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20.02.2010 | 14:11 | Agrarsubventionen  

Bauern müssen um EU-Agrarmilliarden bangen

Brüssel - Höfesterben, steigende Umweltauflagen und Betriebskosten, dazu die Milch- und Klimakrisen: 

Bauern müssen um EU-Agrarmilliarden bangen
Groß ist der Sorgenkatalog von Deutschlands Landwirten ohnehin schon. Jetzt ziehen erneut dunkle Wolken auf, und zwar in Brüssel. Dort stehen die im Rahmen der gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) an die Landwirte gezahlten Milliardensubventionen auf dem Prüfstand. Nicht zum ersten Mal, doch diesmal droht den klassischen Großempfängern wie Frankreich, Deutschland und Spanien der Kahlschlag.

Denn die neuen EU-Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa dringen auf mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung. Und marktorientiertere Länder wie Großbritannien wollen die Beihilfen eindampfen. Mit dem Amtsantritt von Agrarkommissar Dacian Ciolos beginnt die heiße Phase der Verhandlungen. Diesen Montag trifft der Rumäne erstmals in seinem neuen Amt in Brüssel mit den europäischen Agrarministern zusammen. Was ihr ehemaliger Amtskollege ihnen zu verkünden hat, dürfte viele beruhigen. In seiner Anhörung vor dem Europaparlament hat Ciolos klargemacht, dass er für eine gute Ausstattung der Agrar- Fördertöpfe kämpfen will. Seine Macht liegt darin, dass nur er als EU-Kommissar die Reformvorschläge auf den Tisch legen kann.

Und die Zeit dafür drängt. Denn diesmal muss die Kommission nicht mehr nur mit den 27 Mitgliedstaaten verhandeln, sondern auch mit dem Europaparlament. Seit der EU-Reformvertrag von Lissabon in Kraft ist, entscheiden die Volksvertreter auch in der Agrarpolitik mit. Auch hier verlaufen die Fronten weniger zwischen Parteien als vielmehr zwischen Nationalitäten, werden sich Abgeordnete aus Schweden oder den Niederlanden für mehr Markt und mehr Forschungsgelder einsetzen.

2013 läuft der aktuelle Finanzrahmen des EU-Budgets aus. Doch die Grundpfeiler für den Agrarhaushalt müssen lange vorher stehen. Nicht nur, weil die Einbeziehung der drei EU-Institutionen - Kommission, Parlament und Ministerrat - die Sache so komplex macht. In Frankreich steht der Präsidentschafts-Wahlkampf an, was seine Unterhändler Manövriermasse kostet. Kein französischer Politiker würde es wagen, nicht für Frankreichs Bauern zu kämpfen. Mit gut 9 Milliarden Euro ist die «Grande Nation» Hauptempfänger der Agrargelder, die mit jährlich gut 56 Milliarden Euro größter Posten im EU-Haushalt sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg ersannen die Gründer der EU das Förderkonzept für die Bauern. Nach den Hungerkrisen ging es darum, Europas Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten.

Heute ist der Anteil am EU-Budget bereits gewaltig geschrumpft, von mehr als zwei Drittel in den 1980er Jahren auf etwa 40 Prozent. Außerdem erhalten die Bauern für die im globalen Vergleich strengen Umwelt- und Tierschutzstandards sowie für die Landschaftspflege Ausgleichszahlungen. Weitere Ziele: Nahrungsmittel sollen erschwinglich sein, Landflucht und Monokulturen entgegengewirkt werden. Zwar werden bereits Teile der Gelder für allgemeine ländliche Entwicklung umgeschichtet. Mit gut 38 Milliarden Euro bleiben die Direktbeihilfen aber weiterhin der größte Batzen. Dass das so bleibt, dafür will sich auch das deutsche Agrarministerium einsetzen. «Das Europäische Landwirtschaftsmodell hat sich bewährt», heißt es in einem Positionspapier aus dem Hause von Ministerin Ilse Aigner (CSU).

Auch künftig seien «stabile» Direktzahlungen erforderlich. GAP-Kritiker monieren, die rückwärtsgewandte Politik brächte Europa um Gelder für Forschung und Entwicklung. Subventionierte Agrarprodukte aus Europa machten die Märkte in der Dritten Welt kaputt; zu viel fließe an Konzernen oder Großgrundbesitzer. Aber selbst wenn sich an der Höhe des Budgets wenig ändern sollte, drohen den deutschen Bauern Einbußen. Derzeit bemisst sich die Summe je Hektar an früher an die Produktion gekoppelte Zahlungen. Deshalb bekommt ein Bauer in Griechenland mit produktionsintensivem Anbau wie Zitrusfrüchten oder Oliven etwa sechs Mal so viel wie etwa ein Landwirt in Polen, wo knapp 100 Euro je Hektar fließen. Eine völlige Angleichung könnte in Deutschland Kürzungen von 27 Prozent bedeuten.

Ciolos gibt sich als neutraler Vermittler. Kritik, Frankreich habe sich mit dem äußerst frankophilen 40-Jährigen einen Mitstreiter gesichert, weist er zurück. Aber als Rumäne wird auch er die Ost- West-Unterschiede kaum akzeptieren können. (dpa)
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