Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
03.04.2020 | 00:02 | Saisonarbeitskräfte 
Diskutiere mit... 
   4   2

Erntehelfer dürfen unter Corona-Auflagen eingeflogen werden

Berlin / Mainz / Saarbrücken - Angesichts drohender Engpässe in der Landwirtschaft sollen 80.000 ausländische Saisonkräfte unter strengen Auflagen nach Deutschland eingeflogen werden.

Erntehelfer 2020
Kurz vor der Spargelernte findet die Bundesregierung eine Lösung: Trotz genereller Einreisesperren dürfen begrenzte Kontingente von Saisonarbeitern kommen - in einer Großaktion mit vielen Bedingungen. (c) proplanta
Um beim Ernten und anderen dringenden Feldarbeiten zu helfen, können im April und Mai je 40.000 Menschen kommen. Ergänzend sollen aus dem Inland möglichst jeweils 10.000 Helfer gewonnen werden - etwa Arbeitslose, Studierende, Asylbewerber oder Kurzarbeiter wegen der Corona-Krise.

Auf entsprechende Pläne verständigten sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag. Darum war wegen kürzlich verhängter Einreiseverbote an den Grenzen gerungen worden.

Klöckner sprach von einer pragmatischen Lösung, die dem nötigen Infektionsschutz und der Erntesicherung Rechnung trage. Dies sei eine wichtige und gute Nachricht für die Bauern. «Denn die Ernte wartet nicht, auch Aussaaten kann man nicht verschieben.»

Seehofer sagte, die strengen Corona-Vorgaben träfen Bevölkerung und Wirtschaft hart, seien aber erforderlich, um die Infektionsketten zu unterbrechen. «Dabei ist es wichtig, Voraussetzungen zu schaffen, damit wir auch während der Pandemie Staat und Wirtschaft am Laufen halten.» Der Bauernverband (DBV), der für rasche Einreise-Erleichterungen geworben hatte, begrüßte die Einigung der Bundesregierung.

Um eine rasche Virus-Ausbreitung in Deutschland zu verhindern, hatte das Innenministerium weitgehende Einreisebeschränkungen für Saisonarbeiter verhängt. Davon waren vor allem Helfer aus Rumänien betroffen.

Bis zum Einreisestopp am 25. März waren schon rund 20.000 Saisonarbeiter im Land - sie können nach bereits beschlossenen Änderungen im Arbeitsrecht auch länger hier bleiben. Doch der Bedarf ist höher. Daher wurden nun Ausnahmen von den Einreisebeschränkungen vereinbart und zahlreiche begleitende Bedingungen festgelegt.

Konkret sollen die Arbeiter in den beiden Kontingenten für April und Mai nur in Gruppen und per Flugzeug einreisen - das soll stundenlange Busfahrten quer durch Europa vermeiden. Die Erntehelfer sollen nach Rückmeldungen der Landwirte ausgewählt werden.

Die Bundespolizei legt in Abstimmung mit den Bauernverbänden fest, an welchen deutschen Flughäfen sie landen. Dort sollen sie nicht einzeln weiterfahren, sondern werden durch den Betrieb abgeholt. Bei der Einreise folgt ein Gesundheitscheck, die Ergebnisse bekommt das örtliche Gesundheitsamt.

Menschen, die neu anreisen, müssen dann in den ersten 14 Tagen strikt getrennt von sonstigen Beschäftigten leben und arbeiten. Sie dürfen das Betriebsgelände nicht verlassen - die Regierung nennt dies eine «faktische Quarantäne bei gleichzeitiger Arbeitsmöglichkeit».

Es gilt eine zwingende Einteilung in Unterkunfts- und Arbeitsteams, so dass die Saisonkräfte in gleichen, möglichst kleinen Gruppen von fünf bis zehn, maximal 20 Personen arbeiten. Dabei sind auch Mindestabstände einzuhalten. Mit Ausnahme von Familien sollen Zimmer in Unterkünften nur mit halber Kapazität belegt werden können.

