Die Botschaft von Umweltministerin Barbara Hendricks: Die SPD-Minister weigern sich, die EU-Zulassung für das heftig umstrittene Unkrautgift in der Europäischen Union zu erneuern. Die Folge: Ein offener Streit in der großen Koalition mit schwer absehbaren Folgen für Europas Landwirtschaft.
Am Mittwoch, als die EU-Ländervertreter in Brüssel zusammenkommen, sind die Fronten noch immer verhärtet. Die Union wittert Populismus bei den Sozialdemokraten: Geht es ihnen wirklich nur darum, ob die tonnenweise eingesetzte Chemikalie vielleicht krebserregend für Menschen ist?
Wohl kaum. Beim Glyphosat gelingt der
SPD gerade, was in den vergangenen Wochen beim Fracking oder beim Freihandelsabkommen TTIP zwischen USA und EU gründlich daneben ging. Während Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel weiter zu TTIP steht, stellt sich die SPD diesmal an die Seite der besorgten Deutschen, agiert als Anwalt der Verbraucher, gegen Industrie und Lobbyisten. So viel Lob von einflussreichen Umweltschutz-Organisationen - von
Greenpeace bis
BUND - gibt es selten, das tut der Partei im Umfragetief mal gut.
Souverän wirkt das späte Nein aber nicht. Dass die EU-Staaten diese Woche in Brüssel Farbe bekennen müssen, war klar. Umweltschützer laufen seit Monaten Sturm gegen die Erneuerung der EU-Zulassung, die Ende Juni ausläuft. Längst, so stellt es Agrarminister Christian Schmidt (CSU) dar, hatte sich die Bundesregierung auf ein Ja zum Glyphosat in Brüssel geeinigt, hatte die Kommission Bedenken und Auflagenwünsche aus dem Hause Hendricks in ihren Vorschlag eingearbeitet.
Im Umweltministerium allerdings bestritt man über Wochen, überhaupt einen Vorschlag aus Brüssel vorliegen zu haben. Deswegen gebe es auch noch keine Position, hieß es - anders, als Schmidt nach Hendricks' Statement erbost verbreitete. Er spricht jetzt von einer «Rolle rückwärts» der SPD-Kollegen im Kabinett. Und liegt damit wohl nicht ganz falsch.
Die Grünen feiern den Krach zwischen SPD und Union derweil als eigenen Erfolg. Sie hatten das Thema Glyphosat auf die Tagesordnung des Bundestags gebracht. Der Kurswechsel freue ihn, sagt etwa Harald Ebner, Obmann der Grünen im
Agrarausschuss - «auch wenn viel Kalkül dabei sein mag, sich gegenüber der übermächtigen Kanzlerinnenpartei zu profilieren.»
Bei der SPD sieht man das naturgemäß anders. «Für uns gilt das Vorsorgeprinzip, wonach nur zugelassen werden darf, was zweifelsfrei nicht gesundheitsschädlich ist», sagt Fraktionsvize Ute Vogt. Eine Übergangsfrist hält sie aber für möglich, «um Härtefälle in der Landwirtschaft weitgehend zu vermeiden».
So oder so: Manche finden den Koalitionsstreit ziemlich peinlich. Die Bundesregierung ist in Sachen Glyphosat-Zulassung als Berichterstatter federführend in Brüssel - und hat nun gar keine Haltung. Mit ihrem Versuch, die Regierungsreihen zu schließen, ist Kanzlerin Angela Merkel gescheitert. «Die bislang geführten Gespräche haben noch nicht zu einer abschließenden Festlegung der Bundesregierung geführt», so formuliert es ihr Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Ein Machtwort will die Kanzlerin offenbar nicht sprechen - Uneinigkeit bedeutet Enthaltung in Brüssel.
Ob das aber nun verhindert, dass Glyphosat weiterhin tonnenweise auf europäischen Äckern, Bahnschienen, Sportplätzen oder auch in privaten Vorgärten zum Einsatz kommt, ist offen. Wenn der Fachausschuss zu keinem Ergebnis kommt, hat die
EU-Kommission den Schwarzen Peter und muss entscheiden. Die SPD immerhin könnte weiterhin sagen: Wir waren dagegen.