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21.01.2022 | 01:28 | Zuckerbrot und Peitsche 

Impfpflicht und Impf-Lotterie in Österreich beschlossen

Wien - Mit einer umfassenden Impfpflicht will sich Österreich gegen künftige Corona-Wellen wappnen. Das Parlament segnete den in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Schritt am Donnerstag mit breiter Mehrheit ab.

Impfpflicht Österreich
Lange Zeit wurde sie ausgeschlossen, jetzt kommt sie doch - die allgemeine Corona-Impfpflicht in Österreich. Das Land geht in der EU damit so weit wie bisher kein anderes Mitglied. Der Erfolg der Maßnahme ist ungewiss. (c) Tobilander - fotolia.com
Österreichs Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) verteidigte die Impfpflicht als Akt der Solidarität. «Je mehr Menschen eine Corona-Schutzimpfung haben, desto weniger sterben an den Folgen einer Corona-Pandemie», sagte der Minister am Donnerstag im Parlament. Bis auf die rechte FPÖ trägt die Opposition die Maßnahme mit. Der Schritt ist die bisher weitreichendste Regelung in der EU. Italien und Griechenland haben eine Impfpflicht lediglich für ältere Menschen.

Die Regierung agiert mit Zuckerbrot und Peitsche. Denn mit der Impfpflicht wurde auch ein milliardenschweres Paket von Anreizen verabschiedet. Eine Impf-Lotterie soll die Bereitschaft zur Immunisierung steigern. Laut Regierung sind pro Teilimpfung 500 Euro zu gewinnen, die als Gutscheine in der Gastronomie oder im Handel eingelöst werden können.

Teilnehmen können nicht nur Spätentschlossene, sondern auch jene, die schon geschützt sind. Rund jeder zehnte Stich soll so belohnt werden. Für Gemeinden mit einer Impfquote von 80 Prozent werden insgesamt 75 Millionen Euro ausgeschüttet, bei 85 Prozent 150 Millionen, und bei 90 Prozent 300 Millionen Euro. In Summe stünden bis zu 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung, sagte Kanzler Karl Nehammer von der konservativen ÖVP.

Die Impfpflicht soll für alle Bürger gelten, die mindestens 18 Jahre alt sind. Ausnahmen sind vorgesehen für Schwangere sowie alle, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen dürfen. Auch Genesene sind bis 180 Tage nach der Erkrankung von der Impfpflicht befreit. Bei Verstößen gegen die Verpflichtung drohen einkommensabhängige Strafen von bis zu 3.600 Euro. Der Bundesrat, also die Länderkammer, muss dem Gesetz voraussichtlich am 3. Februar ebenfalls noch zustimmen - das gilt aber als Formsache.

Auch die Chefin der oppositionellen Sozialdemokraten stellte sich hinter den Plan. «Die Impfung rettet Leben, das eigene und das Leben anderer», sagte die SPÖ-Vorsitzende und Epidemiologin Pamela Rendi-Wagner. Die liberalen Neos forderten einen Fahrplan für die Aufhebung der Freiheitsbeschränkungen. Die rechte FPÖ ist als einzige Parlamentspartei gegen den Schritt. «Die Einführung dieses Zwangs ist ein gigantischer Anschlag auf die Freiheit der Menschen in Österreich, ein Attentat auf die Menschenwürde der Bevölkerung», sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl.

Das Gesetz soll in mehreren Stufen umgesetzt werden. Erst ab Mitte März sind stichprobenartige Kontrollen durch die Behörden vorgesehen. So soll zum Beispiel die Polizei bei ihren Einsätzen auch den Impfstatus überprüfen. Vonseiten der Polizeigewerkschaft gab es wegen dieser zusätzlichen Aufgabe auch Kritik. Die ursprünglich geplante lückenlose Kontrolle durch einen Abgleich des Melderegisters mit dem Impfregister ist nur noch als Möglichkeit vorgesehen. Diese Maßnahme soll davon abhängig gemacht werden, ob die Impfquote wie erhofft deutlich steigt.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) bezeichnete eine Quote von 85 bis 90 Prozent unter der impfbaren Bevölkerung ab fünf Jahren als Ziel. Aktuell liegt sie bei rund 75 Prozent. Die Impfquote der Gesamtbevölkerung liegt bei 72 Prozent.

Die Regierung aus ÖVP und Grünen hatte eine Impfpflicht lange ausgeschlossen. Ein Strategiewechsel erfolgte im November 2021 in der vierten Corona-Welle. Der damals erneut verhängte dreiwöchige Lockdown soll die letzte Ausgangsbeschränkung gewesen sein, so die Hoffnung.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf wurde auch unter dem Eindruck einer Rekordzahl von Stellungnahmen in seinem Charakter noch wesentlich geändert. Statt von einem Automatismus sei das Gesetz nun von Flexibilität geprägt, hieß es jüngst bei einer Parlamentsanhörung.

«Ich kann mich kaum an ein Gesetz erinnern, das derart aufwendig vorbereitet wurde», sagte der Verfassungsjurist Heinz Mayer der Deutschen Presse-Agentur. Die bis Mitte März geltende Frist, die Impfung straffrei nachholen zu können, sei angemessen.

Flexibel sei der Gesundheitsminister auch beim Kreis der zugelassenen Impfstoffe, deren Auswahl nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgen könne. Zwar würden Impfgegner wohl zig Tausende von Verfahren anstrengen, aber sie müssten dies jeweils gut begründen. «Zu sagen, «Ich lasse mich nicht impfen, das Gesetz ist verfassungswidrig», das reicht nicht», so Mayer.

Auch auf europäischer Ebene seien im Streitfall die juristischen Aussichten gut. «Die Chancen sind intakt, dass es vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hält», sagte Mayer.

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dpa
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