Besucher sind auf den Betriebsgeländen verboten. Wäsche und Geschirr müssen bei mindestens 60 Grad gereinigt werden. Gemeinschaftsräume wie Küchen dürfen von einzelnen Arbeitergruppen nie gleichzeitig genutzt werden. Die Einhaltung der Regeln soll von den zuständigen Arbeitsschutzbehörden und vom Zoll kontrolliert werden.

Die Regeln gehen auf Leitlinien des Robert-Koch-Instituts zurück. Gibt es einen begründeten Verdacht auf Infizierung, ist der Arbeitnehmer umgehend zu isolieren, ein Arzt muss ihn und auch das ganze Team testen.

Der innenpolitische Sprecher der Union, Mathias Middelberg (CDU), begrüßte den Kompromiss. «Die strengen Vorgaben zu Hygiene und Unterbringung sorgen für bestmöglichen Infektionsschutz.» Aus Sicht von FDP-Fraktionsvize Frank Sitta bringt die Regelung «eine erste Erleichterung».

Es stelle sich aber die Frage, warum trotzdem eine starre Obergrenze vorgegeben werde. Laut Branchenschätzungen sei der Bedarf an erfahrenen Saisonarbeitern aus dem Ausland weit höher - sonst kommen knapp 300.000 Saisonarbeiter im Jahr nach Deutschland.

Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied erklärte, nach der Einigung gehe es jetzt an die Umsetzung. «Unsere Betriebe werden die Leitlinien und Vorgaben des RKI strikt einhalten, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Diese Regelung hilft uns arbeitsfähig zu bleiben.»

Aktuell laufen Pflanzarbeiten unter anderem für Salate, Kohl und viele andere Gemüsearten. Daneben steht die Ernte bei Spargel, Rhabarber, Salaten, Erdbeeren und Salatgurken an.
dpa
zurück
Seite:123
weiter
Kommentieren Kommentare lesen ( 4 )
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
Ulikum schrieb am 03.04.2020 21:35 Uhrzustimmen(11) widersprechen(10)
die falsche politische Entscheidung.

Da laut Bauernverband die Grundversorgung gesichert ist besteht kein Grund zu solch einer Regelung. Hier wird einzig und allein der Profitgier wegen die Gesundheit und das Leben von Menschen aufs Spiel gesetzt.
markus bamberger schrieb am 03.04.2020 11:46 Uhrzustimmen(9) widersprechen(5)
es geht nicht um die bauern sondern um biliges essen.
EU-Bauer Klaus1618 schrieb am 03.04.2020 08:36 Uhrzustimmen(23) widersprechen(5)
Es gibt bereits jetzt schon Gesundheitsämter, die personell an ihre absoluten Grenzen gestoßen sind u. die, wie vorstehend angedacht, den in sie gesetzten Ansprüchen nur schwerlich überhaupt noch gerecht werden können (übernimmt dann der Bauer mit Kurzeinweisung auch noch die Rolle des hofeigenen Hygienefachmanns?). Der dortige Behördenleiter ist daher unlängst vor laufenden Kameras förmlichst zusammengebrochen. Auch die Bürger-Bild berichtete darüber.

Und dieselben Behörden meistern jetzt, wie oben aufgelistet in der richtigen zeitlichen Abfolge die heraufbeschworene Situation nach dem "BMEL-Einmaleins" im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Behelfsweise können ja vielleicht die äußerst hilfsbereiten Herren Rukwied und Prof. Lutz bzw. sogar die Administration des BMEL im Notfall unterstützend zur Seite stehen, damit da nichts schief läuft.

Gott schütze dieses Vorhaben und all jene, die hierfür verantwortlich zeichnen. - Das ist nun wirklich nicht sarkastisch, sondern bitterernst gemeint!

Im Übrigen, die Spargelsaison in unseren Gourmet-Restaurants und in der Hotellerie muss gegenwärtig doch allenfalls vor Geisterkulisse stattfinden, wer kauft also die geernteten Mengen ab? Kleben diese dann wie Blei auf den Höfen?

