Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
07.03.2008 | 06:14 | Zwist um Ernährungspolitik 

Die «Künastisierung» von Horst Seehofer

Berlin - Die politische Farbenpalette in Deutschland ist in Bewegung. Während sich in Hamburg möglicherweise die erste schwarz- grüne Koalition auf Landesebene anbahnt, gibt es im Bund zumindest Zeichen der Annäherung bis hin zur Agrar- und Verbraucherpolitik.

Horst Seehofer
(c) Dt. Bundestag
Die FDP spricht bereits von einer «Künastisierung» von Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU). Im Kampf gegen das Übergewicht der Deutschen will er die Lebensmittelkennzeichnung ändern. Eine «Ampel» nach britischem Vorbild, bei der Rot, Gelb und Grün den Gehalt an Fett, Zucker und Salz von Produkten zeigen, lehnt Seehofer zwar weiter ab. Doch er signalisiert Bereitschaft, die Kennzeichnung anschaulicher zu machen als bisher geplant.

Seehofer trat 2005 mit der Forderung an, die «Agrarwende» seiner grünen Vorgängerin Renate Künast ebenso wie den Streit um Bio zu begraben: «Ich möchte dieses Gegeneinander beenden.» Das war zugleich ein Bekenntnis zu beiden Anbauformen. Angesichts des Biobooms will Seehofer den Öko-Anbau ankurbeln. Wegen großer Bedenken in der Bevölkerung gegen Gentechnik und einer Studie zu Umweltrisiken verschärfte er die Anbauregeln für Gen-Mais, allerdings mit Ausnahmen. Hierbei unterschieden sich Seehofer und Künast nicht, meint FDP-Agrarpolitiker Hans-Michael Goldmann und fragt: «Künastisiert Seehofer die Agrar- und Verbraucherpolitik?»

Im Kampf gegen überzählige Pfunde der Bundesbürger hat Seehofer ebenfalls Kompromissbereitschaft signalisiert. Die meisten Bundesbürger sind zu schwer, jeder Fünfte fettleibig, ergab eine Studie. Weil dies vor allem ein soziales Problem ist, setzt Seehofer in seinem Aktionsplan Ernährung auf besseres Schulessen und mehr Information. Die Verbraucher sollen auf Verpackungen sehen, wie viele Kalorien und welchen Gehalt an Fett, Salz und Zucker ein Produkt in Bezug zu Portion und Tagesbedarf enthält. Seehofer sagt, er sei offen, wenn es darum gehe, die Kennzeichnung aussagefähiger zu machen. Die reine «Ampel» auf Verpackungen sieht er als «Verdummung», weil dann auch lebensnotwendige Lebensmittel «Rot» tragen könnten.

Als Grünen-Fraktionschefin macht sich Künast für die «Ampel»- Kennzeichnung stark und lehnt Seehofers bisherige Pläne ab. «Das wird nicht funktionieren.» Sie kritisiert, dass Verbraucher dann ständig rechnen müssten. Die Linke sieht das ähnlich. Kritik kommt auch von der SPD, deren Fraktionsvize Ulrich Kelber den Vorschlag Seehofers für irreführend hält. «Die Portionsgrößen, auf denen die Seehofer- Kennzeichnung basiert, sind teilweise willkürlich gewählt.» Die Verbraucherzentralen und die Organisation Foodwatch schlagen Alarm und werfen Herstellern vor, Verbraucher mit Angaben zu täuschen.

Die Lebensmittelwirtschaft lehnt eine «Ampel» wie auch eine Kennzeichnungspflicht ab und verweist darauf, dass schon auf mindestens 60 Prozent verpackter Lebensmittel die wichtigsten Nährwerte stünden. Druck kommt von der EU-Kommission: Sie will Pflichtangaben zu Kalorien, Fett, Zucker, Salz und Kohlenhydraten auf Verpackungen verarbeiteter Lebensmittel wie Wurst. Das lässt aber auch Kompromisse in der Gestaltung zu. In Großbritannien gibt es die «Ampel» auf Verpackungen seit einigen Jahren. Rund 10.000 Produkte damit gibt es nach Angaben der britischen Verbraucherschutzbehörde FSA inzwischen, acht Handelsunternehmen machen mit.

Dass Seehofer kompromissbereit ist, zeigte er kürzlich auch in der ARD-Sendung «Hart, aber fair»: Nach einer Stunde Debatte zu Ernährung verriet er: «Nach der Fastenzeit gibt's eine Schweinshaxe.» (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Besserer Schutz vor hohen Strompreisen

 Dieselskandal bei Mercedes - Verbraucherschützer erzielen Teilerfolg

 Geprüfte Betriebe fallen bei Fleischkennzeichnung durch

 Mehr als 300 Lebensmittelrückrufe im Vorjahr

 Ab heute verpflichtende Herkunftsangaben für mehr Fleischwaren

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken