Der Präsident des Landvolks Niedersachsen, Dr. Holger Hennies, sieht die Berufung des Schwaben als „Chance für die Bauern“. Mit dem bislang fachfremden Özdemir könnten neue Akzente gesetzt werden, erklärte Hennies. Die Landwirtschaft bekomme durch den prominenten Politiker „noch mehr Aufmerksamkeit als bisher“. Auch der Landvolkpräsident betonte die Kooperationsbereitschaft mit der neuen Bundesregierung.
Die Zusammenarbeit mit den Vertragspartnern beim „Niedersächsischen Weg“ habe in den zurückliegenden zwei Jahren gezeigt, wie vermeintlich unüberbrückbare Hürden überwunden werden könnten. „Wir sind offen und verweigern uns nicht neuen und notwendigen Entwicklungen“, unterstrich Hennies. Allerdings müsse man „uns
Bauern mitnehmen und darf uns vor allem wirtschaftlich nicht im Regen stehen lassen“.
Eine konstruktive Zusammenarbeit bot auch der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) dem designierten
Bundeslandwirtschaftsminister an. „Mit Özdemir wird ein erfahrener Bundespolitiker aus der ersten Reihe dieses wichtige Ressort leiten“, erklärte DFWR-Präsident Georg Schirmbeck. Er geht davon aus, dass der künftige Minister den Dialog zwischen
Ökonomie und
Ökologie im Sinne einer nachhaltigen
Waldbewirtschaftung „moderieren und in Einklang bringen“ werde.
Positive Signale für kooperatives Wirtschaften im Koalitionsvertrag von
SPD, Grünen und FDP lobte der Genossenschaftsverband - Verband der Regionen. BayWa-Chef Prof. Klaus Josef Lutz forderte von der neuen Bundesregierung wirtschaftliche Anreize für Investitionen in der Landwirtschaft.
Keine Aussage zur Ernährungssicherung
Eine durchwachsene Bewertung des Koalitionsvertrages nahm Landvolk-Präsident Hennies vor. Er vermisst im Text eine klare Aussage zur zentralen Rolle der Landwirtschaft für die Ernährungssicherung. Zudem fehle die politische Zusicherung, Landwirten im Transformationsprozess nicht ihre Existenzgrundlagen zu entziehen. Dies gelte vor allem für die Themen
Klimaschutz, Moorschutz und Schutz der
Biodiversität, „weil wir eine Verlagerung unserer Probleme in andere Länder nicht zulassen dürfen“.
Sorge bereiten Hennies auch die pauschalen Formulierungen zum Pflanzenschutzmittelverbot in Wasserschutzgebieten. Dies habe wie das pauschale Glyphosat-Verbot wenig mit einer wissenschaftlichen
Risikobewertung zu tun. Unverantwortlich sei angesichts der akuten Krise in der Schweinehaltung die fehlende verbindliche Finanzierungszusage zum Umbau der Tierhaltung.
Genossenschaften spüren Rückenwind
Der Vorstandsvorsitzende des Genossenschaftsverbandes, Ingmar Rega, bescheinigte der Ampelkoalition, diese erkenne in ihrer Vereinbarung die Vorzüge von Genossenschaften als Kreditinstitute mit risikoarmem Geschäftsmodell, als Erzeuger erneuerbarer Energien und als Sozialunternehmen an. Auch für die Genossenschaften in Landwirtschaft, Handel und Handwerk enthalte die Vorlage „interessante Ansatzpunkte“.
Eine Konkretisierung erwartet auch Rega hinsichtlich des angekündigten Umbaus der Tierhaltung: „Hier braucht es einen praktikablen Weg und Planungssicherheit, damit sich auch alle tierhaltenden
Betriebe angesprochen fühlen und eine realistische Chance erhalten, sich entsprechend neuer Vorgaben weiterentwickeln und zukunftsfest aufstellen zu können.“
Weitere relevante Themen für die Genossenschaften seien die von der künftigen Koalition genannten Vorhaben in den Bereichen Bodenpolitik,
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), Pflanzenschutz oder Kartellrecht. Bei der Umsetzung komme es darauf an, die Landwirte nicht zusätzlich zu belasten und sie von Beginn an in den Prozess einzubinden.
