Während Umwelt- und
Tierschutzverbände, aber auch der Deutsche
Bauernverband (
DBV) Özdemirs Forderung unterstützten, stieß der Vorschlag bei Sozialverbänden und der Bundestagsopposition auf teils scharfe Kritik. Laut DBV-Präsident
Joachim Rukwied ist es für die Landwirte letztlich entscheidend, dass mehr Geld auf ihren Höfen ankommt. Hier müssten alle in der Kette ihren Teil dazu beitragen bis hin zum Verbraucher.
„Unsere hochwertigen Lebensmittel haben einen höheren Preis verdient“, betonte Rukwied. Das heiße klar: „Fleisch muss teurer werden“. Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Albert Stegemann wies allerdings auf mögliche negative Folgen für Verbraucher und Landwirte hin. Auch er wünscht sich eine faire Entlohnung der Bauern für ihre hochwertigen, gesunden und regionalen Lebensmittel.
Von einem Verkaufsverbot für Lebensmittel unter
Produktionskosten hätten die
Bauernfamilien nach seiner Einschätzung aber nichts. Schlimmstenfalls wirke ein solches Verbot kontraproduktiv und erhöhe nur die Bürokratie, warnte der CDU-Politiker am Montag (3.1.) in Berlin. Das zeige ein Blick über den nationalen Tellerrand.
Aus gutem Grund hätten sich beispielsweise die spanischen Obst- und Gemüseerzeuger bereits gegen solche staatlichen Preiseingriffe ausgesprochen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) warnte vor der Festlegung von Mindestpreisen. Entsprechende Preisvorgaben stellten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar und wären daher „auch verfassungswidrig“. Auch der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) kann der Idee von Preiseingriffen nichts abgewinnen.
Fleisch kein Luxusgut
Özdemir hatte „Ramschpreisen“ bei
Lebensmitteln Ende Dezember „den Kampf angesagt“, da diese Bauernhöfe ruinierten,
Tierwohl verhinderten sowie den
Klimawandel und das
Artensterben beförderten. Die Preise der Lebensmittel müssten daher stärker die ökologischen Kosten abbilden. Konkret will der Grünen-Politiker prüfen lassen, ob sich der Verkauf von Lebensmitteln zu Preisen unterhalb der Herstellungskosten untersagen lässt. Dies war insbesondere bei Sozialverbänden auf scharfe Kritik gestoßen.
Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland stellte der
Agrarminister später klar, dass Fleisch kein Luxusgut werden solle, jeder müsse sich weiterhin Fleisch leisten können. Ungeachtet dessen bleibt Özdemir bei seinen Forderungen nach einer Beschränkung der Nutztierzahlen in Deutschland und einer stärkeren Ausrichtung der
Haltungsbedingungen auf Tierwohl.
Er will deshalb auf eine Anhebung der Sozialleistungen hinwirken und sich für „faire Bedingungen in der gesamten Lebensmittelkette“ stark machen. Außerdem kündigte der Ressortchef noch für dieses Jahr eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch an.
Regionale Vermarktung stärken
Für wesentlich sinnvoller als Preiseingriffe in den Lebensmittelmarkt hält Unionsagrarsprecher Stegemann indes eine Stärkung der regionalen Vermarktung durch die Einrichtung einer Agrarmarketing-Agentur. Damit könne eine zeitgemäße und zielgruppenorientierte Verbraucherkommunikation über gute Lebensmittel aus den Regionen funktionieren. Zudem müssten vorhandene Initiativen wie die 5D-Vermarktung von
Schweinefleisch ausgebaut werden, forderte der CDU-Politiker.
Die von Özdemir angedachten Eingriffe in die
Lebensmittelpreise hätten auch Konsequenzen für Verbraucher mit kleinem Einkommen, gab Stegemann zu bedenken. Er wies darauf hin, dass es gerade in Zeiten der steigenden Kosten für Energie, Wohnen und Mobilität auf eine soziale Ausgewogenheit der Ernährungspolitik ankomme.
„Nicht alle können sich regelmäßig
Bioprodukte leisten“, so der Unionsagrarsprecher. Er kündigte deshalb an, dass seine Fraktion im
Bundestag darauf achten werde, dass es in Deutschland keinen „Speiseplan nach dem Gehaltszettel“ geben dürfe. Statt den Menschen „in den Kühlschrank hineinzuregieren“, müssten sie mitgenommen werden auf dem Weg zu mehr Wertschätzung für regionale Lebensmittel.
