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01.12.2010 | 16:28 | Kritische Punkte in Optionenpapier, aber gute Grundlage 

EU-Agrarminister nehmen Ciolos' GAP-Reformplan überraschend positiv auf

Wien - Am EU-Agrarministerrat in Brüssel stellte heute Agrarkommissar Dacian Ciolos die kürzlich veröffentlichte Kommissionsmitteilung zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP nach 2013 vor und die Minister konnten erste, allgemein gehaltene kurze Statements dazu abgeben.

EU
(c) proplanta
Wie eine Mehrheit der Minister fand auch Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich mehr Lob als Tadel für das sogenannte Optionenpapier.Berlakovich betonte, er unterstütze zwar nicht alle Inhalte im Optionenpapier und sehe "einige Punkte kritisch", dennoch sei die Mitteilung "eine gute Grundlage" für die weiteren Debatten und Verhandlungen. Überhaupt kommentierten die meisten Agrarminister das Reformkonzept Ciolos' überraschend positiv. Das Konzept der  Reform fand weitgehend Anklang und eine Mehrheit sprach sich auch für eine entsprechende Dotierung zur Erreichung dieser Ziele aus. Ciolos begründete die Agrarreform damit, das Wohlwollen in der Öffentlichkeit gegenüber der GAP zu verbessern. Nur dann könnten erfolgreich EU-Haushaltsgelder für die Landwirtschaft eingefordert werden, meinte der Kommissar.
 
Laut Berlakovich sei das Konzept geeignet, die GAP in die Strategie der EU "Europa 2020" zu integrieren und enthalte "gute Argumente, warum die GAP auch in Zukunft ein Schlüsselelement der EU-Politiken sein muss". Österreich unterstützt ganz konkret die von der Kommission formulierten Ziele der kommenden GAP-Reform wie rentable Lebensmittelerzeugung, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, Maßnahmen zum Klimawandel und die ausgewogene räumliche Entwicklung sowie die Beibehaltung der Zwei-Säulen-Architektur der GAP. Bereits am kommenden Rat im Dezember will der belgische Vorsitz unter Ministerin Sabine Laruelle die "GAP bis 2020" neuerlich auf die Tagesordnung setzen und die Diskussion dann schon mit einem gezielten Fragenkatalog steuern.

 
Offene Punkte: Finanzierung der künftigen GAP und Definition von "aktiver Landwirt"
 
Gleichzeitig relativierte der Minister, dass der entscheidende noch offene Punkt die künftige finanzielle Ausstattung der GAP sei. Dazu seien nämlich weder im Optionenpapier noch in der Mitteilung der Kommission zur finanziellen Vorschau 2014 bis 2020 konkrete Zahlen enthalten. Vorschläge der Kommission für die Budgetierung der EU von 2014 bis 2020 werden Mitte 2011 erwartet. Wichtig sei aber laut Berlakovich die Aussage im Optionenpapier, dass die finanzielle Unterstützung der Landwirtschaft für die Bereitstellung von öffentlichen Gütern notwendig sei. Die Forderung nach einer ausreichenden finanziellen Ausstattung der GAP, um damit die Ziele Ciolos' erreichen zu können, fand eine breite Mehrheit bei den Mitgliedstaaten.
 
Vor allem Großbritannien forderte dagegen eine deutliche Senkung des EU-Agrarhaushalts. Ein Block von Staaten rund um das Vereinigte Königreich, unter anderem mit Schweden, Dänemark und den Niederlanden, will nämlich eine stärkere Orientierung der Landwirtschaft in der Union auf Wettbewerbsfähigkeit, sodass die EU-Landwirte à la longue ohne Direktzahlungen am Markt bestehen könnten.
 
Der EU-Landwirteverband COPA forderte in einer Aussprache mit der belgischen Ratspräsidentschaft eine Erhöhung des EU-Agrarhaushalts, da das geplante Greening der GAP die Produktionskosten für die europäischen Landwirte erhöhe.
 
Etliche Mitgliedstaaten vermissen im Optionenpapier Definitionen der Begriffe "aktiver Landwirt" als Kriterium für den Bezug von Direktzahlungen oder von "Kleinstlandwirt". 


