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03.11.2019 | 01:23

Merkel sieht gute Chancen in Indien

Wirtschaftsbeziehungen
Innovative Technologien, erneuerbare Energien und Fachkräfte - in solchen Themen wollen Deutschland und Indien künftig stärker zusammenarbeiten. Nun macht sich die Kanzlerin für ein Freihandelsabkommen mit dem 1,3-Milliarden-Einwohner-Land stark. (c) Edyta Pawlowska - fotolia.com

Merkel macht Weltpolitik - Zuhause tobt der Kampf ums Erbe



Es waren die fünften deutsch-indischen Regierungskonsultationen für die Kanzlerin. Sie gilt in Indien immer noch als eine der mächtigsten Frauen weltweit. Das sehen in Deutschland viele anders.

Es wirkt wie ein Routinebesuch von Angela Merkel bei guten, wichtigen Freunden. Doch gut möglich, dass die fünften auch die letzten deutsch-indischen Regierungskonsultationen sind, die die Kanzlerin der großen Koalition leitet.

Gut 48 Stunden hat sich Merkel Zeit genommen, um mit Premierminister Narendra Modi Zukunftsthemen zu besprechen. Es geht um Digitalisierung, Klima, erneuerbare Energien. Die Kanzlerin wirbt bei der mit 1,3 Milliarden Menschen größten Demokratie der Welt um einen neuen starken Partner in der sich verändernden Welt - während Zuhause in Berlin schon um ihr Erbe gekämpft wird.

Merkel sei eine weltweit außergewöhnliche Führungspersönlichkeit und «eine Freundin Indiens und eine persönliche Freundin», schwärmt Premierminister Narendra Modi über die Kanzlerin, als sie nach dem Regierungstreffen im Gästehaus seiner Regierung neben ihm steht. Schon als etwas langwierig die mehr als 20 gemeinsamen Absichtserklärungen verkündet werden, scherzen und lachen Merkel und Modi wie zwei alte Freunde miteinander.

Es geht zwischen Merkel und Modi auch um Themen wie künstliche Intelligenz oder Weltraum- und Luftfahrttechnologie - und auch den Fußball. Bis hin zu einer engeren Kooperation im eher ungewöhnlichen Bereich der traditionellen Heilkunst Ayurveda, für die es in Indien sogar ein eigenes Ministerium gibt.

Die Luft in Neu Delhi ist während des ganzen Besuchs so dick wie die Atmosphäre Zuhause in der CDU, als Merkel am Donnerstagabend nach knapp sieben Stunden Flug aus dem Regierungs-Airbus steigt. Die indische Hauptstadt gilt als eine der Millionenstädte mit der größten Luftverschmutzung weltweit.

«Sehr, sehr hoch» seien die Feinstaubwerte, sagt die Kanzlerin, als sie darauf angesprochen wird, wie sie persönlich die Luftverschmutzung empfinde. «Aber ich bin ja nur sehr kurz hier. Andere sind länger hier.»

Merkel ist die Belastung durch die schlechte Luft nicht anzusehen, als sie am Morgen an der Residenz des indischen Präsidenten von Modi zu den üblichen militärischen Ehren empfangen wird. Etwas einsam wirkt es dann, wie sie allein unter einem Baldachin auf einem einzelnen Stuhl den Nationalhymnen beider Länder lauscht und danach die Ehrenformation abschreitet.

Seit ihren Zitteranfällen vor ein paar Monaten hat sich die Kanzlerin entschlossen, solche Anlässe lieber im sitzen zu absolvieren. Und dass Modi auf der Ehrentribüne sitzenbleibt, ist Tradition im Land.

Zum vierten Mal ist Merkel nun in dem Riesenreich - sie will ein Zeichen setzen für die demokratisch gewählte Regierung, auch als Kontrapunkt zu ihren häufigen Besuchen in China, dem autoritär regierten Riesenreich in der Nachbarschaft.

