Beim Bayer-AgrarGespräch wies Ehlers am Mittwoch (1.12.) darauf hin, dass Deutschland ein Industriestaat mit hoher Besiedlungsdichte und vergleichsweise wenig Anbaufläche sei. Zudem stehe die hiesige Landwirtschaft in einem regen Wettbewerb mit der in anderen Ländern im europäischen Binnenmarkt.
Wenn die Koalition beispielsweise 30 %
Ökolandbau bis 2030 wolle, bedeute dies eine weitere Verknappung des Faktors Boden, gab der DRV-Hauptgeschäftsführer zu bedenken. Erfahrungsgemäß sei dann wegen der schwächeren Ertragsleistung der ökologischen Landwirtschaft mit einer sinkenden
Lebensmittelproduktion in Deutschland zu rechnen. Angesichts der absehbar weiter steigenden Kosten für Energie und Dünger befürchtet Ehlers auch eine fortgesetzte Steigerung der allgemeinen Produktionskosten.
Für ihn stellt sich daher die Frage, ob sich Landwirtschaft dann in Zukunft überhaupt noch rechnet. Eine Lösung für die deutsche Agrarbranche sieht die grüne Bundestagsabgeordnete Dr. Anne Monika Spallek in einer Stärkung der regionalen Wertschöpfung. Aus diesem Grund setze die neue Regierung auf eine Tierwohl- und
Herkunftskennzeichnung, da diese den Verbrauchern eine bewusste Wahl und den Landwirten zusätzliche Spielräume ermögliche, so die Grünen-Politikerin.
Der Göttinger Agrarökonom Prof. Matin Qaim erklärte allerdings, dass Regionalisierung keine Alleinlösung für die Probleme der heutigen Landwirtschaft darstelle. Einen besseren Weg erkennt er in der konsequenten Nutzung von Innovationen wie den neuen Züchtungstechnologien für eine nachhaltigere und zugleich effizientere Agrarproduktion.
Kleinstrukturierte Landwirtschaft gefährdet
Ehlers empfahl der künftigen Bundesregierung beim Thema Ökolandbau besser auf Nachfrageimpulse zu setzen, da nur so stabile bis höhere Erzeugerpreise zu erwarten seien. Erzwinge man hingegen eine Steigerung der Ökoproduktion, drohten in dieser Sparte Überangebote und
Preisverfall, warnte der DRV-Hauptgeschäftsführer. Dies würde aber gerade die von der Ampelkoalition und der Gesellschaft gewünschte kleinstrukturierte Landwirtschaft gefährden.
Spallek kritisierte auch mit Blick auf die kleineren Höfe die aktuelle Förderstruktur in der Gemeinsamen
Agrarpolitik (GAP), die nach ihrer Einschätzung zu Lasten der kleinen
Agrarbetriebe geht. Sie plädierte daher für einen Umbau des Fördersystems mit einem degressiven Faktor bei den Betriebsgrößen und bekräftigte die Forderung der Grünen nach einer Kappungsgrenze.
Regional kein großer Klimaschutzvorteil
Nach Einschätzung von Qaim kann regionale
Wertschöpfung durchaus ökonomische und soziale Vorteile in der lokalen Betrachtung bringen, jedoch bedeute eine Abkehr von internationalen Lieferketten keinen größeren Vorteil für den Klimaschutz. Der Großteil der landwirtschaftlichen
Treibhausgasemissionen entstehe nämlich bei der eigentlichen Agrarproduktion.
Der Göttinger Agrarökonom wies zusätzlich auf die möglichen indirekten Folgen einer konsequenten Umsetzung des Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie hin. Zwangsläufig würden die angestrebte Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um die Hälfte und die Senkung des Mineraldüngereinsatzes um 20 % zu einer kleineren
Agrarproduktion in der EU führen. Dies aber würde einen steigenden Importbedarf mit sich bringen und könnte in anderen Teilen der Welt Versorgungsknappheiten wie auch Landnutzungsänderungen befördern, gab Qaim zu bedenken.
Denkbar sei auch die kontraproduktive Verlagerung von CO2-Emissionen in Drittstaaten mit weniger effizienter Landwirtschaft. Die Politik sei daher gut beraten, bei ihren Entscheidungen immer auch den globalen Rahmen im Blick zu behalten.
Produktionssystem eng verzahnt
Diesen Standpunkt vertrat auch Dr. Martin Märkl von
Bayer Crop Science. Nach seiner Darstellung ist die europäische Agrarwirtschaft eng verzahnt mit dem globalen Produktions- und Liefersystem. Änderungen auf der einen Seite hätten daher immer auch Effekte auf der anderen. Eine Regionalisierung sei zudem längst nicht bei allen Agrarerzeugnissen machbar, betonte Märkl. So könne beispielsweise die europäische Teigwarenindustrie einfach nicht auf kanadischen Hartweizen verzichten, da etwa die Hälfte ihres Rohstoffbedarfs mit diesem gedeckt werde.
Märkl warnte daher vor deutschen oder europäischen Alleingängen und warb stattdessen für die Entwicklung internationaler Richtlinien für nachhaltig produzierte und gehandelte Agrarrohstoffe.