Bürger-Energie wichtig für Akzeptanz
Rega betonte die wichtige Rolle von Genossenschaften für den Erhalt ländlicher Räume. Genossenschaften der Agrar- und Landwirtschaft seien Arbeitgeber vor Ort, stärkten regionale Wertschöpfungsketten und engagierten sich vielfach gesellschaftlich. Hinzu kämen neue Genossenschaftsmodelle, etwa Coworking-Arbeitsplätze oder genossenschaftlich betriebene Ärztehäuser- „Genossenschaften leisten einen wertvollen Beitrag für gleichwertige Lebensverhältnisse und lebenswerte ländliche Räume“, stellte der Vorstandsvorsitzende fest.
Bei einer geplanten Anpassung der Förderkulisse müssten Genossenschaften besser förderfähig sein, um ihr Potential für den ländlichen Raum noch stärker zu nutzen. Ausdrücklich begrüßte der Genossenschaftsverband den angekündigten
Ausbau der erneuerbaren Energien und den Hinweis auf die „Bürger-Energie“ als wichtiges Element für mehr Akzeptanz.
Rega zufolge wird die Akzeptanz vor Ort der entscheidende Faktor bei der Umsetzung der Energiewende sein. Der Bürger-Energie komme dabei eine Schlüsselrolle zu. Der Genossenschaftsverband - Verband der Regionen vertritt eigenen Angaben zufolge die Interessen von rund 2.600 Mitgliedsunternehmen in 14 Bundesländern.
Kein Gesamtkonzept für die Jugend
Ein Gesamtkonzept zu Jugend und Jugendpolitik vermisst der Bund der Deutschen
Landjugend (BDL) im Koalitionsvertrag. Dort sei Jugend als eigenständige und enorm wichtige Lebensphase nicht berücksichtigt, kritisierte der stellvertretende BDL-Vorsitzende Sebastian Dückers. Zwar würden Jugendliche an vielen Stellen genannt, aber nicht „als Subjekte“ betrachtet, sondern erfüllten jeweils einen bestimmten gesellschaftlichen Zweck.
„Jugend ist zwar mit gemeint, aber nicht ausbuchstabiert“, monierte Dückers. Vieles sei Auslegungssache. Dies gelte etwa für die angekündigte bedarfsgerechte Ausstattung des Kinder- und Jugendplans. Aus BDL-Sicht müsse das bedeuten, die Förderung der Jugendverbände dynamisch zu erhöhen und zu sichern.
Vage bleibe auch die Zusicherung der Ampelkoalition, junge Menschen an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Für den
BDL müsse das mit einem „Jugend-Check“ einhergehen, der verpflichtend für alle Ressorts und Gesetzgebungsprozesse eingeführt, ausgebaut und weiterentwickelt werden müsse. „Erst in der Ausgestaltung wird sich zeigen, ob sich das Vertrauen der Jugend in die Regierungsparteien auszahlt“, stellte der BDL-Vizevorsitzende fest.
ZKL-Ergebnisse umsetzen
Im Interview mit agrarheute schlug BayWa-Chef Lutz eine Sonderabschreibung oder Verkürzung der Abschreibungszeit für Investitionen in die Ziele des Green Deals vor. Eine unternehmerorientierte Vorgehensweise mache mehr Sinn als Förderprogramme für Investitionen, ist der Vorstandsvorsitzende überzeugt. Dringend erforderlich seien für die Landwirtschaft zudem ein gutes Mobilfunknetz überall im ländlichen Raum sowie schnelleres Internet.
