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03.03.2015 | 00:05 | EU-Fischereifonds 

Agrar-Direktzahlungen: Bauer Willi und sein gespaltenes Verhältnis dazu

Stuttgart/Hohenheim - Um Namen, Gemeinden, Postleitzahlen und Summen geht es, wenn am 31. Mai wieder die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) veröffentlicht werden.

Bauer Willi im Interview mit Proplanta
Bekannt wurde er durch eine Wut-Rede in einem offenem Brief an Verbraucher. Seither plädiert er auf seiner Facebook-Seite dafür, den Vorhang der Scheinheiligkeit in Sachen Landwirtschaft zu lüften. (c) Bauer Willi
Rund 320.000 Landwirte in Deutschland empfangen EU-Subventionen. Doch was bedeuten die Zahlungen wirklich für die Existenz des landwirtschaftlichen Unternehmers? Und steht für die Landwirte die Veröffentlichung der Daten tatsächlich im Vordergrund der Diskussion?

Im Debüt der neuen Interview-Serie von Proplanta gibt Bauer Willi seine ganz persönliche Sicht auf das Thema preis und schärft den Blick für die Geschehnisse am Rande der Debatte.

Wie stehen Sie persönlich zu den Direktzahlungen?

Gespalten. Ich würde viel lieber darauf verzichten, wenn ich dieses Geld über den Produktpreis erzielen könnte. Bei freien Märkten ist das aber wohl eine Utopie, da die Preise in Chicago oder Paris gemacht werden. Die Gründe für die Direktzahlungen haben sich ja auch im Laufe der letzten Jahrzehnte geändert. Zurzeit ist das Ziel ja Greening, wer weiß, wie lange das anhält. Wenn ich das Greening richtig verstehe - wobei mir noch niemand die Gründe dafür genannt hat - soll es ja wohl dazu dienen, die Biodiversität zu erhöhen.

Glauben Sie nicht, dass das funktioniert?

Ich möchte diese Frage mit einem Beispiel aus meiner direkten Nachbarschaft beantworten. Nicht weit von meinem Wohnort hat man 2005 rund 200 Feldhamsterbauten auf 100 ha gezählt. Dann hat man ein Programm angeworfen, von der EU finanziert, mit dem die Feldhamster gefördert werden sollten. Sehr viele Landwirte haben auch mitgemacht und sich einigen vorgeschriebenen Maßnahmen unterworfen. Gleichzeitig hat man viele kleine Waldflächen angelegt. In diesen Waldflächen gibt es Füchse, auf den jungen Bäumen sitzen Greifvögel. In 2013 hat man die Hamsterbauten wieder gezählt. Man hat noch 7 gefunden, wovon 5 verlassen waren. Den Rest der Hamster haben sich Fuchs und Bussard geholt. Soll heißen: Die Förderung der Feldhamster hat dazu geführt, dass sie faktisch in diesem Gebiet ausgestorben sind. Ich bewirtschafte übrigens „Hamster-Erwartungsland“, das liegt in der Nähe des ursprünglichen Siedlungsgebietes. Habe aber noch keinen Immigranten gesichtet.

Haben Sie einen Vorschlag, wie man es besser machen könnte?

In jedem Falle müsste es einfacher gemacht werden. Das Greening ist ein bürokratisches Monster, das selbst ich, der mal studiert hat, nicht mehr verstehe. Vor allem fühlen wir Landwirte uns dabei nicht mitgenommen. Uns wird – mal wieder – etwas vorgeschrieben, von dem man uns nicht erklärt hat wozu es dienen soll. Was will die Gesellschaft? Wer ist das überhaupt, „die Gesellschaft“? Ich gehöre ja auch dazu, oder? Es gibt hier im Rheinland eine Reihe von gut funktionierenden Kooperationen, z.B. beim Trinkwasser oder mit der „Stiftung Rheinische Kulturlandschaft“, wo mit den Landwirten und nicht gegen sie gearbeitet wird. Ein anderes Beispiel ist eine Bach-Aue direkt vor meinem Hoftor: Ich habe mit unserer Gemeinde und dem Gewässerverband einen langjährigen Vertrag gemacht, so dass ein Bach renaturiert werden konnte. Parallel dazu wurde ein Wanderweg angelegt, der sehr stark genutzt wird. Das macht die Gemeinde attraktiver und bringt mir etwas Geld ein. So wird ein Schuh draus. Leistung gegen Leistung. Oder man führt die Dauerbrache ein. Da können sich dann Fuchs und Hase über Jahre hinweg Gute Nacht sagen. Es bestände auch die geringe Hoffnung, dass durch die Herausnahme von Millionen von Hektar aus der Produktion in der gesamten EU langfristig die Preise für unsere Produkte wieder steigen könnten.

Könnten Sie auch auf die Direktzahlungen verzichten?

Schwierig. Man hat uns ja mit diesen Zahlungen gefügig gemacht, quasi angefüttert und das über Jahrzehnte. In meinem kleinen Betrieb von 40 ha machen diese Zahlungen rund 30 % meines landwirtschaftlichen Einkommens aus. Vor Steuern. Denn es wird ja gerne vergessen, dass dieses Einkommen aus Transferzahlungen ja auch versteuert werden müssen. Von daher sind die im Internet veröffentlichten Zahlungen ja brutto und je nach Steuersatz geht da ja einiges wieder in die Staatskasse zurück. Würde man alle Zahlungen an alle Landwirte morgen einstellen, würde es das Gegenteil von dem bewirken, was man wohl vorhat. Die kleinen Betriebe müssten aufgeben, die größeren würden noch größer, falls die dann noch die Liquidität haben. Wir können das Land aber auch an die Chinesen verkaufen, die sind sicher sehr interessiert. Mit ihrem Land-Grabbing in Afrika machen sie ja vor wie es geht. Ob das aber der deutsche Verbraucher, „die Gesellschaft“ will?

Eine etwas diffizile Frage: Wie reagieren Ihre Berufskollegen auf die Veröffentlichung der Zahlungen?

Ich möchte mit einer ganz persönlichen Empfindung antworten: als ich das erste Mal unseren Familiennamen in der Liste gesehen habe, fand ich das schon befremdlich. Jetzt können auch die Freunde unserer Kinder den Betrag sehen, den wir bekommen. Wie sollen sie darauf angemessen reagieren? Welche Antwort sollen sie denn geben? Ich kann die Beträge meiner Nachbarn einsehen, weiß das aber einzuordnen. Ich könnte jetzt auch schnell ausrechnen, wieviel Hektar sie bewirtschaften, zumindest Pi mal Daumen. Aber damit kann ich eigentlich nichts anfangen und von daher kommen da bei mir auch keine Neidgefühle auf. Wenn andere mehr bekommen liegt das nur daran, dass ich mir die falschen Eltern ausgesucht habe.

Sie sind neugierig auf weitere Meinungen zum Thema?

Lesen Sie an dieser Stelle regelmäßig Interviews von Meinungsbildnern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Thema Agrar-Direktzahlungen. (proplanta)

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