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19.11.2017 | 14:50 | Glyphosat-Debatte 

Entscheidung zu Glyphosat soll am 27. November fallen

Brüssel - Eine erneute Abstimmung über die Wiederzulassung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat ist für den 27. November angesetzt.

Glyphosat Entscheidung
(c) proplanta
Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte dazu am Montag (13.11.), dass die Mitgliedstaaten im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCo-PAFF) dann über den aktuellen Entwurf der Behörde entscheiden würden. Der Kommissionsvorschlag, der in der letzten Abstimmung am vorvergangenen Donnerstag (9.11.) keine Entscheidung hervorbrachte, sieht eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre vor.

Im Berufungsausschuss können die Mitgliedstaaten erneut darüber entscheiden oder aber den Vorschlag anpassen, zum Beispiel hinsichtlich der Zulassungsdauer. Sollte es wiederum zu keiner Entscheidung für oder gegen eine erneute Zulassung kommen, hätte die Kommission nach wie vor die Möglichkeit, die Zulassung allein vorzunehmen.

Eine Sprecherin der Behörde bekräftigte jedoch gegenüber AGRA-EUROPE, dass EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis in diesem Fall „nicht die Absicht“ dazu habe. Bei einer kürzeren Zulassungsfrist könnte möglicherweise eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten zustande kommen. So hatte etwa Frankreich für eine Dauer von drei Jahren seine Zustimmung signalisiert.

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hatte gegenüber Andriukaitis eine Zustimmung Deutschlands unter anderem von einer Verkürzung auf drei Jahre abhängig gemacht. Dieser Vorschlag war allerdings nicht mit dem Bundeskanzleramt oder dem Bundesumweltministerium abgestimmt. Deutschland hatte sich bei der jüngsten Abstimmung erneut enthalten.

Folgen für die Biodiversität beachten

Derweil sprach sich Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck , der für die Grünen die Sondierungsgespräche zur Landwirtschaft für die Jamaika-Koalition geführt hat, im Kieler Landtag für einen schnellen Glyphosat- Ausstieg aus. Als Gründe führte der Grünen-Politiker den „dramatischen“ Verlust an Arten seit den achtziger Jahren vor allem bei Insekten und in der Folge auch an Singvögeln an.

Inzwischen sei es selbst für die Landwirtschaft ein gravierendes Problem, dass es immer weniger Insekten zur Bestäubung gebe und damit wichtige Grundlagen für die Erträge zu schwinden drohten, erklärte Habeck. Deshalb müsse das „Glyphosat-Zeitalter“ nicht nur aus Gründen des vorsorglichen Anwender- und Verbraucherschutzes, also der Frage, ob Glyphosat krebserregend sei oder nicht und ab welcher Dosis, sondern auch aus Gründen für die Artenvielfalt und das Ökosystem gestoppt werden.

Klage in Vorbereitung

Unterdessen haben die Unternehmen innerhalb der Glyphosat Task Force (GTF) erste juristische Vorbereitungen getroffen, um die EU-Kommission auf Schadenersatz zu verklagen, sollte sie bis zum 15. Dezember keine Entscheidung über eine Wiederzulassung von Glyphosat treffen und eine entsprechende Verordnung erlassen.

Phase-out rechtlich nicht zulässig

„Wir können uns nicht vorstellen, dass die Kommission als Hüterin des Gesetzes geltendes Gesetz bricht, indem sie die Entscheidung verweigert“, führte Küchler aus. Im Fall, dass es bei der nächsten Abstimmung im Ausschuss wieder zu keinem Ergebnis komme, gingen alle Beteiligten davon aus, dass die Kommission den letzten Vorschlag über eine Wiederzulassung von fünf Jahren in die Verordnung gießen werde.

Auf die Frage, ob in diesem Fall angesichts der verkürzten Zulassung ebenfalls eine rechtliche Grundlage zur Klage bestünde und diese dann auch angestrengt werde, ließ der AGG-Sprecher die Antwort offen. Eine Wiederzulassung für fünf Jahre bedeutet laut Küchler jedoch keinesfalls, dass am Ende der Zulassungsperiode ein Verbot des Wirkstoffs steht. Ein Phase-out, wie von Frankreich vorgeschlagen, sei laut Pflanzenschutzmittelverordnung nicht zulässig. In der Konsequenz laufe die Zulassung also nicht aus. Im Verlauf des kommenden Jahres werde die GTF deshalb also gleich wieder einen Zulassungsantrag vorbereiten und zum 1. Januar 2019 bei der EFSA einreichen.

