Der Europäische Gerichtshof (EuGH) will dazu am 25. Juli eine weitreichende Entscheidung treffen.
Bisher gibt es solche Lebensmittel nur in seltenen Einzelfällen zu kaufen. Es rentiert sich für den Handel schlicht nicht. Verbraucher können die Produkte an einer speziellen Kennzeichnung erkennen - und lassen die Finger davon.
Doch bald könnten bestimmte genetisch manipulierte Produkte quasi inkognito ihren Weg in die Regale finden. Denn vor dem
EuGH geht es um die Frage, ob neue gentechnische Methoden wie bestimmte Anwendungen der Genschere Crispr unter die strengen Auflagen des europäischen Gentechnikrechts fallen. Dabei werden gezielte Änderungen im
Erbgut erreicht, ohne dass fremde
DNA eingefügt wird.
Methoden wie Crispr gelten als besonders günstig und effizient. Umstritten ist, ob beispielsweise auf diese Weise veränderte Pflanzen rechtlich gesehen Gewächsen aus herkömmlicher
Züchtung gleichzusetzen sind. Oder ob es sich doch um sogenannte
Gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) im juristischen Sinne handelt?
Verbraucherschützer sind alarmiert. GVOs müssen vor der Zulassung auf ihre Sicherheit geprüft werden und im Handel gekennzeichnet sein. Je nach Entscheidung des Gerichts fallen künftig bestimmte gentechnisch veränderte
Lebensmittel nicht unter die GVO-Regularien. «Das ist nicht im Sinne des Vorsorgeprinzips. Deshalb plädieren wir ganz stark dafür, dass diese Produkte als
Gentechnik eingestuft werden», sagt Isabelle Mühleisen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Mühleisen geht davon aus, dass von der Kennzeichnungspflicht befreite Produkte den Weg in den Handel finden. «Das wird dann ein riesiger Feldversuch.» Für den Schutz von Umwelt und Gesundheit stehe viel auf dem Spiel, schreiben 21 Verbände, darunter Umweltschützer, in einer gemeinsamen Mitteilung. «Bei der Gentechnik geht es um Lebewesen, die sich vermehren, genetisch austauschen und sich auch unkontrolliert ausbreiten können.»
Lebensmittel, für die die GVO-Regularien gelten, findet man in deutschen Supermärkten bislang so gut wie nicht. Die überwiegende Mehrheit der Verbraucher lehne sie ab, heißt es beim Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels als Begründung. Tatsächlich gibt es in der deutschen Bevölkerung große Vorbehalte: Rund zwei Drittel halten es laut dem Naturbewusstseins-Bericht 2017 des Bundesumweltministeriums eher für problematisch, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu essen.
Ausnahmen bei der Kennzeichnungspflicht gibt es schon jetzt. So müssen Lebensmittel von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, nicht gekennzeichnet werden. Dazu gehören Milchprodukte, Fleisch oder auch Eier. Wer hier Gentechnik ausschließen will, sollte laut Verbraucherschützerin Mühleisen auf das «Ohne Gentechnik»-Siegel achten.
Noch gibt es in der EU keine Produkte, die von dem EuGH-Urteil betroffen wären, wie Ricardo Gent, Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung
Biotechnologie, erklärt. Aber viele Unternehmen warteten gespannt auf die Entscheidung und stünden in den Startlöchern. In den USA gebe es beispielsweise eine
Kartoffel, deren Lagerfähigkeit verbessert wurde.
Die Industrie wie auch der Deutsche Bauernverband setzen darauf, dass die neuen gentechnischen Methoden künftig nicht unter GVO-Regularien fallen. «In Deutschland und Europa müssen wir moderne Züchtungsverfahren nutzen können, sonst haben wir im internationalen Wettbewerb wenig Chancen», sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Er erhofft sich beispielsweise Pflanzen, die gegen Krankheitserreger oder Hitze resistenter sind.
Und was passiert, wenn künftig doch eine Kennzeichnungspflicht bei solchen Methoden gilt? Ist das ihr Ende in der Pflanzenzucht? «Dann hängt es von der Kommunikation ab», sagt Industrielobbyist Gent.
Verbrauchern müsste deutlich gemacht werden, dass solche Lebensmittel auch Vorteile für sie haben können, beispielsweise durch weniger Allergene oder glutenfreie Produkte. Sollte das Gericht im Sinne von
Bauernverband und Industrie entscheiden, erwartet Gent modifizierte Lebensmittel mittelfristig «auf breiterer Front im Supermarkt».