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10.07.2020 | 00:04 | Schlachthofmitarbeiter 

Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie am Pranger

Magdeburg - Nach dem Corona-Ausbruch in einem Schlachthof in Nordrhein-Westfalen haben die Fraktionen des Magdeburger Landtags bessere Bedingungen für Mensch und Tier in der Fleischindustrie gefordert.

Fleischproduktion
In seltener Einigkeit haben die Abgeordneten im Landtag mit der Fleischindustrie abgerechnet. Die Parlamentarier fordern bessere Arbeitsbedingungen für die Angestellten und einen würdigen Umgang mit Tieren. Dabei sehen viele auch die Verbraucher in der Pflicht. (c) proplanta
Die Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann sprach sich am Donnerstag für Tarifverträge, Betriebsräte und verstärkte Kontrollen in der Branche aus. Außerdem forderte sie die Verbraucher auf, den Konsum billigen Fleisches zu überdenken.

Ihre Fraktionskollegin Dorothea Frederking forderte, die maximale Dauer von Tiertransporten auf vier Stunden oder 65 Kilometer zu begrenzen. Auch Frederking appellierte an die Verbraucher und rief zu einem «Fleischkonsum in Maßen statt in Massen» auf. Für diese «Politik mit dem Einkaufskorb» brauche es allerdings ein verbindliches Tierwohllabel.

Nach einem Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies an deren Hauptstandort in Nordrhein-Westfalen waren die Arbeits- und Lebensbedingungen für die Arbeiter in der Fleischindustrie erneut in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.

Kritiker bemängeln vor allem die Beschäftigungsart: Viele große Schlachtbetriebe stellen ihre Arbeiter nicht direkt an, sondern über Subunternehmen durch Werkverträge. Angestellt werden dabei oft Osteuropäer, die teils in Massenunterkünften zu überhöhten Preisen untergebracht werden.

Hilfsorganisationen berichten von Knebelverträgen, illegalen Abgaben etwa für Schutzkleidung und weiteren Repressionen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will einen Gesetzentwurf vorlegen, um von 2021 an Werkverträge in der Branche weitgehend zu untersagen. Tönnies will seine Arbeiter dann direkt anstellen und ihnen auch direkt Wohnraum zu fairen Preisen zur Verfügung stellen.

Der zweitgrößte Schlachthof des Konzerns steht in Weißenfels (Burgenlandkreis). Nachdem auch dort eine Corona-Infektion nachgewiesen worden war, hatte Landrat Götz Ulrich (CDU) die komplette Belegschaft testen lassen - alle anderen Tests fielen negativ aus, bis auf einen Nachzügler, der während des großen Tests im Urlaub war, wie am Donnerstag mitgeteilt wurde.

«Wir haben in Sachsen-Anhalt bisher Glück gehabt», sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) dazu. In der Theorie sei gegen das System der Werkverträge nichts zu sagen. Die Fleischindustrie habe daraus aber «raffiniertes, teils menschenverachtendes Konstrukt» gemacht. Die Ministerin kündigte an, die Betriebe stärker zu kontrollieren.

Auch AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner kritisierte die Arbeitsbedingungen in den großen Schlachtbetrieben. Der Ausbruch in NRW sei jedoch weniger auf die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen selbst, als auf die Wohnbedingungen zurückzuführen.

Außerdem würden die Werkvertragsarbeiter oft dicht gedrängt in Bussen aus ihren Heimatländern nach Deutschland gefahren, auch dabei sei das Infektionsrisiko groß. Kirchner rief zu einer bewussteren, regionalen Ernährung auf.

Kritik kam auch aus Reihen der CDU. Der sozialpolitische Sprecher Tobias Krull begrüßte die Abschaffung der Werkverträge, appellierte aber auch an die Verbraucher. Er werfe niemandem vor, billiges Fleisch zu kaufen. Dann dürfe man sich aber auch nicht wundern, wie diese Preise zu Stande kommen, sagte Krull.

Der CDU-Abgeordnete Dietmar Krause forderte, die Landwirte bei der Verbesserung der Haltungsbedingungen zu unterstützen. Sie könnten das angesichts des Preiskampfs, den die Handelsketten um Fleischwaren führten, nicht allein finanzieren.

Die Linken-Abgeordnete Kerstin Eisenreich sprach von sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen und gnadenloser Ausbeutung. Eisenreich forderte, auch den Einzelhandel mit in die Pflicht zu nehmen.

Der SPD-Abgeordnete Andreas Steppuhn kritisierte die Verhältnisse in der Fleischindustrie als «ein Geflecht von Werkverträgen und Leiharbeit, das Verantwortlichkeiten verschleiert». Steppuhn forderte außerdem mehr Respekt für die Angestellten der Branche. «Die Menschen, die dort arbeiten, gehören zu Deutschland und auch zu Sachsen-Anhalt». Die Menschen würden Arbeit erledigen, die Deutsche oft nicht machen wollten.
dpa/sa
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