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30.05.2023 | 09:54 | Energiepolitik 

Habecks Heizungsregler - Auf der Suche nach Kompromissen

Berlin - Nach dem heftig eskalierten Koalitionskrach über das Heizungsgesetz soll jetzt die Suche nach Kompromissen anlaufen.

Gaszähler
Die Gesetzespläne zu mehr Klimaschutz in Gebäuden stecken vorerst fest - und unter den Ampel-Regierungspartnern kochte Heizungszoff hoch. Der Ärger hat sich etwas gelegt. Klappen jetzt Nachbesserungen? (c) proplanta
Zu Pfingsten sandte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schon konkrete Signale, welche Nachbesserungen auf den Tisch kommen können. Das soll den Umstieg auf Heizungen mit erneuerbaren Energien so anlegen, dass doch noch breiter akzeptierte Lösungen herauskommen.

An diesem Dienstag will Habeck Ampel-Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP treffen, und auch sein neuer Staatssekretär Philipp Nimmermann fängt an. Aus der Wirtschaft kamen erste aufgeschlossene Reaktionen.

Habeck pochte erneut auf Fortschritte bei der «Wärmewende», da etwa ein Drittel der CO2-Emissionen vom Heizsystem kämen und das noch zu 80 Prozent mit fossilen Energien laufe. «Aber gerade weil das Gesetz so groß und so wichtig ist, können wir auch im Konkreten pragmatisch sein und sollten auch pragmatisch sein», erläuterte er in einem vom Ministerium verbreiteten Video. Er hoffe, dass die Diskussion nun «in eine konstruktive, lösungsorientierte Haltung» einschwinge. Dabei drängt die Zeit, den von der FDP vorerst aufgehaltenen Entwurf in den Bundestag zu bringen. Die nächste Sitzungswoche beginnt am 12. Juni. Tunlichst noch vor der Sommerpause soll das Gesetz durchs Parlament.

Die Pläne zielen darauf, dass von Anfang 2024 an jede neueingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden muss. Alternativ kann auch auf klimaneutral erzeugte Wärme aus einem Wärmenetz umgestellt werden. Der Umstieg soll sozial abgefedert werden, außerdem soll es Übergangsfristen und Härtefallregelungen geben. Um die Pläne zu überarbeiten, will Habeck nun Gespräche führen und an mehreren Reglern drehen. Vor allem soll es um vier Bereiche gehen, in denen «offensichtlich» Nachbesserungsbedarf besteht:

- Gestaffelter Start: Statt ab 1. Januar 2024 gleich für alle Arten von Gebäuden zu gelten, könnte der Beginn entzerrt werden - indem gesetzliche Pflichten zunächst nur für Neubauten greifen, die ab dann geplant werden. Beim Altbaubestand könnte mehr Zeit gelassen werden.

- Technische Wahlmöglichkeiten: Schon jetzt sehe der Entwurf acht verschiedene technische Optionen vor, erläuterte Habeck. Er ließ aber erkennen, dass weiterer Spielraum möglich ist, vor allem bei der Nutzung von Holz oder Holzpellets. «Da geht bestimmt noch mehr.»

- Fernwärme: «Wir reden so viel über Wärmepumpen, aber da, wo die Bebauung eng ist, da ist die Nutzung von Fernwärme sicherlich ganz häufig das Mittel der Wahl», sagte Habeck. Vor allem mit Blick auf die Städte gehe es daher auch um eine «Fernwärmeoffensive».

- Härtefälle: Für schwierige Konstellationen sind neben Förderungen schon Ausnahmen von der Pflicht zum Heizungs-Umstieg vorgesehen. «Aber auch die kann man sich sicherlich noch mal genauer anschauen und da großzügiger sein», stellte Habeck in Aussicht.

Wie die Chancen auf zügige Kompromisse stehen, muss sich nun zeigen, nachdem besonders zwischen Grünen und FDP die Fetzen geflogen waren. Die SPD dringt weiter auf einen Beschluss vor der Sommerpause. «Es gibt ja Förderungen für bestimmte Maßnahmen, auf die die Menschen jetzt warten», sagte Parteichefin Saskia Esken der Deutschen Presse-Agentur.

«Da muss Material bestellt werden, der Handwerker muss beauftragt werden, und das macht man nicht zwei Monate vorher.» Die SPD-Fraktion will etwa auch eine «sozialer» gestaltete Förderung je nach Einkommen und den Mieterschutz nochmals in den Blick nehmen.

Die Wohnungsbranche begrüßte die angekündigten Nachbesserungen. «Genau das haben wir von Beginn an gefordert: das Gesetz auf seine Machbarkeit zu überprüfen und es sozial zu flankieren, um niemanden unverhältnismäßig zu überfordern», sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Positiv zu bewerten sei angesichts gravierenden Handwerkermangels auch der Vorschlag, den Zeitrahmen für Bestandsgebäude auszudehnen.

Der Städte- und Gemeindebund warb dafür, bei der Energiewende weiter auch auf Holz zu setzen. Pelletheizungen seien über Jahre vom Bund gefördert worden, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Funke-Zeitungen (Sonntag). Viele Kommunen beheizten so Schulen und Rathäuser, auch Privathaushalte setzten darauf. Was gestern noch staatlich gefördert worden sei, könne heute nicht Teufelswerk sein.

Die CSU kritisierte auch Habecks Kompromisssignale. «Die wievielte Nachbesserung ist das denn inzwischen?», sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem Portal «t-online». Er forderte erneut: «Das Gesetz ist von vorne bis hinten vermurkst, verkorkst, bekloppt und gehört deswegen in die Tonne.»

Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch bescheinigte dem Minister, Einsicht sei der erste Weg zur Besserung. «Millionen Haushalte könnten sich fragwürdige Wärmepumpen sparen, wenn ein funktionierendes Wärmenetz vor Ort existiert», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Sonntag).

Ein «Regler» beim Heizungsgesetz soll auch Staatssekretär Nimmermann sein, der für den neuen Job in Berlin laut Ministerium zunächst aus der hessischen Landesregierung abgeordnet wird. Der erfahrene Verwaltungsfachmann wisse auch, wie sich politische Entscheidungen auf Menschen auswirkten und wie man gemeinsame Lösungen finde, sagte Habeck schon zu seiner Entscheidung für den 57-Jährigen. Der Ökonom folgt auf Patrick Graichen, der den Staatssekretärsposten wegen Verflechtungen von Dienstlichem mit privaten Verhältnissen verlor.
dpa
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