Greening von Direktzahlungen ja, wenn einfach und praxistauglich
 
Schon vor der Ratstagung begrüßte Berlakovich laut APA vor Journalisten, "wenn die Agrarpolitik insgesamt grüner und ökologischer wird". Dabei befand er sich ebenfalls auf Linie mit den meisten anderen Ministern. Das gebe es aber nicht zum Diskonttarif. Das Agrarbudget brauche dazu die nötigen Finanzmittel, um Ökoleistungen für die Landwirtschaft abzugelten. Auch dürfe keine zusätzliche Bürokratie aufgebaut werden, hier seien noch viele Detailfragen ungeklärt. "Es soll nicht so sein, dass nicht nur die Umwelt, sondern vor allem die Verwaltung blüht", so Berlakovich. Konkret bezeichnete er im Kreis der Minister die vorgeschlagenen Umweltzahlungen in der ersten Säule als "problematisch", weil dies zu stark in die bewährten Programme der zweiten Säule wie das Umweltprogramm ÖPUL eingreife. 75% der österreichischen Landwirte nehmen auf knapp 90% der landwirtschaftlichen Flächen schon daran teil. Daher müsse das grundsätzlich mit guten Argumenten begründbare "Greening" der Direktzahlungen "in einer anderen Form durchgeführt werden". Berlakovich nannte dabei etwa den Ausbau der Guten Landwirtschaftlichen Praxis und des Guten Ökologischen Zustandes - vorausgesetzt, die Umsetzung sei praxistauglich und einfach.
 
Zahlreiche Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich, Italien oder Irland lagen auf der Linie, "Greening ja, aber nein zu zusätzlicher Bürokratie". Ciolos will dazu eine Arbeitsgruppe aus nationalen Experten einsetzen.
 

Mit Anpassung der Direktzahlungen einverstanden - aber gegen Flatrate
 
Auch sei Österreich wie viele der "alten" Mitgliedstaaten grundsätzlich mit der Anpassung der Direktzahlungen mit "einer begrenzten Mittelumschichtung zugunsten von Mitgliedstaaten mit besonders niedrigen Direktzahlungen einverstanden, jedoch nicht mit einer Verteilung nach dem Gießkannenprinzip". Dabei gestand der Minister laut APA vor Journalisten zu, "es kann durchaus sein, dass es hier zu Verlusten kommt", sprich zu weniger Geld für Bauern in "einzelnen Regionen oder insgesamt für die alten Mitgliedsländer. Das muss auch offen diskutiert werden". Auch sei etwa Frankreich zum Verzicht bereit, betonte der dortige Landwirtschaftsminister Bruno le Maire und deutet die Bereitschaft zur Abkehr von der historischen Referenz bei der Verteilung von Direktzahlungen an.
 
Positiv sei laut Berlakovich dabei, dass die EU-Kommission keine europaweit einheitlichen Prämien in Form einer "Flatrate" vorgeschlagen habe. Dies würde den unterschiedlichen Wirtschaftssituationen in den Staaten nicht gerecht werden.
 
Offensichtlich scheint auch schon von den meisten neuen Mitgliedstaaten, die bisher "gleiche Direktzahlungen" forderten, die neue Formel Ciolos' von "gleicheren Direktzahlungen" gegessen zu sein.
 
Ausdrücklich begrüßte Berlakovich auch die Möglichkeit, weiterhin in einem begrenzten Umfang gekoppelte Zahlungen gewähren zu können.
 
Wie erwartet sprach sich der deutsche Staatssekretär im Agrarressort Rober Kloos sowie die Vertreter anderer Länder wie der Tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarns gegen Obergrenzen bei den Direktzahlungen aus. Zumindest, so einige Ländervertreter, müsse die Definition von Großbetrieben noch festgelegt werden und dürften Zahlungsplafonds nicht für alle in gleicher Weise eingezogen werden.

 
Kofinanzierter Bergbauernzuschuss in zweiter Säule für Österreich wichtig
 
Wichtig sei für Österreich auch, dass die Unterstützung für Bergbauern und benachteiligte Gebiete in der zweiten Säule und damit von den EU-Staaten kofinanziert bleibe, sagte Berlakovich. Er sei deshalb "eindeutig gegen die vorgeschlagene Vermischung der beiden Säulen. Dezidiert meine ich damit die nun auch für die erste Säule vorgeschlagene Abgeltung von natürlichen Einschränkungen im Rahmen der Direktzahlungen".

 
Funktionierende Umweltprogramme als objektives Kriterium für künftige Mittelverteilung
 
Generell beurteilte Berlakovich die Beibehaltung der grundsätzlichen Zielorientierung der Ländlichen Entwicklung und die Kontinuität des Maßnahmenspektrums positiv. Bei der ebenfalls begrüßten Vorgabe einer Richtung für die Mittelaufteilung in der zweiten Säule forderte Berlakovich die Anerkennung bisheriger Leistungen sowie der erfolgreichen Umsetzung von Umweltmaßnahmen als objektive Verteilungskriterien.

 
Erhalt von Marktmaßnahmen als Sicherheitsnetz positiv
 
Die von der Kommission favorisierte Option bei den Marktmaßnahmen begrüßte der Minister ebenfalls, die "bewährten Instrumente" würden als "Sicherheitsnetz" weiterhin benötigt, "ohne dabei die Marktorientierung aufzugeben". "Sehr zufrieden" zeigt er sich über "neue Elemente zum besseren Funktionieren der Lebensmittelkette sowie ein geplantes Risikomanagement, damit effizienter auf Einkommensunsicherheiten und Marktschwankungen eingegangen werden kann".

 
Internationale Rahmenbedingungen essenziell - Kommission soll auf EU-Agrarsektor achten
 
Allerdings hänge das Funktionieren der Märkte auch stark von den internationalen Rahmenbedingungen ab, sodass Berlakovich ausdrücklich darauf hinwies, dass die internationalen Handelsgespräche - multilateral in der Welthandelsorganisation WTO oder bilateral zwischen EU und dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur - "für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft ebenfalls von essenzieller Bedeutung sein werden". Besonders denke er dabei an die Mercosur-Verhandlungen und forderte von der Kommission, "auch sehr genau auf die Sensibilitäten des europäischen Agrarsektors zu achten, als auch volle Transparenz gegenüber den Mitgliedstaaten walten zu lassen".
 
Die Forderung nach einem Außenschutz, insbesondere dass aber auch bilaterale Handelsabkommen der EU die GAP nicht aushöhlen dürften, vertraten neben Österreich unter anderem auch Deutschland, Frankreich, Irland und Italien.

 
Frankreich will Derivatehandel an die Leine nehmen - Dichlorpropen verfehlt Mehrheit
 
In den sonstigen agrarischen Tagesordnungspunkten berichtete Frankreich über sein Programm für den bevorstehenden Vorsitz in der G-20-Gruppe. Schwerpunktmäßig will man dabei vorankommen, den Handel mit Derivaten auf Agrarrohstoffe multinational an die Leine zu nehmen, um die Spekulation mit diesen Rohstoffen und deren Preisvolatilität einzubremsen.
 
Weiters wurden den Ministern die Überlegungen der Kommission vorgestellt, für die Tätigkeit der Europäischen Lebensmittel-Sicherheitsbehörde (EFSA) Gebühren einzuheben. Man kam überein, diese Idee noch eingehend zu prüfen.
 
Schließlich wird das Pflanzenschutzmittel Dichlorpropen voraussichtlich von der Liste der zugelassenen Wirkstoffe gestrichen. Im Agrarrat kam weder qualifizierte Mehrheit für oder gegen die weitere Genehmigung zustande. Die meisten südlichen EU-Mitgliedstaaten setzten sich zwar für den Erhalt von Dichlorpropen ein, das vor allem gegen Nematoden verwendet wird. Deutschland, die Niederlande, Österreich und weitere Mitgliedstaaten stimmten dagegen für das Verbot. In Österreich ist das Mittel schon seit 1992 verboten.
 
Nachdem sich nun weder im Regelungsausschuss noch im Agrarministerrat ein eindeutiges Votum ergab, muss die EU-Kommission allein entscheiden. Sie zweifelt an der Umweltverträglichkeit von Dichlorpropen und wird deshalb nach ihrem Vorschlag den Wirkstoff von der Liste nehmen. (BMLFUW/AIZ)
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