«Wir wollen, dass unsere regionale Produktion wie die Spreewaldgurke weiterhin Bestandteil des Marktes ist», fordert Bauernpräsident Joachim Rukwied und greift die Entrüstung auf, die das geplante Freihandelsabkommen mit den USA im Vorfeld der weltgrößten Agrarmesse auslöste.
Ob Schwarzwaldschinken, Nürnberger Bratwurst oder Spreewaldgurke - an ihnen hängt mehr als die Frage, ob regionale Spezialitäten Europas unter die Räder kommen, wenn Zollschranken zu den USA fallen. Mehr denn je treibt die Branche und ihre Kritiker auf der Grünen Woche um, welche Landwirtschaft die Deutschen eigentlich wollen.
«Jetzt geht's um die Wurst: Eine weitere
Globalisierung der Land- und Ernährungswirtschaft ist aus Sicht der Verbraucher nicht akzeptabel», entrüstet sich der Naturschutzbund-Chef Olaf Tschimpke.
Bauernpräsident Rukwied beschwört bäuerlichen Familienbetrieb Doch der Wandel ist in vollem Gange. Ein Bauer ernährt nach Verbandsangaben heute rechnerisch 144 Menschen - mehr als dreimal so viele als 1980. Schweine- und Geflügelbestände wachsen, kleine Familienbetriebe verschwinden. Mehr als 5.000 Betriebe sind inzwischen Agrarunternehmen - sei es als Genossenschaft, als GmbH oder als AG - mit durchschnittlich mehr als 500 Hektar. Sie liegen vor allem im Osten, wo sich immer mehr Ausländer einkaufen.
Sollte unter dem Kürzel TTIP (Transatlantic Trade and Investmen Partnership) die größte Freihandelszone der Welt entstehen, konkurrieren sie mit ähnlich großen Betrieben in den USA. Die Bedingungen dafür werden gerade ausgehandelt.
«Wir sehen die bäuerliche Landwirtschaft gefährdet», warnt der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weiger. Gegen billiges Hormonfleisch aus Übersee sei deutsches Fleisch im Supermarkt chancenlos. Weiger fordert einen Neustart der Verhandlungen. «Wir haben viel zu verteidigen. Und wir wollen es nicht auf dem Altar der Agrarindustrie und des Freihandels opfern.»
So weit will die Ernährungsbranche nicht gehen. «Wir sind eine exportorientierte Branche und brauchen ein solches Abkommen», sagt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Sein Problem: Der Markt in Deutschland stagniert, Wachstum bringt nur der Export.
Für den baden-württembergischen Agrarminister Alexander Bonde (Grüne) birgt das Abkommen aber durchaus Risiken. Es dürfe «nicht der Hebel sein, um die mittelständische Lebensmittelindustrie in Europa zu schleifen», warnte Bonde in Berlin. Die Ernährungsbranche verweist indes auf eine Unternehmerumfrage, nach der 2014 knapp jeder zweite hoffte, künftig mehr in die USA zu verkaufen.
Das hofft auch der Bauernverband: «Der Deutsche
Bauernverband sagt Ja zu den Verhandlungen», betont Rukwied. Die hohen Standards bei der Tierhaltung und der Produktion müssten aber bleiben. «Wir wollen nicht, dass bei uns Hormonfleisch auf dem Teller ist.»
Ob das gelingt ist unklar. Der auf der Messe präsentierte «Kritische Agrarbericht» wirft den Regierungen vor, dass sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten, Lobbyisten aber in großer Zahl zu Wort kämen. 113 Treffen mit Vertretern von Lebensmittelkonzernen, Agrarhändlern und Saatgutherstellern wurden demnach gezählt.
Rukwied warnt die Bauern davor, allein aufs Regionale zu setzen, auch wenn dies wieder einer der Trends der Agrarmesse ist. Für den Export seien «Commodities» nötig - ein Wort für preisgünstige Massenware.
Wie die Landwirtschaft aussehen soll, wird auch auf den Straßen Berlins diskutiert. Dort protestieren regelmäßig zur Grünen Woche 10.000 und mehr Bauern, Umwelt- und Naturschützer bei der «Wir haben es satt»-Demonstration gegen eine Industrialisierung der Landwirtschaft. Dieses Jahr jedoch gibt es erstmals auch eine Gegenkundgebung, angemeldet von Landwirten, die sich diese Kritik nicht mehr bieten lassen wollen. Ihr Motto: «Wir machen Euch satt.» (dpa)