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21.03.2022 | 09:30 | Corona-Regeln 

Bundesweite Corona-Auflagen passé - Droht jetzt die Sommerwelle?

Berlin - Trotz hoher Infektionszahlen sind erste bundesweite Corona-Schutzauflagen für Millionen Menschen beendet.

Sieben-Tage-Inzidenz Deutschland
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Ungeachtet vieler Warnungen greift ein neuer Rechtsrahmen, der nur noch wenige Alltagsvorgaben zur Virus-Eindämmung zulässt. Wo es mehr sein sollen, müssen die Länder nun - unter Protest - selbst klären. (c) proplanta
Fürs Zugfahren mit der Deutschen Bahn braucht man keinen 3G-Nachweis als geimpft, genesen oder getestet mehr. Die Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr gilt aber weiter. Aufgehoben ist auch die Pflicht zu 3G-Zutrittsnachweisen am Arbeitsplatz - künftig können Firmen selbst Schutzkonzepte festlegen. Am Lockerungskurs der Ampel-Koalition gibt es weiter breite Kritik. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rief die Länder zur Umsetzung des neuen Rechtsrahmens auf, der bei kritischer Lage zumindest regional schärfere Auflagen ermöglicht.

Die 3G-Regeln am Arbeitsplatz und in Verkehrsmitteln hatten knapp vier Monate lang gegolten. Sie entfallen jetzt nach Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, die der Bundestag am Freitag unter Protest der Länder beschlossen hatte. Ihnen sind damit noch wenige allgemeine Schutzvorgaben im Alltag etwa zu Masken und Tests in Einrichtungen für gefährdete Gruppen wie Pflegeheimen und Kliniken möglich. Für regionale «Hotspots» kann es weitergehende Beschränkungen geben, wenn das Landesparlament für diese eine besonders kritische Corona-Lage feststellt. Alle Länder wollen noch eine Übergangsfrist nutzen und bisherige Regeln bis längstens 2. April aufrechterhalten.

Lauterbach verteidigte die Neuregelungen erneut. «Wir können nicht immer weiter die Freiheitsrechte der gesamten Bevölkerung begrenzen, nur weil zehn Prozent der Über-60-Jährigen nicht impfbereit sind», sagte er am Sonntag in der ARD. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte: «Zwei Jahre nach Beginn des ersten Lockdowns kehren wir jetzt zur Normalität zurück.» Die Zahl der Neuinfektionen sei zwar hoch. Glücklicherweise drohe aber keine Überlastung des Gesundheitssystems. Damit entfalle die Grundlage für staatliche Freiheitsbeschränkungen.

Die Virologin Melanie Brinkmann verwies am Samstag im Deutschlandfunk auf ein aktuell sehr hohes Infektionsgeschehen in der Bevölkerung. Es sei genau «der falsche Zeitpunkt, Werkzeuge aus dem Werkzeugkasten zu nehmen.» Man habe auf einen Schlag «einen zahnlosen Tiger» vor sich.

Die Sieben-Tage-Inzidenz sank nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Sonntag nach einem längerem Anstieg erstmals wieder leicht auf nun 1.708,7 - nach dem Rekordwert von 1.735,0 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag. Das Virus breitet sich in Deutschland aber weiter stark aus. Die Gesundheitsämter meldeten 131.792 neue Fälle an einem Tag, registriert wurden 49 Todesfälle.

Lauterbach räumte ein, dass der Bund das Gesetz zum ersten Mal ohne Einbeziehung der Länder gemacht habe - er appellierte aber an sie, nicht verschnupft zu reagieren. «Jetzt darf niemand, ich sag mal, die beleidigte Leberwurst spielen und macht sich nicht zum Hotspot, wo es notwendig ist.» Beim weiteren Krisenmanagement müssen die Länder nun unter Zeitdruck die nächsten Schritte klären - und Unmut ist groß.

Während der Übergangsfrist von zwei Wochen können Regelungen wie weitergehende Maskenpflichten in anderen Bereichen wie Geschäften oder Schulen sowie Zugangsregeln wie 2G und 3G bis längstens zum 2. April bestehen bleiben - ausgenommen sind aber etwa Kontaktbeschränkungen oder Teilnehmerobergrenzen für Veranstaltungen.

In der Übergangsfrist müssen aber auch Regelungen für die Zeit danach her. Und eine heikle Frage dabei lautet, wie es die Länder konkret mit Hotspot-Regelungen halten. Dafür müssen Koalitionen dann auch zügige Landtagsbeschlüsse herbeiführen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) monierte in der «Augsburger Allgemeinen», das Gesetz sei nicht praktikabel. Es sei nicht klar, wie es angewendet werden könne und welche Maßstäbe und Parameter für «Hotspots» gelten.

Tatsächlich macht das Bundesgesetz nur vage Vorgaben. Schwellenwerte, ab wann eine Region ein Hotspot ist, sind darin nicht beziffert. Generelle Voraussetzung ist entweder, dass dort eine gefährliche Virusvariante kursiert - oder wegen besonders hoher Fallzahlen eine Überlastung der Klinikkapazitäten droht. Nur was heißt das genau?

Aktuell liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in allen Bundesländern über 1.000, in fünf Ländern über 2.000. Länder verweisen zudem darauf, dass große Kliniken teils übergreifende Versorgungsgebiete abdecken.

Unterschiedliche Signale sendete die Ampel-Koalition auch dazu, wie groß Hotspot-Gebiete überhaupt sein können. FDP-Fraktionschef Dürr sprach von der rechtssicheren Möglichkeit, «in betroffenen Kommunen und Landkreisen» mehr Maßnahmen zu beschließen. Lauterbach betonte in der ARD, dass auch ein ganzes Bundesland Hotspot sein könne. Das sei mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) auch nicht strittig.

Nachdem mehrere Länder in Europa Corona-Regeln weitgehend abgeschafft haben, zieht Österreich wegen stark steigender Infektionszahlen die Zügel erneut an. Ab Mitte der neuen Woche müssen in öffentlichen Innenräumen wieder FFP2-Masken getragen werden. Im Nachbarland ist die Sieben-Tages-Inzidenz etwa doppelt so hoch wie in Deutschland.

Hierzulande soll auch bei einem anderen Reizthema der nächste Schritt folgen. An diesem Montag geht es in einer Anhörung im Bundestag um die vorgelegten Entwürfe für eine allgemeine Corona-Impfpflicht.
dpa
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