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21.06.2010 | 19:11 | Auf der Agenda der Mächtigen steht Armut eher hinten 

G20-Staatenlenker stellen Weichen für die Zukunft

Brüssel - Es sind Gipfel der Superlative.

Welternährung
(c) proplanta
Auf 1,1 Milliarden kanadische Dollar - umgerechnet etwa 870 Millionen Euro - werden die Kosten für die G8- und G20-Treffen (25. bis 27. Juni) in Huntsville und Toronto geschätzt. Das ist ein stolzer Preis angesichts der Schuldenberge infolge der Weltwirtschaftskrise.


Armut, Hunger, Bildung und Klimaschutz waren gestern

Schon jetzt beklagen Hilfsorganisationen gebrochene Versprechen, die Entwicklungshilfe deutlich zu erhöhen. Aber Armut, Hunger, Bildung und Klimaschutz waren gestern. Wechselkurse und Haushaltssanierung heißen heute die Topthemen. Wenn sich in der Idylle von Huntsville, etwa 225 Kilometer nördlich von Toronto, zunächst die Staats- und Regierungschefs der führenden Industriestaaten und Russlands (G8) treffen, geht es auch um die Möchtegern-Atomstaaten Iran und Nordkorea - die Dauerbrenner im globalen Krisenmanagement. Aber die Protagonisten geben nicht eben ein Bild von Einigkeit und Stärke ab. Auf den Gastgeber, Premier Stephen Harper, schießt sich die Opposition wegen der hohen Gipfel-Kosten ein.

US-Präsident Barack Obama wirkt hilflos angesichts der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Japans und Großbritanniens Regierungschefs, Naoto Kan und David Cameron, kommen als Neulinge. Italiens Silvio Berlusconis ist gemeinhin mehr Zuhause als im Ausland gefragt. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy leidet chronisch unter schlechten Umfragewerten. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel kämpft um ihre Regierung.

Wer auf dem globalen Parkett inzwischen auch das Sagen hat, demonstriert Chinas Präsident Hu Jintao. Er ließ seine Zentralbank ganz unerwartet ankündigen, mehr Flexibilität im Wechselkurs des Yuan zum US-Dollar sei nun möglich. Begründung: Chinas Wirtschaft komme nach der Krise stark zurück. Der künstlich niedrig gehaltene Yuan, der die Waren von der weltgrößten Werkbank günstig macht, ist den Handelspartnern ein Dorn im Auge: Wettbewerb - nein danke! Wie immer die Flexibilität genau aussehen mag, immerhin ein Zeichen des gutes Willens so kurz vor den Beratungen zunächst im in der Runde der G8 und der G5 (China, Indien, Südafrika, Mexiko und Brasilien) und später der G20, die sämtliche führenden Volkswirtschaften zusammenführt.


Was ist denn nun das eigentliche Forum für die Probleme der Welt?

Ein Problem scheint übrigens mehr und mehr in den Hintergrund zu geraten. Was ist denn nun das eigentliche Forum für die Probleme der Welt? Schon die etwa halbierte Tagung der G8 zugunsten des anschließenden vierten Treffens der G20 zeigt die neue Rollenverteilung: Die Schwellenländer sitzen mit am Tisch. Der Eintrag in die Geschichtsbücher ist den G20 ohnehin sicher. Denn seit die US-Regierung im September 2008 die amerikanische Großbank Lehman Brothers sterben ließ, bewahrten die G20 die Welt vor einer Depression wie in den 30er Jahren: Die Finanzkrisen-Feuerwehr hat sich bewährt. Die G20 mobilisierten milliardenschwere Konjunkturpakete, standen zum freien Handel und brachten die Reform der Finanzmärkte immerhin auf dem Weg. Die Detailarbeit freilich ist ausgelagert, Details tückisch, Lobby-Arbeit überall - die Finanzbranche wehrt sich gegen allzu gewinnschmälernde Spielregeln.

Und der Rahmen G20 bringt zwangsläufig mehr widerstrebende Interessen an einen Tisch - Kompromisse sind aufwendiger als als im elitäten G8-Club. Andererseits: Die Krise nahm ihren Anfang nicht in den aufstrebenden Volkswirtschaften, den Entwicklungsländern oder den bedeutenden Ölexporteuren. Nun haben sich andere Zirkel gebildet und pochen auf Einfluss. Da ist beispielsweise das «Major Economies Forum» (MEF) aus 16 Ländern, oder das Forum BRIC der erstarkenden Nationen Brasilien, Russland, Indien und China.

Besonders drastisch hatte der Kopenhagener UN-Klimagipfel gezeigt, dass zwar ohne die neuen Schwergewichte China und Indien im globalen Machtpoker nichts mehr geht. Andererseits zeigte der Debattenmarathon die Notwendigkeit von neuen entscheidungsfähigen Verhandlungskanälen. Erstmals tagen die G8 und die G20 in Kanada nun quasi am selben Ort; die G8-Konferenz wurde entsprechend eingedampft. Überflüssig ist die Kerntruppe damit keineswegs. «Ich glaube, die kleinere, aber weiterhin einflussreiche G8 wird sich künftig mehr auf die globale Sicherheit und das Gemeinwohl konzentrieren», meint Gastgeber Harper. Hier dürften die Stichworte Nordkorea und Iran heißen. Doch in der Finanz- und Schuldenkrise spielt die Musik weiter bei den G20.

Die Umsetzung der Finanzmarktreformen stockt, Probleme wie neue Bilanzierungsregeln, Steueroasen oder eine bessere Kontrolle von Wetten am Finanzmarkt schieben sie weiter vor sich her. Und seit die Euro-Länder mit dem überschuldeten Griechenland in eine Vertrauenskrise gerutscht sind, geht es auch um gesunde Staatsfinanzen. Dass Obama nun in einem Brief an seine Kollegen meint, gerade das weitere Schuldenmachen sei unabdingbar, die Krise endgültig hinter sich zu lassen, dürfte in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten auf Kopfschütteln gestoßen sein. (dpa)
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