Dennoch steht die Branche vor einem tiefgreifenden Problem. Zahlreiche Betriebe haben in den vergangenen Monaten und Jahren bereits den Betrieb eingestellt, weil sie nicht mehr kostendeckend produzieren konnten.
Die
EU-Kommission sammelt nun Ideen, wie die EU-Agrarpolitik und damit letztlich die Lebensmittelversorgung in Europa künftig gestaltet werden könnten. Doch wie wirkt sich das derzeitige Modell eigentlich auf einzelne Betriebe aus? Und wo sehen die Bauern selbst Verbesserungsbedarf? Ein Ortsbesuch in Niedersachsen: Rund 300 Hektar bewirtschaftet Landwirt Henning Warnecke bei Fuhrberg nördlich von Hannover, davon 250 Hektar
Ackerland mit Getreide, Mais und Zuckerrüben. Dazu 50 Hektar Grünland, auf denen er Heu für seine Schottischen Hochlandrinder gewinnt. Außerdem hat er eine Schweinemast und eine Biogasanlage. Pro Hektar bekommt Warnecke rund 280 Euro Direktzuschuss von der EU, wie im Schnitt jeder landwirtschaftliche Betrieb hierzulande.
Das Wort Subvention ist für Warnecke allerdings ein Schimpfwort. «Die Leute denken, der Landwirt kriegt Geld, ohne etwas zu tun. Aber das stimmt nicht.» Er müsse dafür Umweltauflagen erfüllen und habe Einschränkungen in der Nutzung, zum Beispiel darf er Dünger nur in einer bestimmten Zeit ausbringen. Ein Teil der Zahlungen ist etwa an das sogenannte Greening geknüpft. Fünf Prozent der jeweiligen Anbaufläche müssen dabei der Natur überlassen werden - zum Beispiel als Randstreifen an Flüssen und Bächen.
Jörg Heuer, der Spargel, Erdbeeren und Heidelbeeren in der Nähe anbaut, hält die Fördergelder ebenfalls für kaum ausreichend: «Von den Milliarden kommt bei den Landwirten wenig an. Sie decken ihre Kosten damit.» Die 58 Milliarden Euro verteilen sich auf etwa elf Millionen Landwirtschaftsbetriebe in der EU. Heuer wäre es lieber, wenn es statt Subventionen bessere Preise gäbe und Angebot und Nachfrage richtig funktionierten.
In den vergangenen Monaten waren etwa bei Milch- und Schweinefleischprodukten die Preise teils im Keller. Seit Russland wegen der EU-Wirtschaftssanktionen im Zuge der Ukraine-Krise 2014 ein Einfuhrverbot für europäische Landwirtschaftsprodukte verhängte, fehlt ein wichtiger Absatzmarkt. Die EU-Kommission versucht daher, etwa über Marketingkampagnen den Zugang zu Märkten in Lateinamerika und Südostasien zu verbessern.
Da die EU-Exportsubventionen, die teils zu Wettbewerbsverzerrung und der Überschwemmung von Märkten in Schwellen- und Entwicklungsländern mit europäischen Produkten geführt hatten, vor einigen Jahren abgeschafft wurden, müssen sich Europas Landwirte nun an den Weltmarktpreisen orientieren. «Wir müssen zum Weltmarktpreis produzieren, aber bei den hohen Umwelt- und Sozialstandards, die wir hier haben, ist das nicht möglich, darum ist der Ausgleich notwendig», sagt Landwirt Heuer.
Doch mit dem derzeitigen System ist kaum jemand wirklich glücklich. Der Deutsche
Bauernverband rief Landwirte bereits dazu auf, sich rege an der bis Anfang Mai laufenden Konsultation der EU-Kommission zu beteiligen. Der Verband selbst hält unter anderem anderem eine Vereinfachung der bestehenden Förderregeln für notwendig. Der Naturschutzbund Deutschland (
NABU) fordert, dass Gelder künftig viel stärker an die Erfüllung von Naturschutz- oder Tierwohlvorgaben geknüpft werden.
Der 44-Hektar-Betrieb von Andreas Stahlmann ist für deutsche Verhältnisse recht überschaubar. 60 Pferde stehen in seiner Pferdepension im Dorf Wettmar, das zwischen Hannover und Celle liegt. In der Woche fährt er außerdem auf Märkte und verkauft dort Obst und Gemüse. Die EU-Zuschüsse beantragt er bei der Landwirtschaftskammer. «Früher habe ich das selbst gemacht, aber dann habe ich den Antrag vor ein paar Jahren einmal falsch ausgefüllt und hatte dann ein Drittel weniger», erzählt Stahlmann.
Er wünscht sich, dass kleine Betriebe mehr gefördert werden. «Sonst gibt es bald keine mehr.» Seiner Meinung nach ist es für die Großen einfacher, auf ein paar Tausend Euro zu verzichten. Bei kleinen Unternehmen mache das jedoch extrem viel aus. Die ersten Hektar eines Betriebs werden zusätzlich gefördert, danach bleibt der Flächenzuschuss pro Hektar unabhängig von der Größe gleich.
Unterstützung kommt da von Bundeslandwirtschaftminister Christian Schmidt (CSU). Familienbetriebe, Nachwuchsbauern und Betriebe mit Tierhaltung sollten künftig mehr unterstützt werden, forderte er am Rande des EU-Agrarministertreffens am Montag in Brüssel. Bei den Ministern stand eine erste offene Aussprache auf dem Programm.
«Wir müssen den in der Region verwurzelten, aktiven Landwirt wieder stärker in den Fokus der Förderung nehmen», meinte Schmidt weiter. Die Zahlung von EU-Geldern müsse stärker differenziert werden. Und wie könnte es nun weitergehen? «Alle, die sich für die Zukunft des Nahrungsmittelsektors und der Landwirtschaft in Europa interessieren, sollten daran mitwirken, eine Politik für alle Menschen in Europa zu gestalten», meinte EU-Agrarkommissar Phil Hogan bei der Vorstellung des Ideenwettbewerbs Anfang Februar. Ende 2017 will Brüssel dann Optionen für die künftige Form der Gemeinsamen Agrarpolitik vorstellen. Die Diskussion beginnt.