Das geht aus den Erhebungen der Bundesländer hervor, deren Auswertung das
Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) am vergangenen Donnerstag (2.12.) veröffentlicht haben. Demnach gab es im Monitoringjahr 2020/21 bundesweit 157 Wolfsrudel, 27 Wolfspaare sowie 19 sesshafte Einzelwölfe.
Im vorhergehenden Monitoringjahr waren nach den kürzlich aktualisierten Daten 131 Rudel, 45 Paare und neun Einzelwölfe nachgewiesen worden. „Die amtlich geprüften Daten aus den Ländern zur Anzahl der Territorien und zu den Vorkommen zeigen: Der Wolfsbestand in Deutschland nimmt zu“, konstatierte BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm.
Der Deutsche Jagdverband (DJV) übt allerdings scharfe Kritik an den amtlich erhobenen Bestandsdaten zum Wolf. Die dort angegebenen Zahlen zu Rudeln, Wolfspaaren und Einzeltiere bilden nach Einschätzung des Verbandes keinen realitätsgetreuen Wolfsbestand für Deutschland ab.
Nach wie vor beziffere das
BfN trotz zunehmender Konflikte keine Gesamtzahl für den Wolfsbestand; zudem seien die offiziellen Zahlen „von gestern“ und hinkten der Entwicklung hinterher, monierte der DJV. Für den World Wide Fund For Nature (
WWF) Deutschland und den
BUND Naturschutz (BN) ist die steigende Populationszahl indes kein Grund, erneut über Obergrenzen, Abschüsse oder No-Go-Areas für Wölfe zu debattieren.
Vier Wölfe entnommen
Wie aus dem BfN-Bericht weiter hervorgeht, verteilen sich die meisten Wolfsterritorien von Ostsachsen bis an die Nordsee. Aber auch in den mittel- und süddeutschen Bundesländern seien einzelne Wolfsterritorien nachgewiesen worden. Die meisten Wolfsrudel lebten nach Angaben des Bundesamtes im Berichtsjahr in Brandenburg mit 49 Gruppen, gefolgt von Niedersachsen mit 35 und Sachsen mit 29 Rudeln.
Die Anzahl aufgefundener toter Wölfe lag 2020/21 laut dem BfN bei 138 Tieren. Davon seien 107 durch Verkehrsunfälle gestorben. Bei 13 Wölfen sei eine natürliche Todesursache bestätigt worden, während die Zahl der illegalen Wolfstötungen bei neun gelegen habe. Im Rahmen von Managementmaßnahmen seien darüber hinaus vier Beutegreifer entnommen worden.
Hochrechnung möglich
Der DJV verwies hinsichtlich der Bestandserhebung auf belegbare Erfahrungswerte aus der Literatur, wonach ein Rudel aus durchschnittlich acht Tieren bestehe. Eine Hochrechnung sei somit möglich. Demnach sei zum jetzigen Zeitpunkt von mindestens 1.600 Wölfen in Deutschland auszugehen. Noch im Frühjahr hatte der Jagdverband selbst den heimischen Wolfsbestand sogar auf bis zu 2.000 Tiere geschätzt.
Unabhängig von der genauen Zahl des Beutegreifers ist das Ausmaß der Schäden und Übergriffe auf Weidetiere nach Darstellung von DJV-Vizepräsident Helmut Dammann-Tamke inzwischen so groß, dass in einigen Regionen die Akzeptanz für den Wolf infrage steht. Daran ändere auch der gerade von der Umweltministerkonferenz (UMK) verabschiedete Praxisleitfaden Wolf nichts, der aus Sicht des CDU-Politikers deutlich hinter den notwendigen Erfordernissen zurückbleibt.
Der DJV verwies auf den Koalitionsvertrag der Ampelparteien, der eine Überarbeitung der Monitoringstandards vorsieht, um die Anzahl der in Deutschland lebenden Wölfe realitätsgetreu abzubilden. Darauf basierend solle den Bundesländern europarechtskonform ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglicht werden. Der Jagdverband begrüßte, dass damit die Forderungen und Belange der ländlichen Bevölkerung endlich wahrgenommen würden. Er forderte das
Bundesumweltministerium auf, dieses schnellstmöglich umzusetzen.
Bejagung kein wirksames Instrument
Wie WWF-Programmleiter
Wildtiere, Moritz Klose, mit Blick auf die aktuellen Bestandsdaten feststellte, braucht Deutschland statt einer
Diskussion um eine
Bejagung des Wolfs die Einführung eines flächendeckenden wolfsabweisenden Herdenschutzes. Weidetierhalter benötigten dafür geeignete Zäune, gut trainierte Herdenschutzhunde, ausreichende Schulungs- und Beratungsangebote sowie finanzielle Unterstützung, forderte Klose.
Eine Bejagung sei hingegen kein wirksames Instrument, um Mensch-Tier-Konflikte nachhaltig zu lösen. Auch der Landesbeauftragte beim BUND Naturschutz (BN), Martin Geilhufe, verwies auf die Notwendigkeit des Herdenschutzes. Dessen Förderung dürfe aber nicht auf Gebiete mit sesshaften Wölfen beschränkt werden.
Bereits bei Nähe oder Anwesenheit durchziehender Wölfe müssten
Betriebe finanziell unterstützt werden, die ihre Weiden wolfssicher machen wollten. Der Verband rief die bayerische Staatsregierung zudem auf, die laufenden Kosten des Herdenschutzes zu fördern. Auch die ständige Behirtung sollte schon aus Gründen des Tierwohls und Biodiversitätsschutzes unterstützt werden.
Entnahme nur im Einzelfall
Der Naturschutzbund Deutschland (
NABU) hatte zuvor den am 26. November von der UMK beschlossenen „Praxisleitfaden Wolf“ begrüßt, mit dem sich die Länder auf ein gemeinsames Vorgehen in zentralen Fragen des Wolfsmanagements verständigt haben. Laut dem NABU-Fachbereichsleiter Naturschutzpolitik, Ralf Schulte, macht der Leitfaden deutlich, dass die Entnahme von Wölfen europarechtskonform sein muss und lediglich in konkreten Einzelfällen erfolgen kann.
„Der Leitfaden ist ausdrücklich nicht der Beginn einer Bejagung oder Regulierung von Wölfen“, betonte Schulte. Es sei daher Augenwischerei, wenn Politik und Verbände gegenüber den Weidetierhaltern den Eindruck erweckten, dass es jetzt einfacher sei, Wölfe zu töten. Bedauerlicherweise suggeriere auch die Formulierung zum Bestandsmanagement im Koalitionsvertrag, dass dieses ein bedeutsames Instrument sei, so der NABU-Fachbereichsleiter. Das sei es nach Expertenansicht jedoch auch praktisch gesehen definitiv nicht.
Eine klare Fokussierung auf die Unterstützung der Weidetierhaltung bei der Schadensprävention als auch die Honorierung der konkreten Naturschutzleistungen der Weidetierhaltung wären laut Schulte „für die Konfliktbewältigung zielführender“.