Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
21.05.2023 | 14:21 | Lieferkettengesetz 

Entwaldungsfreie Lieferketten: Rat erteilt abschließende Zustimmung

Brüssel - Die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten hat die letzte Hürde genommen. Von den Mitgliedstaaten wurde am Dienstag (16.5.) in Brüssel endgültig grünes Licht erteilt. Erfasst von den neuen Vorschriften werden Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz sowie Kautschuk.

Entwaldungsfreie Lieferkette
Unter anderem werden Rinder sowie Soja und Holz unter die erste derartige EU-Verordnung fallen - Auch Erzeugnisse der Weiterverarbeitung betroffen - Stichtag für Entwaldungsfreiheit der erfassten Produkte ist der 31. Dezember 2020. (c) guentermanaus2 - fotolia.com
Die Regeln gelten auch für eine Reihe von Folgeprodukten wie Schokolade, Möbel, bedrucktes Papier sowie ausgewählte Derivate auf Palmölbasis. Nun folgt in den kommenden Wochen die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Die Verordnung wird 20 Tage nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten; 18 Monate später, also gegen Ende des Jahres 2024, müssen die neuen Regelungen dann angewendet werden.

Die beschriebenen Erzeugnisse dürfen in der EU nur verkauft werden, wenn per Erklärung bestätigt wird, dass ihre Produktion nicht zur Entwaldung oder Schädigung von Wäldern beigetragen hat. Als maßgeblicher Stichtag wurde der 31. Dezember 2020 festgeschrieben. Darüber hinaus müssen die Anbieter nachweisen können, dass bei der Produktion nicht gegen einschlägige Gesetze im Herkunftsland verstoßen wurde. Die Vorgaben sollen durch risikobasierte Kontrollen durchgesetzt werden. Deren Intensität hängt von der Bewertung der Herkunftsländer durch die EU-Kommission ab. Die Einstufung soll innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten dargelegt werden.

Entscheidender Faktor gegen die Klimakrise

Bei Ländern mit einem niedrigen Risiko sollen 1 % der Markteilnehmer überprüft werden; hier sind zudem vereinfachte Sorgfaltsprüfungen vorgesehen. Bei normalem Risiko beträgt die Kontrollquote 3 %, bei hohem Risiko 9 %. Ferner heißt es im Verordnungstext, dass die potentiellen Strafen abschreckend, aber verhältnismäßig sein sollen. Möglich sind Strafzumessungen von bis zu 4 % des gesamten EU-Jahresumsatzes des betroffenen Wirtschaftsbeteiligten.

Zufrieden mit der Verabschiedung der ersten EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten zeigte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. „Die Verordnung ist ein wichtiger Baustein für nachhaltige Landwirtschaft weltweit, mit positiven ökologischen und sozialen Effekten in den Herkunftsländern der Rohstoffe und Produkte“, erklärte der Grünen-Politiker. Immerhin würden jährlich etwa 10 Mio. ha Wald zerstört.

Die Wälder sind nach den Worten des Ministers weltweit ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Klimakrise und den Verlust der Biodiversität. Aufgabe sei es, die Wälder für die Zukunft der kommenden Generationen zu schützen. „Mit der von der Bundesregierung maßgeblich geprägten Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten soll vermieden werden, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren Einkäufen die Entwaldung befördern“, so Özdemir

Drittländer nicht allein lassen

Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze begrüßte die Verabschiedung im Rat. Jetzt komme es darauf an, die neuen Regeln entwicklungspolitisch zu flankieren. Laut der SPD-Politikerin müssen gemeinsam mit den Partnern Lieferketten sichergestellt werden, die nicht auf Waldrodung beruhen. „Unser Ziel ist nicht weniger Handel, sondern fairerer Handel“, stellte Schulze klar.

Dies bedeute auch, dass man die Menschen in den Erzeugerländern mit der neuen Gesetzgebung nicht allein lassen dürfe. Darum unterstütze man gerade Kleinbäuerinnen und Kleinbauern dabei, ohne Entwaldung zu produzieren und das auch nachzuweisen. Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium erläutert, wurde die Arbeit am nationalen Umsetzungsgesetz der EU-Verordnung bereits aufgenommen. Als Kontrollbehörde soll die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Zusammenarbeit mit den Zollbehörden die Durchführung vorbereiten.

Hohe Hürden für Umsetzung

Vor „enormen Herausforderungen“ für die Lieferkette warnte indes der Grain Club. Konkret wird auf die Notwendigkeit für die Bereitstellung von Geolokalisationsdaten des Anbaus, den Ausbau der Lager- und Transportinfrastruktur und umfangreiche Sorgfaltspflichtenerklärungen für alle Einfuhren in die EU hingewiesen. Der Geschäftsführer des Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID), Dr. Momme Matthiesen, konstatierte, dass für eine effiziente Umsetzung aktuell noch zahlreiche rechtliche, technische, logistische und administrative Details geklärt werden müssten. „Andernfalls gefährdet die EU mit ihrer Verordnung das eigene Ziel - die Bekämpfung der Entwaldung.“ Die knappe Übergangsfrist von 18 Monaten reiche für eine Realisierung bei weitem nicht, gab Matthiesen zu bedenken.

Eine „neue Zeitrechnung“

Als „Beginn einer neuen Zeitrechnung“ bezeichnete derweil die Programmleiterin Wald beim World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland, Susanne Winter, die neue Verordnung. „Statt Versprechen von Unternehmen schützt jetzt endlich ein Gesetz die Wälder dieser Welt vor Abholzung für unseren EU-Konsum.“ Im Rahmen der geplanten Erweiterung der Verordnung, die von der EU bereits innerhalb der nächsten 24 Monate angesetzt sei, müssten aber dringend Schlupflöcher geschlossen werden. Winter stellte klar, dass aus der EU heraus Naturzerstörung nicht weiter finanziert werden dürfe. Deswegen gehörten auch die Aktivitäten des Finanzsektors unter das Gesetz. Zudem müssten wertvolle Ökosysteme wie Grasland und Feuchtgebiete vor dem EU-Konsum geschützt werden.
AgE
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Entwaldungsfreie Lieferketten: EU-Kommission zur Klärung aufgefordert

 Entwaldungsfreie Lieferketten - CDU will Kleinbauern schützen

 Auch ohne Deutschland - EU-Staaten stimmen für Lieferkettengesetz

 Keine Einigung bei EU-Lieferkettengesetz in Sicht

 EU-Lieferkettengesetz ohne Mehrheit - Streit in der Ampel

  Kommentierte Artikel

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken

 Entwaldungsfreie Lieferketten: EU-Kommission zur Klärung aufgefordert

 Bund Naturschutz: Kein kategorisches Nein mehr zum Wolfsabschuss

 Nach Atomausstieg boomen erneuerbare Energien in Niedersachsen

 Massive Flächenverluste in Bayern

 Umsatzsteuersätze: Union will Reform

 Union fordert Ergebnisse beim Bürokratieabbau

 Nachhaltiges Investieren lohnt sich