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08.06.2009 | 08:10 | Europawahl  

EU-Wahlen stoßen wieder auf Desinteresse

Brüssel - Eine Schlüsselrolle im Machtgefüge der EU hat sich das Europaparlament in den drei Jahrzehnten seit seiner ersten Direktwahl erkämpft.

EU-Wahlen
(c) proplanta
Doch der Respekt der Bürger lässt weiter auf sich warten. Nicht einmal die Hälfte der Europäer ging in dem viertägigen Wahlgang bis Sonntag in die Stimmlokale. Und wenn, dann ging es erneut vielen Wählern schlicht darum, ihre nationalen Regierungen abzustrafen. Somit bleibt die Großwetterlage in Europa weiter von Zufall und Willkür bestimmt, auch wenn sich die Konservativen wieder als stärkste Kraft durchsetzen konnten. Eine zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso scheint gesichert - die Konservativen sind seine Hausmacht.

Dass es sich vielfach um Protestwahlen handelte, zeigt auch der Zugewinn vieler extremistischer, rechtspopulistischer und ausländerfeindlicher Gruppierungen. In den Niederlanden wurde die extrem europakritische PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders zweitstärkste Kraft. In Österreich oder Irland verpassten die Wähler ihren Regierungen klare Denkzettel - in Großbritannien zeichnete sich nach ersten Auszählungen ebenfalls für die Regierung ein Debakel ab.

Auch das Ergebnis der Wahlen in Deutschland - die politische Führung bleibt bei der Union - interessierte hauptsächlich mit Blick auf die Bundestagswahlen im September. Dass die Bundesrepublik Europas Zahlmeister ist und das Europaparlament in Sachen Haushalt mitentscheiden darf, wurde im Wahlkampf weniger diskutiert.

Ungeachtet der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression in den 30er Jahren fuhren Europas Sozialisten - denen auch die deutsche SPD angehört - Verluste ein. Ihnen machen nicht nur neue Links-Außen-Parteien das Leben schwer. Zwar hatten die Sozialisten angekündigt, sich im Falle eines Wahlsiegs einer Ernennung Barrosos in den Weg zu stellen. Einen eigenen Kandidaten haben sie aber nicht benannt. Dabei hat der Behördenchef eine Schlüsselposition in Brüssel inne.

Beobachter glauben, dass die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem nächsten Gipfeltreffen am 18. und 19. Juni den Portugiesen für eine zweite Amtszeit benennen dürften. Doch der Mitte-Rechts- Politiker benötigt dann noch die Zustimmung der Volksvertreter. Mögen Kritiker Barroso auch angesichts der Wirtschaftskrise Zaudern und mangelnde Initiative vorwerfen: Grundsätzlich ist es der Kommissionschef, der die großen Politiklinien vorgibt, das Initiativrecht in der europäischen Gesetzgebung hat sowie die Aufgabe, zwischen fremdelnden EU-Schwergewichten wie Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel zu vermitteln.

Zwar ist theoretisch noch möglich, dass eine Allianz aus Liberalen, Linken, Grünen und «anderen» Barroso die rote Karte zeigt - es ist aber unwahrscheinlich. Die Personalie hat indes im öffentlich Wahlkampf ohnehin kaum eine Rolle gespielt, ebenso wenig wie die großen Zukunftsthemen, die die EU in den nächsten Jahren beschäftigen werden und bei denen das Europaparlament so viel mitzureden haben wird.

Es ist eine traurige Konstante in der Geschichte Europas, dass die Wahlbeteiligung seit 1979 immer weiter abgenommen hat, je mehr Macht das Europaparlament erhielt. Mittlerweile bestimmt die Volksvertretung bei gut Dreiviertel aller europäischen Gesetze und Regelungen mit. Von der Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte bis zum Arztbesuch in einem anderen EU-Land, von Sicherheitsbestimmungen für Spielzeug bis zu Klimaschutzauflagen für Autos oder niedrigeren Gebühren fürs Handy im EU-Ausland: Die EU-Abgeordneten verhandeln hier gemeinsam mit der EU-Kommission und Vertretern der Mitgliedstaaten - und sie können am Ende den Daumen senken.

Es sieht ganz danach aus, dass die Iren dem EU-Reformvertrag von Lissabon im zweiten Anlauf zustimmen werden. Dann erhält das Europaparlament sogar noch mehr Macht und darf beispielsweise in der Immigrationspolitik oder der EU-Agrar- und Fischereipolitik mitentscheiden. Bei den Agrarsubventionen geht es um den höchsten Haushaltsposten im EU-Budget und jährlich gut 55 Milliarden Euro Steuergelder. Doch wie sich die einzelnen Parteien bei diesen wichtigen Themen positionieren, war kein Thema in den vergangenen Wochen. (dpa)
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