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19.06.2014 | 13:41 | Welternährung 

Hungerkrisen werfen Schatten auf AU-Gipfel

Malabo / Addis Abeba - Maryan Aden Ali hat kaum noch die Kraft zu sprechen. «In meinem Heimatort Hudur gibt es so gut wie keine Lebensmittel mehr, ebensowenig wie Milch, Wasser und Medikamente», sagt die Somalierin.

Welternährung
(c) proplanta
Sorgen macht sie sich vor allem um ihre sechs Kinder.

«Ich habe gesehen, wie eine Mutter und ihre zwei Kinder hier in der vergangenen Woche verhungert sind - wer weiß, ob meine Kinder und ich nicht die nächsten sind.» Dann bittet sie darum, keine weiteren Fragen zu stellen. Sie fühlt sich zu schwach, um zu antworten.

Maryan lebt im von der Islamistenmiliz Al-Shabaab kontrollierten Süden Somalias, die immer wieder Hilfsgüter blockiert. «Es gibt Anzeichen, dass eine neue Hungerkatastrophe bevorsteht», erklärt der Vizegouverneur der besonders schlimm betroffenen Region Bakool, Hassan Ibrahim Hassan.

«Die Al-Shabaab-Kämpfer tragen eine große Mitschuld, denn sie stellen die Bevölkerung vor die Wahl: Entweder die Leute verhungern oder sie unterstützen die Miliz im Kampf gegen die Truppen der Afrikanischen Union.»

Seit Monaten warnen internationale Hilfsorganisationen vor einer neuen Hungersnot am Horn von Afrika. Nach UN-Schätzungen waren dort zwischen Ende 2010 und Anfang 2012 mindestens 260.000 Menschen verhungert.

«860.000 Menschen leiden bereits jetzt wieder Hunger, darunter sind über 200.000 akut mangelernährte Kinder, und die Lage droht sich weiter zu verschlimmern», warnt der Chef des Berliner Büros des Welternährungsprogramms (WFP), Ralf Südhoff. Und Somalia ist nicht das einzige Land, in dem es an Nahrungsmitteln fehlt.

Wenn die Spitzenpolitiker der Afrikanischen Union (AU) ab kommendem Freitag eine Woche lang zu ihrem Gipfeltreffen in Malabo in Äquatorialguinea zusammenkommen, gibt es also einiges zu besprechen.

Schließlich lautet das Thema «Landwirtschaft und Nahrungssicherheit». Aber wenige Tage vor Beginn des Gipfels stand offenbar nicht einmal eine genaue Agenda fest. Mit konkreten Ergebnissen und Beschlüssen rechnet deshalb kaum jemand.

Gerne stellt die Staatengemeinschaft den Kontinent als neue Wirtschaftsmacht auf der Weltbühne dar. Ein modernes, aufstrebendes Afrika wird präsentiert, ideal für Investoren und innovative Ideen. Das mag in einigen der 54 Staaten auch in absehbarer Zukunft zur Realität werden - aber der Optimismus kann nicht über das fast grenzenlose Leid in anderen Teilen des Kontinents hinwegtäuschen.

Beispiel Südsudan: Seit Dezember versinkt das bitterarme Land nach einem innenpolitischen Machtkampf in ethnisch motivierter Gewalt. «Über 3,7 Millionen Südsudanesen sind von einer Hungersnot bedroht. Viele essen bereits das sogenannte "Hungersnot-Essen", wie Wurzeln und Gras», berichteten Mitarbeiter der humanitären Organisation «Hoffnungszeichen» zuletzt.

Mehr als eine Million Menschen leben als Vertriebene im eigenen Land. Sie haben alles verloren - und nichts, wohin sie zurückkehren könnten. «Unsere Häuser sind zerstört, die Zeit zum Säen auf den Feldern ist verstrichen und die Sicherheitslage bleibt prekär», sagt ein Mann in einem Camp für Binnenvertriebene im Bundesstaat Lakes. «Keiner hier wird in absehbarer Zeit zurückgehen.»

Der Konflikt stürzt derweil auch die Nachbarländer in Verzweiflung: Äthiopien etwa, wo in diesem Jahr Regenfälle ausgeblieben sind, muss mit einem nicht enden wollenden Flüchtlingsstrom fertig werden: «Hier verschlimmert sich die Lage: Allein im letzten halben Jahr sind fast 150.000 Südsudanesen in das Land geflohen», sagt Südhoff.

Ein weiteres Land, dem ein Desaster droht, ist Zentralafrika. Die andauernde Gewalt zwischen Christen und Muslimen bleibe auch dort für die Helfer das größte Problem, so Südhoff: «Fast zwei Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe, doch Lastwagenfahrer und ihre Unternehmen weigern sich aufgrund der Sicherheitslage, Transporte zu übernehmen. Lufttransporte sind nur begrenzt sinnvoll und sehr teuer und es gibt auch für diese Krise kaum Spenden.»

Um allein in Somalia und im Südsudan bis Ende 2014 rund vier Millionen Menschen zu helfen, fehlten dem WFP derzeit mindestens 443 Millionen Euro, rechnet er vor. Ohne diese Mittel werden viele Menschen ihr Leben verlieren.

Was erwarten Experten wie Südhoff also vom Gipfel in Malabo? «Erstens müssen wir jetzt schnell handeln, sowohl die afrikanischen Staaten als auch die Regierungen des Nordens», sagt er. Zweitens müssten die Widerstandskräfte der Menschen selbst gestärkt werden, vor allem durch Investitionen in die Landwirtschaft, den ländlichen Raum und in gute Ernährung. «Nur 13 der afrikanischen Staaten sind bislang ihrem Versprechen nachgekommen, hierfür wenigstens zehn Prozent ihrer nationalen Budgets aufzuwenden.»

Der dritte und wichtigste Punkt bleibe aber, die Hauptursache für Hunger aus dem Weg zu räumen: Krieg und Gewalt. Denn eines haben die betroffenen Länder alle gemeinsam: Eine durch religiöse oder ethnische Konflikte geschwächte Regierung, die die Sicherheitslage nicht unter Kontrolle zu bekommen vermag. Wenn Afrika wirklich zusammenwachsen will, dann muss unbedingt verhindert werden, dass einige Staaten auf dem Weg zurückbleiben. (dpa)
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