Vertreter einer modernen, technologieoffenen
Landwirtschaft nehmen sie genauso für sich in Anspruch, wie solche, die gerade diese Technologien (chemischer
Pflanzenschutz, biotechnologische Züchtungsverfahren,
Betriebsgröße, den Mais) als Ursache für nicht nachhaltige Systeme identifizieren. Diese
Diskussion um mehr
Nachhaltigkeit ist auf den Kopf gestellt und trifft in beiden Fällen nicht zu.
Nach Ansicht des Präsidenten der
DLG (
Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft)
Carl-Albrecht Bartmer liegt der grundlegenden Fehler darin: „Nachhaltigkeit mit Maßnahmen und Instrumenten gleichzusetzen, ist ungefähr so sinnvoll, wie Pinsel und Farbe van Goghs mit einem Kunstwerk gleichzusetzen“, sagte Bartmer im Rahmen des DLG-Kolloquiums am 5. Dezember 2017 in Berlin.
Für den DLG-Präsidenten bedeutet Nachhaltigkeit der
Landnutzung deshalb gerade nicht allein
Glyphosat oder der
Blühstreifen, sondern das Ergebnis der Bewirtschaftung, also maximaler
Ertrag bei minimalem Eingriff in
Biodiversität, wenig Erosion, wenig Nährstofffrachten und Klimawirkungen. „Instrumente und Nachhaltigkeit zu vermengen, das ist ein Irrweg, allein das Ergebnis, das „Gesamtkunstwerk“ macht ein Anbausystem nachhaltig.“
Deshalb sei es viel entscheidender, Nachhaltigkeit anhand von Indikatoren zu messen. Dieser Aufgabe habe sich die DLG angenommen und einen Nachhaltigkeitsbericht der deutschen Landwirtschaft aufgelegt, der auf Basis von 23 Nachhaltigkeitsindikatoren für ökologische, ökonomische und soziale Belange gerade nicht Maßnahmen betrachtet, sondern sich mit den Ergebnissen, dem Status Quo befasst. „Was man messen kann, führt zu innerbetrieblicher Transparenz, kann so besser gemanagt werden und ist damit Ansatzpunkt für technischen, organisatorischen und biologischen Fortschritt, der auf diese Weise inspiriert wird“, betonte der DLG-Präsident.
Mit Blick auf die aktuell zu reformierende Gemeinsame
Agrarpolitik der EU (GAP) nach 2020 erklärte Bioland-Präsident Jan Plagge: „Der aktuelle Förderrahmen ist nicht effizient und zielführend. Er führt dazu, dass relevante Umweltziele nicht erreicht werden, Landeigentümer anstatt aktiver
Bauern honoriert werden und der Umbau hin zu einer gesellschaftlich anerkannten Landwirtschaft verfehlt wird.“ Damit werde das aktuelle GAP-Modell den Herausforderungen an eine zukunftsfähige, umweltverträgliche und von der Gesellschaft akzeptierten Agrarpolitik nicht gerecht. Vielmehr müssten Optionen für freiwillige Nachhaltigkeitsleistungen eröffnet werden.
Nur durch eine Honorierung von ökologischen Leistungen, wie saubere Gewässer, klimafreundliche Bewirtschaftung, die Stärkung der
Artenvielfalt und eine vielfältige
Kulturlandschaft, kann die
GAP nach Auffassung des Bioland-Präsidenten effektiv dazu beitragen, die gesetzten Umwelt- und
Klimaziele zu erreichen. Gleichzeitig werden dadurch zukunftsfähige Betriebsentwicklungen gefördert. Auch
Plagge plädierte für den Einsatz von messbaren Indikatoren, um die Leistungen im Bereich „Umwelt, Klima, Tier“ honorieren zu können.
Ausgehend von einem dynamischen Verständnis von Nachhaltigkeit sollte sich die
Gemeinsame Agrarpolitik nicht darauf beschränken, den Status quo und derzeitige Herausforderungen der Landwirtschaft zu adressieren. Darauf verwies Prof. Dr. Alfons Balmann vom
Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (
IAMO) in Halle (Saale). Hierfür bestünden zwar genügend Herausforderungen, wie etwa beim Tierschutz.
Allerdings müssten bereits heute erforderliche Rahmenbedingungen für künftige Herausforderungen ins Auge gefasst werden. Das bedeutet nach Meinung des Wissenschaftlers, „dass die Veränderungsfähigkeit der Landwirtschaft selbst ein Politikziel darstellten sollte.“ Allerdings seien künftige Möglichkeiten und Herausforderungen unsicher. Zudem führten Veränderungen im Regelfall zu Gewinnern und Verlierern.
„Eine Gemeinsame Agrarpolitik, die primär auf die Förderung heutiger Strukturen ausgerichtet ist und aus sozialen Gründen Hilfen für bereits heute wenig wettbewerbsfähige Unternehmen gewährt, ließe sich kaum mit Nachhaltigkeitszielen begründen, so Balmann. Für ihn sind vielmehr eine Förderung von Innovationen und Innovationsfähigkeiten gefragt. Dazu gehörten Forschung, Qualifizierung, Bürokratieabbau und die Bereitstellung von Infrastrukturen genauso wie Anstrengungen, öffentliches Vertrauen in eine innovative Landwirtschaft zurückzugewinnen.