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28.11.2017 | 08:27
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Ja zu Glyphosat belastet Gespräche über neue große Koalition schwer

Christian Schmidt (CSU)
«Ernsthafte, engagierte und redliche» Gespräche über eine Koalition stellt die Kanzlerin der SPD in Aussicht. Kurz darauf trifft ein CSU-Minister auf EU-Ebene eine folgenschwere Entscheidung - unter Missachtung eines ausdrücklichen Vetos der SPD. Wusste Merkel vorab davon? (c) proplanta

Deutschland ebnet den Weg für Glyphosat - und für großen Streit



Monatelang wurde gestritten, doch jetzt ist klar: Der Unkrautvernichter Glyphosat bleibt in Europa noch fünf Jahre auf dem Markt. Die EU-Kommission ist erleichtert, die Agrarindustrie ebenso. Verbraucher- und Umweltschützer sind indes entsetzt. Und für die amtierende Bundesregierung ist der Verlauf der Abstimmung in Brüssel am Montag politisch ein GAU mit unabsehbaren Folgen - auch für die mögliche Neuauflage großen Koalition.

Worum geht es?

Der Unkrautvernichter Glyphosat ist sehr wirksam, gilt als preiswert und wird weltweit in der Landwirtschaft genutzt, um Ernten zu verbessern. Entwickelt wurde der Wirkstoff vom US-Konzern Monsanto - den der deutsche Konkurrent Bayer übernehmen will. Das Mittel wird aber auch von mehr als 40 weiteren Herstellern vertrieben. Umstritten ist es wegen des Verdachts, es könnte Krebs erregen und die Umwelt schädigen.

So stufte die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation das Herbizid im März 2015 als «wahrscheinlich krebserregend» für den Menschen ein. Allerdings sehen die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa, die Chemikalienagentur Echa und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung keine ausreichende Belege für ein solches Risiko.

Unabhängig davon gibt es Bedenken, unter anderem beim Umweltbundesamt, gegen die Vernichtung von Kräutern und Gräsern auf Ackerflächen. Damit werde Insekten und Feldvögeln großflächig die Lebensgrundlage entzogen.

Was ist die Position der EU-Kommission?

Die EU-Kommission wollte ursprünglich eine Verlängerung der Lizenz um zehn Jahre. Dafür bekam sie aber im Kreis der EU-Mitgliedsländer keine Unterstützung. Auch ein neuer Antrag auf Verlängerung um fünf Jahre fiel Anfang November durch. Daraufhin beantragte die Brüsseler Behörde für Montag ein Vermittlungsverfahren und erhielt dort letztlich die Unterstützung von 18 der 28 EU-Länder. Neun Staaten stimmten dagegen, darunter auch die großen Agrarländer Frankreich und Italien.

Wie ist die deutsche Haltung?

Deutschland hatte sich bei vorherigen Abstimmungen immer wieder enthalten, weil Agrarminister Christian Schmidt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Chancen und Risiken des Mittels unterschiedlich bewerteten. Am Montag aber stimmte der deutsche Vertreter im Vermittlungsverfahren überraschend zu. Schmidt begründete dies damit, dass die EU-Kommission die Genehmigung sonst auf eigene Kappe ohnehin erteilt hätte. So aber habe man Auflagen durchsetzen können.

Hendricks widersprach sofort öffentlich. Noch zwei Stunden vor Beginn der Sitzung habe sie ihren Widerstand bekräftigt und auf Enthaltung Deutschlands gedrungen. Die deutsche Zustimmung gab nach Berechnungen des Umweltministeriums letztlich den Ausschlag für die Verlängerung. Mit Blick auf eine mögliche Neuauflage der großen Koalition zürnte Hendricks: «Jeder, der an Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert ist, kann sich so nicht verhalten.»

Wieso war die Kommission überhaupt so erpicht auf die Verlängerung?

