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13.02.2023 | 02:06 | Herbizidtolerante Nutzpflanzensorten 

EU-Gentechnikrecht: In-vitro-Zufallsmutagenese fällt unter Ausnahmeregelung

Luxemburg - Durch die In-vitro-Zufallsmutagenese erzeugte Organismen müssen nicht nach den Vorgaben des EU-Gentechnikrechts reguliert werden.

Gentechnik
EuGH urteilt in Vorabentscheidungsersuchen - Ausnahmeregelung für herkömmliche und seit langem als sicher geltende Methoden greift bei In-vitro-Zufallsmutagenese - COPA/COGECA begrüßen Entscheidung - ECVC erwartet „Flut“ von unregulierter Gentechnik - Konrad: EU-Gentechnikrecht veraltet. (c) Remar - fotolia.com
Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag vergangener Woche (7.2.) entschieden. Demnach greift bei der In-vitro-Zufallsmutagenese eine in der Richtlinie vorgesehene Ausnahmeregelung, die herkömmliche und seit langem als sicher geltende Verfahren vom Anwendungsbereich ausschließt.

Die Luxemburger Richter führen unter anderem an, dass die Ausnahmeregelung ihre praktische Wirksamkeit verlieren würde, wenn sie nicht mehr greifen würde, sobald eine lange etablierte Methode in irgendeiner Weise angepasst wurde. Der Ausschluss von der Ausnahme sei nur dann zu rechtfertigen, wenn die Anpassung dazu geeignet sei, zu genetischen Veränderungen zu führen, die sich von herkömmlichen und als sicher geltenden Verfahren unterscheiden würden.

Das Urteil fiel im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens, das vom obersten französischen Verwaltungsgericht, dem Staatsrat, vorgelegt wurde. Ausgangspunkt war ein Verfahren um die Anwendung des nationalen Gentechnikrechts auf herbizidtolerante Nutzpflanzensorten. Nachdem sich die französische Regierung 2015 geweigert hatte, ein Moratorium für den Anbau zu erlassen, hatte eine Gruppe von Verbänden den Staatsrat angerufen.

Zunächst hatten die Pariser Richter 2020 eine striktere Auslegung des Gentechnikrechts und die Umsetzung der maßgeblichen Rechtsprechung EuGH zu den neuen Züchtungstechniken angemahnt, 2021 das Urteil aber ausgesetzt und den EuGH angerufen.

Innovationen für die Landwirtschaft



Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) begrüßten die Entscheidung des EuGH. Die Landwirtschaft in Europa müsse von Innovationen profitieren können, um nachhaltiger zu werden und die Ziele des Green Deal erreichen zu können.

Angesichts der derzeitigen Herausforderungen sei es von essentieller Bedeutung, verbesserte Kulturpflanzensorten zu erhalten. Laut COPA und COGECA können Pflanzenzüchter die Zeit bis zur Marktreife durch den Einsatz von Mutageneseverfahren um etwa zehn Jahre verkürzen.

Missbrauch des Patenrechts



Scharfe Kritik übte die Europäische Koordination Via Campesina (ECVC). Nach Einschätzung des kleinbäuerlichen Verbandes wird es das Urteil wenigen internationalen Konzernen erlauben, „die Felder der Landwirte und die Teller der Bürger mit nicht gekennzeichneter und ungeprüfter Gentechnik zu überschwemmen“.

Die ECVC geht davon aus, dass mit anderen gentechnischen Methoden erzeugte Pflanzen der In-vitro-Zufallsmutagenese zugeschrieben werden, um auf diese Weise der Regulation durch das Gentechnikrecht zu entgehen. Laut der Koordination sind die betreffenden Verfahren zudem patentierbar. Somit sei zu erwarten, dass versucht werde, Patentschutz für Merkmale wie Resistenzen auf alle Sorten mit dieser Eigenschaft auszudehnen.

Die ECVC war auch an der Petition „Nicht hinter unserem Rücken - kein Freifahrtschein für neue Gentechnik in unserem Essen!“ beteiligt. Die von mehr als 50 Organisationen aus 17 Mitgliedstaaten getragene Initiative konnte im vergangenen Jahr 420.000 Unterstützer mobilisieren und übergab die Unterschriften jetzt an die EU-Kommission. Kernforderung ist, auch neue gentechnische Verfahren dem geltenden EU-Gentechnikrecht zu unterwerfen, nicht zuletzt um die Wahlfreiheit sicherzustellen.

Laut den Trägerorganisationen wird die EU-Kommission am 7. Juni ihren Vorschlag zur Überarbeitung der Vorschriften vorstellen und dabei unter anderem Methoden wie CRISPR/Cas von den geltenden Zulassungsvorgaben ausnehmen.

Lösungen für große Herausforderungen



Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, nahm die Entscheidung zum Anlass, ihre Forderung nach einer Überarbeitung des europäischen Gentechnikrechts zu erneuern. Sie wies daraufhin, dass die Richter „keinesfalls naturwissenschaftlich logisch, sondern mit einem gewohnheitsrechtlichen Verständnis“ argumentiert hätten.

„Das aktuell geltende Gentechnikrecht fußt auf dem Wissensstand der 1980er Jahre. Nun müssen die richtigen politischen Schlüsse daraus gezogen werden und neue, innovative Züchtungstechnologien als große Chance eine Berücksichtigung finden“, so Konrad. Ziel müsse es sein, das Produkt der Züchtung und nicht den Weg dazu zu bewerten. Es sei in der Wissenschaft „unumstritten“, dass neue Züchtungstechnologien zentrale Lösungen für die großen Herausforderungen der Gegenwart böten.
AgE
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