Keine krebserregende Wirkung von Glyphosat

Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat verwies außerdem auf eine kürzlich im Fachmagazin „Agricultural Health Study“ veröffentlichte Studie, im Rahmen derer keine krebserregende Wirkung durch Glyphosat beim Menschen entdeckt worden sei. Die AGG sieht damit die Ergebnisse des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), der Europäischen Chemikalienbehörde (ECHA) sowie die Aussagen von insgesamt 27 Agenturen weltweit bestätigt.

Der Arbeitsgemeinschaft zufolge handele es sich hierbei um die „größte und umfassendste“ Studie, die jemals zur Untersuchung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln durchgeführt wurde. Insgesamt seien fast 55.000 Landwirte und deren Mitarbeiter in den USA miteinbezogen worden. Vor diesem Hintergrund übte die AGG scharfe Kritik an dem Vorsitzenden der mit der Bewertung von Glyphosat befassten Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Prof. Aaron Blair. Unter seiner Leitung hatte die IARC Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.

Die AGG geht davon aus, dass Blair bereits bei der Einschätzung der IARC im Jahr 2016 Kenntnis von dieser Studie und deren Ergebnis gehabt hat: „Es ist daher anzunehmen, dass er sie wissentlich außer Acht ließ und sie daher keine Rolle im Bewertungsverfahren der IARC gespielt hat.“

Einfluss auf Botulismus wird untersucht

Laut AGG hat Blair kürzlich selbst eingeräumt, dass die Berücksichtigung der Studie im „Agricultural Health Study“ durch die IARC zu einer anderen Bewertung von Glyphosat geführt hätte. Bis heute sei die IARC die einzige Behörde weltweit, die Glyphosat als krebserregend eingestuft habe. „Mit der Finalisierung und Veröffentlichung der ‚Agricultural Health Study‘ wird die Vertrauenswürdigkeit der IARC, die nun auch vom US-Kongress unter die Lupe genommen wird, erneut in Frage gestellt“, stellte die Arbeitsgemeinschaft fest.

Indes warnte die Pflanzenschutzexpertin der Universität Kassel, Prof. Maria Finckh, vor möglichen anderen Risiken des Wirkstoffs. Finckh zufolge stellen einige von ihr untersuchte Studien Zusammenhänge zwischen dem chronischen Botulismus bei Tieren und Glyphosat im Futter her. Grund sei, dass bestimmte schädliche, pathogene Mikroorganismen deutlich resistenter gegen Glyphosat seien als viele für Tiere und Pflanzen nützliche Organismen. „Das ist in den Studien alles sehr plausibel dargelegt und muss dringend genauer untersucht werden“, forderte Finckh. Auch eine Vielzahl von Pflanzenkrankheiten werde mit Glyphosat und seinen Effekten auf die Zusammensetzung der mikrobiellen Umwelt in und um die Wurzeln in Zusammenhang gebracht.

Gesundheitlich unbedenklich

 Im Unterschied zur Bundesregierung nimmt die Schweizer Regierung eine klare Haltung zu Glyphosat ein. Sie sprach sich vergangene Woche klar gegen ein Verbot von Glyphosat aus. In einer Motion, die vom Parlament noch nicht behandelt wurde, fordern die Grünen, die Anwendung des Herbizidwirkstoffs spätestens ab 2022 zu untersagen.

Das Kabinett in Bern stützt sich Medienberichten zufolge in ihrer Antwort auf die Motion auf einen Bericht, der in Kürze veröffentlicht werden soll. Darin heißt es, dass die in Lebensmitteln gemessenen Rückstände an Glyphosat sehr gering und daher gesundheitlich unbedenklich seien. Nur bei einem unrealistischen Tageskonsum von 71 kg der am stärksten kontaminierten Probe - einer Teigware - müsste mit gesundheitsschädigenden Nebenwirkungen gerechnet werden.

Ein Verbot von Glyphosat wäre nach Einschätzung der Regierung aus mehreren Gründen problematisch. Für zahlreiche Anwendungsbereiche - auch außerhalb der Landwirtschaft - gebe es derzeit als einzige Alternative die mechanische oder thermische Vernichtung, die allerdings mehr Energie und Arbeitsaufwand erfordere.

In anderen Fällen würde die Unkrautvernichtung mit einer Mischung verschiedener Wirkstoffe erfolgen und so die gleiche Wirkung wie beim Einsatz von Glyphosat zu erzielen. Zu berücksichtigen sei auch, dass Glyphosat kaum toxisch für Gewässerorganismen sei und im Grundwasser, das zur Trinkwassergewinnung genutzt werde, bisher nicht nachgewiesen worden.

AgE
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