Parallel dazu müssten die Rahmenbedingungen der EU unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) umgesetzt werden, um Landwirten Stabilität zu geben. Dies sei bislang kaum erfolgt. Nach Auffassung von Lutz hat die deutsche Landwirtschaft in ihrer jetzigen Breite nur dann eine Zukunft, „wenn sie die Masse der Bevölkerung zu günstigen Preisen versorgen kann“. Allerdings fehle es derzeit an Akzeptanz für die Technologien, die das ermöglichten.
Lutz kritisierte in diesem Zusammenhang eine einseitige Diskussion. Seiner Einschätzung nach würde es hierzulande einen Aufschrei geben, wenn China beschlösse, keine Medikamente mehr nach Deutschland zu liefern. Würde das Land dagegen die
Lieferung von Dünger einschränken, weil etwa die Produktion aufgrund steigender Energiekosten zurückgehe, würde dies laut dem BayWa-Chef wahrscheinlich hingenommen. „Die eine Sorte Chemie gilt in den Augen vieler Verbraucher als gut, die andere als schlecht. Wir brauchen aber auch die zweite Sorte, damit Landwirte preisgünstig produzieren können“, gab Lutz zu bedenken.
Wälder weiterhin nachhaltig bewirtschaften
DFWR-Präsident Schirmbeck hob die wichtige Rolle hervor, die der Rohstoff Holz bei der Umsetzung der
Klimaziele der künftigen Bundesregierung spielen werde: „Wir begrüßen, dass dies im Koalitionsvertrag mit der Ankündigung einer Holzbauinitiative und der damit verbundenen Unterstützung regionaler Wertschöpfungsketten zum Ausdruck kommt“, sagte der DFWR-Präsident. In der konkreten Ausgestaltung bedeute dies, „dass
Wälder weiterhin aktiv und nachhaltig bewirtschaftet werden müssen“.
Der Gesetzgeber müsse Rahmenbedingungen schaffen, mit denen die Ziele der Koalitionäre in Einklang mit der gelebten Praxis der Forstbetriebe in Deutschland umsetzbar seien. „Die neue Bundesregierung muss zudem anerkennen, dass Holz ein wichtiger
Energieträger ist, der als Substitut bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen eine große Rolle im Mix des Angebots an Biomasse spielt“, betonte Schirmbeck.
Eine wichtige Aufgabe der neuen Bundesregierung sei es, den Anteil an CO2-Emissionen deutlich zu senken und damit die Ursachen für die Waldschäden der letzten Jahre zu bekämpfen. Der DFWR-Präsident empfiehlt eine Orientierung an wissenschaftlichen Grundlagen, wie sie beispielsweise das jüngste Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats
Waldpolitik (WBW) skizziere.
Perfekte Lösung für Hauseigentümer
Die Initiative Holzwärme begrüßte den politischen Wunsch der Koalitionäre SPD, Grüne und FDP, die erneuerbaren Energien im
Wärmemarkt massiv zu unterstützen. „Wenn ab 2025 wie im Koalitionsvertrag vereinbart, neue Heizungen 65 % erneuerbare Energien nutzen sollen, bietet sich mit der
Holzheizung dafür eine perfekte Lösung für Hauseigentümer“, erklärte der Sprecher der von neun Verbänden und Institutionen aus dem Bereich der Holzenergie und der Holzwärme getragenen Initiative, Andreas Lücke.
Bereits heute entfielen gut 70 % der im Wärmemarkt eingesetzten erneuerbaren Energien auf heimisches Holz. Die Initiative Holzenergie setze sich für eine nachhaltige, saubere und effiziente Verwendung dieses Energieträgers ein. Dafür stelle die deutsche und österreichische Heizungsindustrie Technologien zur Verfügung, die die Holzenergie sauber, effizient und nachhaltig nutzten. Heimische Holzenergie gebe es in Form von Pellets, Scheitholz und Hackschnitzeln.
Laut Lücke handelt es sich hier um Resthölzer. Holz sei ein CO2-freier Energieträger, auf den 5 % des deutschen Endenergieverbrauchs entfielen. Die Holzenergie liege damit annähernd auf dem Niveau der Windkraft.