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18.07.2022 | 07:45 | Nachhaltigkeit 

Entwaldungsfreie Lieferketten auch für Schweine- und Geflügelfleisch gefordert

Brüssel - Der Umweltausschuss des Europaparlaments drängt bei der Schaffung entwaldungsfreier Lieferketten auf eine deutliche Ausweitung des Geltungsbereichs.

Lieferkette Schweinefleisch
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Geltungsbereich soll um Schaf- und Ziegenfleisch, Mais und Kautschuk sowie Holzkohle erweitert werden - Im Kommissionsentwurf sind Rindfleisch sowie Kakao und Kaffee einbezogen. (c) VRD - fotolia.com
Die Vorgaben müssten auch für Produkte aus Schweine-, Schaf- und Ziegenfleisch, Geflügel, Mais und Kautschuk sowie Holzkohle und Druckerzeugnisse aus Papier gelten, fordern die EU-Umweltpolitiker in ihrem am Dienstag (12.7.) beschlossenen Bericht zu dem von der EU-Kommission präsentierten Verordnungsvorschlag.

Laut diesem Vorschlag sollen zunächst lediglich Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz einbezogen werden, ebenso Produkte, die diese Rohstoffe enthalten oder aus ihnen hergestellt wurden, so etwa Leder, Schokolade und Möbel. Es wird erwartet, dass das Plenum den Standpunkt des Parlaments im September annehmen wird; dann könnten die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über das endgültige Gesetz beginnen.

Unterdessen haben sich die Mitgliedstaaten im Rahmen des federführenden EU-Umweltrates auf denselben Geltungsbereich geeinigt, der von der Kommission vorgeschlagen wurde. Die EU-Umweltpolitiker pochen außerdem darauf, dass die Kommission spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen prüfen soll, ob diese auch auf andere Waren wie Zuckerrohr, Ethanol und Bergbauerzeugnisse ausgedehnt werden sollten.

Außerdem fordern die Parlamentarier, dass die Vorgaben innerhalb eines Jahres nach ihrem Inkrafttreten auch für andere natürliche Ökosysteme wie Grasland, Torfland und Feuchtgebiete zu gelten haben. Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, dass die Aktivitäten von Finanzinstituten nicht zur Entwaldung beitragen.

Sorgfaltspflichten erfüllen

Zusätzlich wurde ein Nachweis darüber verlangt, dass die Unternehmen bei der Herstellung der Produkte die völkerrechtlich geschützten Menschenrechte respektieren. Dazu gehörten auch die Beachtung der Rechte indigener Völker sowie die einschlägigen Gesetze und Normen des Landes, in dem die Produkte hergestellt werden.

Im Einzelnen würde das neue Gesetz die Unternehmen dazu verpflichten, über sogenannte „Sorgfaltspflichten“ zu überprüfen, dass die in der EU verkauften Waren nicht auf abgeholzten oder degradierten Flächen hergestellt wurden. Nach Auffassung der Kommission würde dies den Verbrauchern die Gewissheit geben, dass die von ihnen gekauften Produkte nicht zur Zerstörung von Wäldern außerhalb der EU - einschließlich unersetzlicher Tropenwälder - beitragen. Dadurch soll auch der Kampf gegen den Klimawandel und gegen den Verlust der biologischen Vielfalt gestärkt werden.

Nur Produkte ohne Abholzung

Um den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt weltweit zu bekämpfen, fordern die Abgeordneten des Umweltausschusses außerdem, dass nur Produkte ohne Abholzung auf dem EU-Markt zugelassen werden dürfen. Im Hinblick auf die in der Verordnung enthaltenen Sorgfaltspflichten und deren Kontrolle sollen Unternehmen, die Produkte auf den EU-Markt bringen, verpflichtet werden, die Risiken in ihrer Lieferkette mit der gebotenen Sorgfalt zu bewerten.

Gemäß den EU-Umweltpolitikern könnten sie zum Beispiel Satellitenüberwachungsinstrumente, Vor-Ort-Audits, den Aufbau von Kapazitäten bei den Lieferanten oder Isotopentests einsetzen, um zu prüfen, woher die Produkte stammen. Die EU-Behörden hätten dann Zugang zu den relevanten Informationen, wie etwa den geografischen Koordinaten. Zugleich würden der Öffentlichkeit anonymisierte Daten zur Verfügung stehen.

Im Weiteren müsste die Kommission auf der Grundlage einer transparenten Bewertung Länder oder Teile davon innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung in die Kategorien geringes, normales oder hohes Risiko einteilen. Für Einfuhren aus Ländern mit geringem Risiko würden dann entsprechend die niedrigsten Verpflichtungen gelten.

„Weder Maß noch Mitte“

Der luxemburgische Berichterstatter Christophe Hansen unterstrich die Bedeutung der Verordnung im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt. Angesichts der Tatsache, dass die EU für etwa 10 % der weltweiten Entwaldung verantwortlich sei, habe man keine andere Wahl, als die eigenen Anstrengungen zu verstärken, um die weltweite Entwaldung zu stoppen.

Nach Auffassung des EVP-Politikers hat das neue Instrument, sofern das richtige Gleichgewicht zwischen Ehrgeiz, Anwendbarkeit und Kompatibilität mit den Regeln der Welthandelsorganisation gefunden wird, das Potential, den Weg hin zu entwaldungsfreien Lieferketten zu ebnen. Deutliche Kritik äußerte hingegen sein Fraktionskollege, der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber.

„Wir sollten uns als Europäer von der Hybris losmachen, dass wir mit europäischen Verordnungen jedes Problem in der Welt lösen können.“ Die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte habe „weder Maß noch Mitte“, kritisierte der CSU-Europaabgeordnete. „Eine Botschaft der Hoffnung“

Die handelspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament, Anna Cavazzini, wies unterdessen darauf hin, dass man in der ersten Hälfte des Jahres einen neuen traurigen Rekord der Entwaldung des Amazonas-Regenwalds gesehen habe.

„Um die grüne Lunge unseres Planeten und die Heimat für tausende Menschen und Spezies zu bewahren, ist der Gesetzesvorschlag für entwaldungsfreie Lieferketten wegweisend“, so die deutsche Grünen-Politikerin. Die Referentin für Forstpolitik im Europabüro des World Wide Fund for Nature (WWF), Anke Schulmeister-Oldenhove, sieht in dem Abstimmungsergebnis des Umweltausschusses „eine Botschaft der Hoffnung“.

So gebe es zumindest die Chance, dass echte Veränderungen auf den Weg gebracht werden könnten und die Möglichkeit auf weniger Konsum von Produkten, die den bitteren Nachgeschmack von Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen hinterließen. Nun schaue man auf die Abstimmung des Europäischen Parlaments im September, um zu sehen, ob diese Erwartungen gerechtfertigt gewesen seien. Alles andere wäre laut Schulmeister-Oldenhove „katastrophal“.
AgE
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