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11.07.2021 | 14:42 | Düngebeschränkungen 
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EU-Kommission bringt wegen Düngeverordnung weitere Bedenken vor

Brüssel / Berlin - Die Europäische Kommission hat erneut Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der verstärkten Maßnahmen in mit Nitrat belasteten und durch Phosphat eutrophierten Gebieten in Deutschland geäußert.

Düngebeschränkungen?
Ausweisung der mit Nitrat und Phosphat belasteten Gebiete muss überprüft werden - Bundeslandwirtschaftsministerium sieht Brüsseler Kritik in erster Linie an die Länder gerichtet. (c) proplanta
Wie eine Sprecherin der EU-Kommission gegenüber AGRA-EUROPE am Donnerstag (8.7.) in Brüssel erklärte, hat Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius Ende Juni mit Blick auf die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie einen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sowie Bundesumweltministerin Svenja Schulze verschickt.

Die Kommission arbeite weiter mit den deutschen Behörden zusammen, um das Land dabei zu unterstützen, dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur deutschen Düngeverordnung „so schnell wie möglich nachzukommen“. Weitere Details zum Inhalt des Schreibens wollte die Sprecherin mit Verweis auf das laufende EU-Vertragsverletzungsverfahren nicht preisgeben.

Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium am Dienstag (6.7.) in Berlin berichtet hatte, fordert Umweltkommissar Sinkevičius unter anderem, die Ausweisung der mit Nitrat und durch Phosphat belasteten Gebiete zu überprüfen. Zudem müssten „fundierte Begründungen“ für diejenigen Fälle vorgelegt werden, in denen belastete Überwachungsstellen außerhalb der ausgewiesenen Gebiete liegen sollten. Kommissionskreise bestätigten die Aussagen des Bundesagrarressorts; weitere Details wurden allerdings nicht genannt.

Kritik an den Bundesländern

Nach Auffassung des Bundeslandwirtschaftsministeriums richtet sich die Brüsseler Kritik in erster Linie an die Bundesländer. Diese müssten bei der Aufklärung mitwirken, wie die von der Kommission aufgeworfenen Punkte zustande gekommen seien. Schließlich seien für die Ausweisung der belasteten beziehungsweise eutrophierten Gebiete die Länder verantwortlich.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium erinnerte daran, dass im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium und den Ländern eine Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung erarbeitet worden sei, um die Bundesländer zu unterstützen. Ziel dieser Vorschrift sei es gewesen, eine bundeseinheitliche und verursachergerechte Ausweisung der belasteten Gebiete sicherzustellen.

Die Verwaltungsvorschrift sei am 11. November 2020 in Kraft getreten, und die Länder hätten bis Ende 2020 Zeit gehabt, ihre als belastet ausgewiesenen Gebiete zu überprüfen und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen.

Bereitschaft zur Klärung offener Fragen

Das Bundeslandwirtschaftsministerium unterstrich, dass man bestrebt sei, „in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission das weitere Vorgehen abzustimmen und alle offenen Fragen zu klären“. Da die Länder wesentlich für die Umsetzung der Vorgaben für die Gebietsausweisung verantwortlich seien, werde man sie „dabei auch in die Pflicht nehmen“.

Das Agrarressort kündigte an, gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium der EU-Kommission vorzuschlagen, zeitnah die angesprochenen Kritikpunkte zu erörtern und auch Ländervertreter an diesen Gesprächen zu beteiligen. Erst Ende Mai hatte die Bundesregierung betont, dass nach „langen und schwierigen“ Verhandlungen mit der Kommission die Novellierung der Düngeverordnung vorerst akzeptiert worden sei (AgE 22/21, Länderberichte 23).

Wie seinerzeit in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion festgestellt wurde, ist das Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs durch die Kommission allerdings noch nicht eingestellt, „sondern lediglich ruhend gestellt“ worden. Zudem führte die Bundesregierung damals aus, dass die EU-Kommission derzeit die Ausweisungen der mit Nitrat belasteten und durch Phosphat eutrophierten Gebiete durch die Länder prüfe.

Gebietsausweisungen fachlich fundiert

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast erklärte zu dem Brüsseler Schreiben, dass Deutschland „offenbar in den Augen der Kommission seine Hausaufgaben noch nicht vollständig gemacht“ habe. Nichtsdestoweniger gehe Niedersachsen selbstbewusst in die Gespräche mit der EU-Kommission, da es seine Gebietsausweisungen fachlich fundiert vorgenommen habe.

So seien in ihrem Bundesland unter anderem die eutrophierten Gebiete bereits 2019 mit der entsprechenden Landesverordnung ausgewiesen worden. Derweil kritisierte Sachsens Agrarressortchef Wolfram Günther das Bundeslandwirtschaftsministerium dafür, dass es den Bundesländern die Schuld zuweise. Dabei seien die Vorgaben zur Gebietsausweisung gemeinsam beschlossen worden.

