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27.08.2013 | 10:32 | Folgen der Agrarindustrialisierung 

Immer weniger Kühe auf den Weiden

Berlin - Immer mehr Milchkühe verschwinden aus Europas Landschaften. Allein in Deutschland kommen laut einer Landwirtschaftszählung aus dem Jahr 2010 nur rund 42 Prozent der Kühe auf die Weide.

Artgemäße Weidehaltung
(c) proplanta
Aktuelle Schätzungen gehen sogar von nur zehn Prozent der knapp 4,2 Millionen Tiere aus. Darunter leiden die Gesundheit und das Wohlergehen der Milchkühe, so die World Society for the Protection of Animals (WSPA).

Obwohl sich dieser Industrialisierungstrend immer weiter fortsetzt, ist er für die Milchbauern finanziell nicht zwangsläufig vorteilhaft. Das zeigt der neue Bericht „Grazing in North West Europe - Economic performance and future developments with emphasis on the Dutch situation” („Weidehaltung in Nordwesteuropa – Wirtschaftlichkeit und Zukunftsperspektiven mit Schwerpunkt auf die niederländische Situation“).

Der Bericht wurde im Auftrag der WSPA von dem LEI-Forschungs-Institut der Universität Wageningen (Research Institute LEI) erstellt. Er untersucht den aktuellen Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Weidehaltung von Milchkühen in sechs nordwesteuropäischen Ländern.

Der Bericht widerlegt die Annahme, dass Milchkuhhaltungssysteme ohne Weidezugang die einzig zukunftsfähige und wirtschaftliche Form der Milchproduktion seien. Es ist daher fraglich, ob Landwirte wirklich zur ganzjährigen Stallhaltung von Milchkühen übergehen müssen, um gewinnbringend wirtschaften zu können.

Dem Bericht zufolge ist die Weidehaltung sowohl heute als auch im Jahr 2025 finanziell rentabel. Dies resultiert zum einen aus den geringeren Fütterungs- und Stallhaltungskosten, wodurch bei der Weidehaltung ein potentiell höherer Gewinn pro Liter Milch entsteht. Zum anderen werden bei der ganzjährigen Stallhaltung für konservierte Futtermittel und Energie weitere Preissteigerungen und -schwankungen vorhergesagt. Demgegenüber bleibt die Weidehaltung gleichermaßen wirtschaftlich und ökonomisch nachhaltig.

Bei der Weidehaltung profitieren sowohl die Gesundheit als auch das Wohlbefinden der Kühe. Denn mit dem Zugang zur Weide haben die Tiere eher die Möglichkeit, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben. Gleichzeitig fällt die Produktionsleistung weidender Kühe tendenziell niedriger aus, was die Gesundheit der Tiere verbessert und ihre Langlebigkeit erhöht.

Dies zeigt, dass der zunehmende Trend zur ganzjährigen Stallhaltung ohne Beweidung vermeidbar ist. Beispielsweise schaffen in den Niederlanden verschiedene Modelle erfolgreich Anreize für die Weidehaltung. Die Förderung erfolgt mithilfe von Industrieprämien, Forschung und Entwicklung zur Steigerung der Grünlanderträge oder mit zielgerichteten staatlichen Maßnahmen.

Der Bericht stellt zudem Informationen über die Kosten, Vorteile und die nötigen Voraussetzungen für eine funktionsfähige Weidehaltung, z.B. mithilfe von Weideprämien, bereit. Weideprämien allein reichen aber nicht aus, um das Verschwinden der Kühe aus unseren Landschaften zu stoppen.

Die wichtigsten Ergebnisse des Berichtes sind:

- Ohne Eingreifen wird die Milchproduktion aus Beweidungssystemen in Nordwesteuropa zurückgehen. Besonders rapide trifft dies auf Dänemark und Nordwestdeutschland und in geringerem Ausmaß auch für die Niederlande und Großbritannien zu.

- Weidehaltung ist für Milchviehbetriebe wirtschaftlich sinnvoll. Große niederländische Betriebe mit Beweidung weisen ein vergleichsweise wesentlich höheres Einkommen als diejenigen Betriebe mit ganzjähriger Stallhaltung auf.

- Um die Weidehaltung in Nordwesteuropa zu erhalten, sollten die Milchindustrie, Regierungen und andere in die Milchproduktion involvierte Interessenvertreter in Bildung, Forschung und technologische Neuerungen speziell für große Weidehaltunsgbetriebe investieren.

- Es gibt mehrere Möglichkeiten Weidehaltungssysteme in Nordwesteuropa zu erhalten und auszuweiten:

    1) Einführung der irischen Vollbeweidungsstrategie mit niedrigen Stallhaltungskosten als saisonale Produktionsart

    2) Ausweitung und Optimierung der Frischgrasfütterung in Systemen mit beschränkter Weidehaltung

    3) Zur Verbesserung von Tiergesundheit und -wohlbefinden sollen Kühe auch in Haltungssystemen ohne Beweidung Grünlandzugang haben.

WSPA-Geschäftsführer Mike Baker sagt: “Der Bericht zeigt, dass Landwirte eine Wahl haben. Die bisher weitverbreitete Annahme der Milchindustrie, große Milchkuhfabriken seien der einzige zukunftsweisende Produktionsweg, wird damit widerlegt. Regierungen und Milchindustrie sind daher gefragt, die Weidehaltungssysteme beizubehalten und auszuweiten.

Angesichts der weiterhin steigenden Kosten für Energie und Futtermittelerzeugung ist die Weidehaltung das wahrscheinlich profitabelste Zukunftsmodell in der Milchproduktion. Weidehaltungssysteme sind vorteilhaft für die Landwirte und für das Wohlbefinden der Milchkühe. Die Politik muss die Landwirte darin unterstützen, ihre Kühe auf die Weide zu bringen und somit sicherzustellen, dass der traditionelle Anblick von weidenden Kühen nicht bald der Vergangenheit angehört.” (wspa)
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