast alle Weichobstkulturen in diesem Jahr mit der Kirschessigfliege zu kämpfen, stellte Vogel fest.