Mortler fordert neue Nitratrichtlinie

Unterdessen stellte die EU-Agrarpolitikerin Marlene Mortler klar, dass sie für den Fall, dass die angedrohte Zweitklage vor den EuGH kommen sollte, den Vorgängen gelassen entgegen blicke. „Ein Zweiturteil kostet wohl Geld, würde der Vorgehensweise Grenzen setzen und den Handlungsdruck zur Novellierung der EU-Nitratrichtlinie für die Kommission erhöhen“, zeigte sich die CSU-Europaabgeordnete überzeugt.

Mortler bekräftigte die Forderung nach einer neuen EU-Nitratrichtlinie; diese sei „unerlässlich und überfällig“. Dagegen hatte es in der Vergangenheit aus Kommissions- und auch aus Berliner Regierungskreisen geheißen, dass Deutschland für den Fall, dass es erneut vor dem EuGH verklagt und auch verurteilt würde, Strafzahlungen von bis zu rund 850.000 Euro pro Tag drohten.

Ausweisungsmethodik das Problem

Verständnis für den Brief von EU-Umweltkommissar Sinkevičius äußerte indes der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied. Die Forderung resultiert nach seiner Einschätzung vor allem aus der unterschiedlichen Ausweisungsmethodik der Bundesländer. Der Bauernverband habe sich im Zuge der Novellierung der Düngeverordnung stets für eine bundeseinheitliche Ausweisung stark gemacht.

Mit dieser hätte es den Brief der EU-Kommission wohl nicht gegeben, mutmaßte Rukwied. Er bekräftigte in dem Zusammenhang seine Kritik an den Vorgaben für die Roten Gebiete und der dort um 20 % reduzierten Düngeobergrenze. Diese Praxis sorge für eine dauerhafte Mangelversorgung der Feldbestände, eine schwache Wurzelausbildung und gehe zu Lasten eines sinnvollen Humusaufbaus. Die Obergrenze in den Roten Gebieten sei „fachlicher Unsinn“, der dringend zugunsten einer bedarfsgerechten Düngung nachgebessert werden müsse.

Kritik am Verbot der Herbstdüngung

Der DBV-Präsident sieht auch kein Risiko für zusätzliche Stickstoffausträge ins Oberflächen- oder Grundwasser. Er verwies auf langjährige Versuche in Baden-Württemberg, die bei bedarfsgerechter Düngung in Wasserschutzgebieten sogar tendenziell sinkende Nitratgehalte im Grundwasser nachgewiesen hätten.

Für ebenso falsch hält Rukwied das faktische Verbot der Herbstdüngung in Roten Gebieten mit organischem Dünger wie Gülle oder Festmist. Eine Versorgung mit organischem Dünger aktiviere das Bodenleben, sorge bei Zwischenfrüchten für mehr Biomasse und damit letztlich für mehr Humus im Boden und weniger Erosion, erläuterte der Bauernpräsident. Auch hier pocht er auf Änderungen hin zu einer bedarfsgerechten Herbstdüngung mit Mist und Gülle in Roten Gebieten.

„Erneute Klatsche“

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner, bezeichnete die Androhung der EU-Kommission, Deutschland wegen seiner „jahrelangen Versäumnisse“ beim Schutz des Grundwassers wieder vor den EuGH zu bringen, als „eine erneute Klatsche“ für die Bundesregierung.

Die erst ein Jahr alte Düngeverordnung, die das Grundwasser vor Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft schützen solle, sei damit schon wieder hinfällig. Besonders schwer wiegt nach Ansicht von Müller-Kraenner der Vorwurf der Kommission, 80 % der Grundwasserüberwachungsstellen und 96 % der eutrophierten, also besonders belasteten, Oberflächengewässer lägen außerhalb der Roten Gebiete.
AgE
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Kommentare 
Ringberater schrieb am 12.07.2021 10:22 Uhrzustimmen(4) widersprechen(1)
"wer einmal lügt, dem glaubt man nicht"- und gelogen wurde viel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der ausgewiesenen Messstellen. Jetzt fällt es den beiden Damen auf die Füße- und am Ende den Landwirten, denn in den Ministerien hat man "alles richtig gemacht". Es ist noch Zeit, ehrlich zu werden- und zuzugeben, dass das deutsche System, wohl gut gemeint, aber eben nicht repräsentativ, eigentlich ungeeignet ist, die Grundwassergefährdung zu beschreiben, und dass es nicht die Vorgaben der EU NitratV erfüllt.
An die regionalen Tische zum Grundwasserschutz gehören zu allererst Landwirte und Versorger, andere dürfen dazu.
FF schrieb am 11.07.2021 17:00 Uhrzustimmen(6) widersprechen(4)
Die Messtellen liegen deshalb außerhalb der belasteten Gebiete, weil nur landwirtschaftlich genutzte Flächen ausgewiesen wurden. Messtellen liegen meist außerhalb, meist an Feldwegen, oder sie sind eingefasste Brunnen. Beim Phosphat liegen sie in Gewässern.
Hier waren echte Schlauberger am Werk, sowohl in Brüssel, als auch hier in der Diskussion.
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