Viele Verbraucher setzen aktuell etwas andere Prioritäten beim Einkauf und mit Verlaub, bei Kurzarbeitergeld oder gar Arbeitslosigkeit, wo die Kleinfamilie bei Mietzahlungen erst einmal generell über die Runden kommen muss, ist Luxuskonsum für nicht wenige zunächst absolut zweitrangig.

Wie bei der jüngst verabschiedeten DüV-Novelle auch, wird unter erheblichem Zeitdruck von außen bestenfalls an- aber nicht fertig gedacht.

Wie viele Quadratmeter stehen eigentlich in den Unterkunftscontainern für die ursprünglich geplanten 4-6 zeitlich befristeten Bewohner zur Verfügung? Kann man dort die Hygienevorschriften auch wirklich, insbesondere zu deren persönlichem Schutze erfüllen...?

Wie will man ggf. mögliche COVID-19-patienten direkt auf den Höfen unter Quarantäne stellen und entsprechend vom übrigen Personal isolieren, geschweige denn, dass sodann kontinuierlich zuverlässig getestet werden könnte; und zwar das gesamte Umfeld!? Ermöglichen es die Hightechgiganten bei der Beerntung z.B. von Gurken, Abstände unter den Erntehelfern zwingend einhalten zu können oder liegen diese nicht dicht an dicht, um keine Ernteverluste zu produzieren?

Es ist vielleicht tatsächlich ratsam, dass man sich schnellstens das Denken abgewöhnt, andere sehen sehr vieles schließlich überhaupt nicht so eng...!
Dr. Gero Beckmann, Fachtierarzt für Mikrobiologie schrieb am 03.04.2020 05:12 Uhrzustimmen(15) widersprechen(5)
Bei allem Verständnis für die existentiellen Sorgen der Landwirte, aber wer hat sich denn diesen unrealistischen und infektiologisch wenig fundierten Quatsch ausgedacht: unsere politischen sog. Krisenmanager mit dem ach so großen Weitblick, die jetzt mal live verspüren, was Verantwortung heißt. Deutschland hat in arroganter Manier mind. 6 Wochen verschlafen. Es hätte spätestens bei dem Aufflammen in Italien reagieren müssen!

JEDER in der Praxis weiß, dass diese Hygienevorgaben NICHT nicht vermittelbar und umsetzbar sind (Sprachbarrieren, keine Schulung, prekäre Wohnsituation hier vor Ort, abendliches Gemeinschaftsleben, null Feldhygiene etc.). Ich empfehle jedem Politiker und Kathedervirologen, sich mal die gelebte Realität außerhalb der Hauptstadtblase und abseits von Fernsehstudios anzuschauen. - Da die Entdeckungswahrscheinlichkeit für Verstöße gegen null geht, öffnet sich das nächste Tor für unerkannte Infektionsketten. Am Besten per Flugzeug und ohne virologisches Monitoring, wie die epidemiologisch verantwortungslose Massen-Rückholaktion für diejenigen, die...auch nicht auf unseren Feldern arbeiten wollen.
  Weitere Artikel zum Thema

 Spargelsaison offiziell in Thüringen begonnen

 Spargelverkauf in Niedersachsen ist gut angelaufen

 Spargel aus Schleswig-Holstein kann aufgetischt werden

 Spargel-Bauern ernten früh und hoffen auf große Menge

 Spargelsaison in Hessen eröffnet

  Kommentierte Artikel

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken

 Entwaldungsfreie Lieferketten: EU-Kommission zur Klärung aufgefordert

 Bund Naturschutz: Kein kategorisches Nein mehr zum Wolfsabschuss

 Nach Atomausstieg boomen erneuerbare Energien in Niedersachsen

 Massive Flächenverluste in Bayern

 Umsatzsteuersätze: Union will Reform

 Union fordert Ergebnisse beim Bürokratieabbau