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04.07.2020 | 03:12

Kohleausstieg bis 2038 endgültig beschlossen

Kohleenergie
Es ist ein Beschluss von großer Tragweite, der weit in die Zukunft reicht - und umstritten ist. Bundestag und Bundesrat besiegeln das Aus für die klimaschädliche Kohleverstromung. (c) proplanta

Das lange Aus für die Kohle



Als erstes Industrieland steigt Deutschland aus Kohle und Atomstrom aus. Bis spätestens 2038 soll damit Schluss sein. Doch was passiert mit den vielen Arbeitsplätzen in den Kohleregionen?


Das war's mit der Kohle. Nach dem Aus für die Atomkraft legt Deutschland bis 2038 auch die Kohlekraftwerke still. Ein Wort fiel am Freitag bei den Beschlüssen in Bundestag und Bundesrat dazu immer wieder: «historisch». «Das fossile Zeitalter in Deutschland geht mit dieser Entscheidung unwiderruflich zu Ende», betonte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Doch nach Feiern war lange nicht allen zumute.

Zwar sieht sich die Bundesregierung international als Vorreiter, weil Deutschland bis 2022 zugleich auf Atomstrom verzichtet. Die Kohle-Länder bekommen eine lange Übergangsphase und Milliardenhilfen für den Strukturwandel, Kraftwerksbetreiber hohe Entschädigungen. Doch Umweltverbände nutzen das Wort «historisch» anders: Der Kohleausstieg komme zu spät und bringe dem Klima zu wenig, ein «historischer Fehler».

Warum ein schneller Kohleausstieg überhaupt kommen soll



Kohlekraftwerke werden zwar ohnehin nach und nach vom Netz genommen. Eigentlich aber wäre erst in den späten 40er Jahren Schluss gewesen für die Kohleverstromung. Das wird fürs Klima nun vorgezogen. Denn wenn Braunkohle zu Strom wird, entsteht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2).

Immer noch kommt in Deutschland viel Strom aus Kohlekraftwerken - obwohl der Ökostrom-Anteil stetig steigt. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hatte sich Anfang 2019 deshalb darauf geeinigt, dass der Ausstieg spätestens bis 2038 abgeschlossen sein soll - schon damals ging das den Umweltverbänden zu langsam.

Wie der Ausstiegspfad aussieht



Die Verstromung von Kohle wird bis spätestens Ende 2038, wenn möglich schon früher schrittweise und möglichst stetig auf null reduziert. Dadurch sollen Emissionen verringert und Klimaziele erreicht werden.

Das Gesetz schreibt genau vor, bis wann wie viel Gigawatt Braun- und Steinkohleverstromung reduziert werden, zu Beginn ab 2020 passiert dies vor allem im Rheinischen Revier. Im Laufe der Jahre soll immer wieder überprüft werden, ob die Stromversorgung gesichert ist und welche Folgen der Ausstieg auf die Strompreise hat - steigen sie, sind Entlastungen vorgesehen, darauf hatte die Wirtschaft gepocht.

Aber reicht das fürs Klima? Umweltverbände und auch die Grünen im Bundestag sagen: Bei weitem nicht. «Greenpeace wird weiter gemeinsam mit der gesamten Klimabewegung bei dieser und der nächsten Regierung für das Ende der Kohleverbrennung bis spätestens 2030 kämpfen», versprach Geschäftsführer Martin Kaiser. Er spricht von einem «Pseudo-Kohleausstieg».

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte zwar mit Blick auf den Ausstiegspfad ein: «Ich weiß, dass wir Hänger haben in der Mitte der 20er Jahre.» Insgesamt aber sei der Kohleausstieg ein «ganz, ganz wichtiger Schritt». Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) betonte, der erste Kraftwerksblock werde bereits in diesem Jahr abgeschaltet, die acht dreckigsten Kraftwerke in den nächsten zwei Jahren.

Warum die Kraftwerksbetreiber das mitmachen



Braunkohle-Konzerne wie RWE bekommen für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken Milliarden-Entschädigungen, dazu soll es einen Vertrag zwischen Bundesregierung und Unternehmen geben. Hilfen sollen auch Betreiber von Steinkohlekraftwerken bekommen.

Die Koalition hatte sich auf den letzten Drücker noch auf neue milliardenschwere Förderprogramme geeinigt, um Kraftwerke umzurüsten, etwa auf Gas oder zum Einsatz von Biomasse oder Wasserstoff. Zudem sind höhere Entschädigungen für Stilllegungen vorgesehen.

Welche Hilfen es für die Kohleregionen gibt



Noch immer hängen Tausende Jobs im Rheinland und in Ostdeutschland - in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier - an der Kohle. Damit Strukturbrüche vermieden werden, öffnet der Bund die Kasse: Vorgesehen sind Hilfen von insgesamt 40 Milliarden Euro, die den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg beim Umbau ihrer Wirtschaft sowie beim Ausbau der Infrastruktur helfen sollen. Die große Angst: Ganze Regionen könnten sonst wirtschaftlich abgehängt werden.

Die betroffenen Länder lobten am Freitag den Ausstiegsplan. Es gehe darum, eine Volkswirtschaft am Leben zu halten «und sich nicht einen eigenen K.-o.-Schlag zu liefern», sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Sein NRW-Kollege Armin Laschet (CDU) erklärte, ein früherer Ausstieg 2030, 2032 oder 2034 sei immer noch denkbar, wenn die Versorgungssicherheit garantiert sei. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) betonte, die Kohleregionen hätten nun die Chance, neue Strukturen aufzubauen.

Bei den Hilfen geht es zum einen um direkte Finanzspritzen des Bundes für wichtige Investitionen der Kohle-Länder und ihrer Gemeinden von bis zu 14 Milliarden Euro. Der zweite Batzen von 26 Milliarden Euro sind zum Beispiel neue Bahnstrecken oder Straßen. Dies soll die Regionen als Standorte attraktiver machen. Außerdem sind neue Bundesbehörden oder Forschungsinstitute geplant, damit sich drum herum neue Firmen ansiedeln. Die Vision ist, dass die alten Kohleregionen «Modellregionen» für Zukunftstechnologien werden.

Was für die Arbeitnehmer geplant ist



Keiner der Kohlekumpel soll ins «Bergfreie» fallen, wie der Chef der Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagt. Deswegen soll es ein eng geknüpftes Sicherheitsnetz geben, zum Beispiel mit einem milliardenschweren Anpassungsgeld für Beschäftigte ab 58 Jahren, die die Zeit bis zum Renteneintritt überbrücken müssen, sowie einem Ausgleich von Renten-Einbußen. Die große Frage aber ist: Klappt es, dass gut bezahlte Ersatz-Arbeitsplätze entstehen?

Worauf es noch ankommt



Neben dem Gelingen des Strukturwandels kommt es aus Sicht vieler Experten nun vor allem darauf an, einen «Einstiegsplan» zu formulieren - für den derzeit stockenden Ausbau der erneuerbaren Energien aus Sonne oder Windkraft und für den Ausbau der Stromnetze, die den vor allem im Norden produzierten Windstrom in den Süden transportieren. Doch oft gibt es Widerstand gegen neue Windparks an Land oder Strommasten, deswegen will die Bundesregierung nun die Akzeptanz erhöhen. Außerdem sollen Zukunftstechnologien wie der «grüne» Wasserstoff vorangetrieben werden.
dpa
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