Die
Betriebe seien in einer «akuten Notsituation», sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (
CDU) am Mittwoch in Bonn nach einer Videokonferenz mit Vertretern von Tierhaltern, Verarbeitern und Handel. Rund 260.000 Tonnen
Schweinefleisch seien auf Lager.
Neben Corona-Finanzhilfen und anderen Erleichterungen für die Bauern rücken denn auch Sonderaktionen in Supermärkten in den Blick, um den Absatz anzukurbeln - doch den nächsten Preiskampf anzetteln soll das nicht.
Es sei der Wunsch der Beteiligten gewesen, dass es zu einer Offensive der
Absatzförderung kommt, sagte Klöckner nach den Beratungen. Dabei sei aber darauf acht zu geben, dass die Preise nicht «dermaßen in den Keller gehen, dass man psychologisch da nicht mehr herauskommt». Es gehe um Wertschätzung für Lebensmittel.
Hervorgehoben werden solle etwa vielmehr die Herkunft - also geboren, gemästet, geschlachtet, verarbeitet und vermarktet in Deutschland. Tatsächlich sind extreme Billigangebote für Fleisch stark in die Kritik geraten, zumal es auch um Investitionen in den Umbau von Ställen für mehr Tierschutz geht.
Der
Bauernverband forderte vor der Gesprächsrunde, dass sich Handel, Verarbeiter und Großverbraucher auf eine Schweinefleisch-Vermarktung mit einer solchen Deutschland-Kennzeichnung einigen sollten. Der
Lebensmittelhandel signalisierte nach dem Treffen, man stehe «temporären Absatzförderungsmaßnahmen für Schweinefleisch» in den Supermärkten offen gegenüber, wie ein Verbandssprecher sagte. Der
Discounter Aldi kündigte an, in den nächsten Wochen «zusätzliche Aktionsartikel» zu günstigen Preisen anzubieten, um zur Entspannung beizutragen. Das könne aber nur eine kurzfristige Unterstützung sein.
Schwankungen auf Märkten und bei den Preisen sind für die noch gut 22.000 schweinehaltenden Betriebe nicht ungewöhnlich. Eine so ruinöse Entwicklung über eine so lange Zeit habe es aber selten gegeben, hieß es schon Mitte August vom Bauernverband. Da war der Preis gerade auf 1,30 Euro je Kilogramm Schweinefleisch gerutscht.
Nun verstärken sich gerade mehrere negative Effekte. Die Corona-Krise drückt weiter auf den Absatz bei Veranstaltungen und in der Gastronomie, wie Klöckner erläuterte. Die diesjährige Grillsaison sei wegen oft regnerischen Wetters relativ schwach ausgefallen. Hinzu kämen Mehrkosten für Futter angesichts schwacher Aussichten für die
Getreideernte 2021.
Anhaltende Folgen hat auch die vor rund einem Jahr in Brandenburg und Sachsen aufgetauchte Afrikanische Schweinepest. Dadurch brach der Export in wichtige Absatzmärkte in Asien abrupt zusammen - und zwar für Schweinefleisch aus ganz Deutschland. Zwar konnte mit einigen Staaten vereinbart werden, dass der Einfuhrbann nur Fleisch aus den betroffenen deutschen Regionen trifft. Mit dem einstigen Großabnehmer China laufen Verhandlungen der Bundesregierung aber schwierig.
Der Handel machte schon vor dem Branchengespräch deutlich, dass einem Engagement der Supermärkte Grenzen gesetzt seien - nicht nur wegen des Verbots von Preisabsprachen. Bei Schweinefleisch dominiere der
Weltmarkt die Preisfindung - und solche Effekte könne der hiesige Einzelhandel nicht ausgleichen. Zudem werde ein großer Anteil von 45 Prozent des Schweinefleisches exportiert, erklärte der Verband.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte, die Krise sei auch Ergebnis einer falschen Ausrichtung auf Exportmärkte. «Die Devise war immer mehr und intensiver.» Nötig sei, einen Umbau der Tierhaltung zu mehr Tierschutz zeitnah anzupacken. Dafür gibt es viel Unterstützung in der Politik, konkrete Schritte können aber erst nach der
Bundestagswahl folgen.
Die Umweltorganisation
Greenpeace forderte: «Die Tierzahlen müssen runter.» Nur so ließen sich Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht bringen und die Preise stabilisieren. Entscheidend sei aber eine langfristige Perspektive.
Zur akuten Unterstützung der
Schweinehalter soll die
Antragsfrist für Corona-Überbrückungshilfen bis Ende Dezember verlängert werden, wie Klöckner sagte. Außerdem habe sie die
EU-Kommission aufgefordert, Erleichterungen etwa bei Beihilfen zu prüfen. Landwirte könnten sich auch an die Finanzämter wenden, wenn es um Steuerstundungen gehe, sagte Niedersachsens
Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU), die wie die nordrhein-westfälische Ressortchefin Ursula Heinen-Esser (CDU) an dem Gespräch teilnahm. In beiden Bundesländern werden rund 60 Prozent der deutschen Schweine gehalten.
Die drei Ministerinnen hoben die Verantwortung aller in der Kette vom Stall bis in die Läden hervor, gemeinsame Lösungen zu finden. Daher sollte es wie schon bei Milch eine Branchenstrategie zu Schweinen mit allen Beteiligten geben, sagte Klöckner.