Selbst wenn sich Merkel sorgt wegen des ausgeprägt hindu-nationalistischen Wahlkampfs Modis oder der Lage in der Unruheregion Kaschmir: Aus ihrer Sicht könnte das Land eine noch wichtigere Rolle in der internationalen Konfliktlösung spielen, etwa in Afghanistan nach dem Rückzug der USA.

Auf ihrem Programm stehen auch zwei Abstecher in die indische Vergangenheit. Am Vormittag fährt die Kanzlerin zu dem Ort, wo der indische Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi eingeäschert worden war, nachdem er 1948 von einem Hindu-Nationalisten erschossen wurde.

Wie alle anderen zieht auch Merkel ihre Schuhe aus, geht auf Socken zu dem Gedenkort und legt einen Kranz nieder. Behutsam streut die Kanzlerin dann rote, gelbe und weiße Blütenblätter auf den schwarzen Marmorblock, der zu Gandhis Gedächtnis dort steht.

«Im Gedenken an Gandhi-Ji, der mit seinem tiefen Glauben an die friedliche Revolution die Welt verändert hat. Auch bei uns in Deutschland», schreibt Merkel ins Gästebuch und zieht so die Schleife zur friedlichen Revolution in Ostdeutschland vor 30 Jahren.

Am Nachmittag steht für sie noch einmal Gandhi auf dem Programm: Diesmal zusammen mit Modi besichtigt sie die Gedenkstätte Gandhi Smriti. Dort hatte der «Vater der Nation» die letzten 144 Tage seines Lebens verbracht, bevor er im dortigen Garten ermordet wurde.

Aber auch fast 5.700 Kilometer entfernt von Berlin lassen sich die Friktionen bei den Christdemokraten und in der wackelnden GroKo nicht ganz abschütteln. Beim Empfang des deutschen Botschafters in Merkels Hotel sind die Zukunft der großen Koalition und die Frage nach der künftigen Kanzlerkandidatur in kleinen Runden großes Thema.

Doch der Kanzlerin ist in Indien von den Wirrungen in Partei und Regierung nichts anzumerken. Als sie gefragt wird, wie sie es sehe, dass sie in Indien als außergewöhnliche politische Führerin gefeiert, Zuhause aber um ihr Erbe gekämpft werde und es scharfe Kritik gebe, reagiert sdie gelassen: «Wir leben in Demokratien, da muss ich auch mit Kritik umgehen.» Außerdem freue sie sich, dass sie in Deutschland für ihre Arbeit auch viel Unterstützung erfahre.

Kritiker sagen dagegen, die Ex-CDU-Chefin habe sich längst von ihrer Partei entfernt. Abgehoben konzentriere sie sich auf die Außenpolitik. Merkel selbst wird das anders sehen - etwa angesichts der vor ein paar Wochen durchverhandelten Nacht über das Klimapaket der Koalition. Schon am Montagabend steht das nächste Treffen des Koalitionsausschusses an, es dürfte um für den Bestand der Koalition wichtige Dinge wie die Grundrente gehen.

Doch richtig ist auch: Seit Annegret Kramp-Karrenbauer die Führung der CDU von Merkel übernommen hat, hält sich die Kanzlerin in Parteisachen demonstrativ zurück. Eingeweihte sagen, sie befürchte, jede öffentliche Unterstützung für ihre Wunschnachfolgerin könne kontraproduktiv sein. Und außerdem: Die Verantwortung für die CDU hat aus ihrer Sicht natürlich die neue Chefin - Feuerprobe inklusive.

Ob es für Merkel nicht doch ein Problem ist, dass sie angesichts der brisanten innenpolitischen Lage für ein paar Tage nicht in Deutschland ist? Die Kanzlerin dürfte das gewohnt pragmatisch sehen. Am Samstagnachmittag ist sie ja schon zurück in Berlin. Und eines ist sowieso sicher: Die Probleme sind noch da, wenn Merkel wiederkommt.
dpa
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