Unverhältnismäßig
HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth warnte ebenfalls, dass eine zusätzliche Preisregulierung auf Kosten der Verbraucher gehen würde. Bereits heute bestünden im
Kartellrecht mit dem Verbot des Verkaufs unter
Einstandspreis wettbewerbsbeschränkende und daher problematische Vorgaben für Lebensmittelmindestpreise.
„Über geltende Einschränkungen in der Preissetzung hinausgehende neue Vorschriften wären unverhältnismäßig, auch weil Mindestpreise nicht geeignet sind, ihr Ziel zu erreichen“, so Genth. Wolle der Gesetzgeber aus Gründen des Tierschutzes die Haltungsbedingungen auf den Höfen verbessern, müsse er mit gesetzlichen Maßnahmen direkt bei den für die Tierhaltung verantwortlichen Erzeugern ansetzen.
„Der Handel wird in Zukunft noch stärker auf Regionalität und Herkunft setzen. Zudem leistet die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL) weiterhin ihren Beitrag für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Handel, Erzeugern und Verarbeitern“, führte Genth aus. Angesichts hoher Exportmengen beispielsweise bei Fleisch seien dem Engagement des Einzelhandels allerdings Grenzen gesetzt. Hier müsse der Fokus daher auf dem
Weltmarkt liegen, um das Ziel nicht zu verfehlen.
Kein „Handels-Bashing“ betreiben
Auch BVLH-Präsident Friedhelm Dornseifer lehnte im Gespräch mit der „Lebensmittel Zeitung“ das von Özdemir ins Spiel gebrachte Verkaufsverbot für Lebensmittel unterhalb der Produktionskosten ab. „Davon halte ich überhaupt nichts“, so Dornseifer. Die Produktionskosten seien von
Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Außerdem hätten Landwirte in der Regel keine direkten Lieferbeziehungen zum Handel. Dennoch begrüßte der BVLH-Präsident die Diskussion.
Für ihn gehe es dabei eigentlich um die Frage, „wie die Geschäftsbeziehungen in der Lebensmittellieferkette funktionieren“. Statt immer nur „Handels-Bashing“ zu betreiben, das Erzeugern überhaupt nichts bringe, müsse „die Debatte endlich mit Fakten geführt werden“, forderte Dornseifer. Mit
Landwirtschaftsminister Özdemir will der Verbandschef nun in einen „konstruktiven Austausch“ treten.
Wahre Kosten abbilden
Rückenwind erhielt Özdemir dagegen unter anderem von Greenpeace. Laut dessen Landwirtschaftsreferenten Matthias Lambrecht verursacht der
Konsum von Fleisch- und Milchprodukten in Deutschland Umwelt- und Klimaschäden von schätzungsweise rund 6 Mrd Euro im Jahr. Die wahren Kosten fänden sich aber im Preis nicht wieder. Zudem werde der Verbrauch tierischer
Erzeugnisse auch noch mit mehr als 5 Mrd Euro jährlich gefördert, weil auf diese Produkte nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % erhoben werde.
„Özdemir hat das Problem benannt und muss diese paradoxe Politik zu Lasten von Klima und Umwelt beenden“, forderte Lambrecht. Er schlägt dazu die Anhebung der Mehrwertsteuer für Fleisch und Milchprodukte auf den regulären Satz von 19 % vor. Im Gegenzug könne die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse gesenkt oder ganz gestrichen werden. Damit würden Verbraucher entlastet und Anreize für den umweltfreundlicheren und klimaschonenderen Konsum pflanzlicher Lebensmittel geschaffen.
Überfällige Debatte
Der Vorsitzende vom Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, stellte sich grundsätzlich hinter die Idee einer
Diskussion über die Lebensmittelpreise. Für ihn stößt der neue
Bundeslandwirtschaftsminister damit eine „wichtige und überfällige Debatte“ an. Bandt zufolge reicht es aber nicht, nur die Verbraucher in die Pflicht zu nehmen.
Alle, die Teil des Ernährungssystems seien, müssten sich an einem neuen Preissystem beteiligen. Nur so könnten die Bauern Lebensmittel umwelt- und naturverträglich herstellen. Für die sozial Schwächeren brauche es eine ausreichende Sicherung durch den Staat, ergänzte der BUND-Vorsitzende. Gesunde und ökologisch einwandfreie Nahrung sei ein Grundrecht, das die Gemeinschaft im Zweifel ermöglichen müsse.