Da mehrere europäische Agenturen kein Krebsrisiko sahen, argumentierte die Kommission, man könne schwerlich die Zulassung verweigern. Die Entscheidung wollte sie aber nicht alleine treffen, denn europäische Bürgerinitiative hat mehr als eine Million Unterschriften gegen das bei Umweltschützern verpönte Mittel gesammelt. Andererseits drohten die Hersteller von Glyphosat inzwischen mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe, falls der Stoff nicht wieder zugelassen werde und es dabei zu «Rechtsverstößen» komme. Dies meldete der «Tagesspiegel» Anfang November aus der Kommission. Möglich gehalten würden Summen von bis zu 15 Milliarden Euro.
dpa
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agricola pro agricolas schrieb am 28.11.2017 09:57 Uhrzustimmen(22) widersprechen(21)
Armes wehrloses Hündchen, das so schwer vom Schwanz gebeutelt wurde und nun auch noch mediale Prügel seitens der Verbraucher einkassieren muss. Ist man sicher so nicht gewohnt, das kennen bislang nur die Bauern...

Genau eben diese agrar- und gesellschaftspolitisch eigendynamischen Verläufe in dieser unheiligen Debatte statuieren, dass wir dringend eine Minderheitsregierung brauchen, damit in vorderster Priorität ein gesünderer Parlamentarismus auch eine bessere Balance in der Gesetzgebung ermöglicht. - Viele Hintertürchen fielen da schlagartig ins Schloss...!

Unsere kleinbäuerlichen Familienbetriebe profitieren allerdings von der Tatsache, dass sich dieselben Abläufe langfristig in viele Verbraucher-Hirnwindungen beispielhaft eingebrannt haben dürften. - Ich spreche hier ausdrücklich nicht von jenen berufsständisch wenig kreativ erschaffenen Plattitüden der „ bäuerlichen Mehrfamlienbetriebe“ oder anderen juristisch, wenig bauerntypischen Betriebsformen, für die das Schmidt‘sche nunmehr umgewandelte Foulspiel ein „vorläufiger" Segen ist.

Das kleine tumbe Bäuerlein steht einmal NICHT in der Verantwort, wie wohltuend!!!

Das dicke Kuckucksei, das unsere geldgeilen Agrarriesen, die AN der LW höchst komfortabel sich zu bereichern wissen, damit ins eigene bestens ausgepolsterte Nest holten, kommt in der Dynamik einer allseits tobenden Diskussion in sämtlichen Medien glasklar zum Ausdruck, auch wenn man das derzeit von ersterer Seite noch milde abschätzig belächeln dürfte.

Eine beruhigende Stimulanz hat man allerdings noch nicht gefunden, damit diese Thematik in den Verbraucherköpfen endlich herunterkochen kann, ganz im Gegenteil, Agrarminister Schmidt hat eine Lawine der Empörung jetzt erst richtig losgetreten. EIGENTOR, werter Herr Seehofer, hochverehrte Frau Dr. Merkel, geschäftsführende Bundeskanzlerin. ;-) - Den noch aktiven Bauern kann gar nichts Besseres passieren; da hat man sich vielleicht gehörig verkalkuliert!?

Die konventionellen Ackerbauern dürfen sich nun sicherlich über die vielzähligen Kontakte ihrer Verpächter freuen, die bei dem herbeigesehnten Glyphosatverzicht -dann auf freiwilliger Basis- gut und gerne quotal die alljährlichen Pachtzinsen reduzieren möchten. - Gemeinsam sind wir stark!(?) - Harren wir also dieser Anstürme vor unseren Hoftoren...!(?)
Ein vorzügliches Zeitmanagement -da hat unsere FML-PR-Maschinerie saubere Arbeit geleistet- was man an dieser Stelle ruhig betonen darf- wo eine solche Brisanz in der Thematik die vorweihnachtlichen Harmoniebestrebungen aller rastlosen Mitmenschen im eigentlichen nicht so empfindlich stören sollte. - Abenteuerlich restlos verkalkuliert. CHAPEAU! Wer löhnt für diesen Imageschaden, um einen Kassenausgleich herzustellen? Viele Geldgeber bleiben da nicht übrig.

Fatal ist, dass mehrheitlich die kausalen Zusammenhänge zwischen dem Glyphosateinsatz und einem erbarmungslosen Strukturwandel, nicht nur innerhalb Europas Grenzen, noch immer nicht herzustellen sind. - Ich lebe in dem Bewusstsein, dass ich damit im Kollegenumfeld auf sehr viele taube Ohren stoße und seitens unserer berufsständischen Vertretung einen Sturm der Entrüstung auslöse. Das ändert an der fatalen Situation vieler bäuerlicher Mikroökonomien allerdings nichts zum Positiven hin,.. leider!

„Wenn eine Idee nicht zunächst absurd erscheint, taugt sie nichts!“ (Einstein) ;-)
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