Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
16.03.2020 | 14:50 | Coronakrise 

Katastrophenfall: Bayern mobilisiert alle Kräfte gegen Corona

München - In ganz Bayern gilt seit Montag der Katastrophenfall für den Kampf gegen das Coronavirus. «Es geht um Zeit, schlicht und einfach Zeit», sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in München.

Coronakrise Katastrophenfall Bayern
Bild vergrößern
Die Corona-Krise in Bayern droht außer Kontrolle zu geraten. Um die Ausbreitung auszubremsen, muss der Freistaat weitgehend lahmgelegt werden. Die Regierung müht sich um ein klares Krisenmanagement. (c) proplanta
Um schnelle Entscheidungen treffen zu können, müssten Diskussionsabstimmungen verkürzt werden. Der Katastrophenfall gebe der Staatsregierung umfangreiche Steuerungs-, Eingriffs- und Durchgriffsmöglichkeiten. Bei der Ansteckungsgeschwindigkeit müsse Zeit gewonnen werden, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.

Als Grund für die Ausrufung nannte Söder die Tatsache, dass im Land die Infektionsketten nicht mehr nachvollzogen werden könnten. «Das heißt, es beginnt eine exponentielle Entwicklung.» Um die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 wieder zu verlangsamen, müssten soziale Kontakte weitmöglichst gemieden und das öffentliche Leben verlangsamt werden. «Klar ist, es werden Menschen sterben.»

Die Zahl der Coronavirus-Infizierten in Bayern hat derweil die 1.000er-Marke überschritten. Am Sonntag waren es 886 Menschen, bis Montagmittag registrierten die Behörden 1.067 bestätigte Infektionen in Bayern. Wenn es in diesem Tempo weitergehe, könne es sein, dass es am Wochenende mehrere Tausend Infizierte im Land gebe. Bis Montagmittag starben landesweit vier ältere Menschen an Covid-19.

Angesichts der steigenden Fallzahlen bereitet sich Bayern auf einen medizinischen Ausnahmezustand vor. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) betonte, dass es zur medizinischen Versorgung rund 4.000 Intensivbetten in Bayern gebe. In der Regel seien diese zu 80 Prozent ausgelastet. Die Krankenhäuser seien aufgerufen, alle Kapazitäten - aber auch ihre technische Ausstattung etwa mit Beatmungsgeräten - zu melden. Ältere Ärzte sollen rekrutiert werden. Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) rief zudem Medizinstudenten zum freiwilligen Einsatz in der Corona-Krise auf.

«Gerade im medizinischen Bereich werden wir in den kommenden Wochen jede Unterstützung brauchen können, um unsere Bevölkerung zu beraten und zu schützen sowie bereits infizierte Erkrankte bestmöglich zu versorgen.» Im Bedarfsfall sei auch denkbar, dass etwa in Messehallen Sonderkliniken errichtet würden. Um die Kapazitäten zu steigern, könnten auch Abteilungen von Kliniken für Corona-Patienten zusammengelegt werden.

Zum Schutz der Wirtschaft vor den nicht ansatzweise absehbaren Folgen der Corona-Krise stellt Bayern ab sofort auch ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro bereit. «Die Lage ist sehr ernst und verändert sich täglich, leider nicht zum Guten», betonte Söder.

Um die Geldmittel bereitstellen zu können, soll die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für zunächst ein Jahr außer Kraft gesetzt werden. Schon am Donnerstag wird sich der Landtag mit dem Thema befassen. Längst sei klar, dass die Folgen der Corona-Pandemie größer seien, als bei der Finanzkrise. Unternehmen drohten massivste Umsatzeinbußen, dem Staat gingen Steuereinnahmen verloren.

Der Zehn-Milliarden-Euro-Schutzschirm soll der Wirtschaft unter anderem spezielle Bürgschaftsrahmen und finanzielle Soforthilfen von 5.000 bis 30.000 Euro ermöglichen. «Wir werden keinen hängen lassen», sagte Söder. Priorität habe der Erhalt der Liquidität von Unternehmen und auch von Kulturschaffenden. Um Unternehmen mehr Spielräume zu geben, seien auch Steuerstundungen möglich.

Unabhängig vom Katastrophenfall sind seit diesem Montag schon alle Schulen und Kindergärten im Freistaat geschlossen. Darüber hinaus weitet der Freistaat in dieser Woche die Beschränkungen weiter aus.

Ab Dienstag werden Bars, Kinos, Gaststätten und Schwimmbäder geschlossen, auch Sportplätze und Spielplätze sollen gesperrt werden. Ab Mittwoch gilt das auch für ausgewählte Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung notwendig sind. Speiselokale und Betriebskantinen sollen nur noch von 6.00 bis 15.00 Uhr und mit größeren Sitzabständen öffnen. Anschließend seien aber durchaus noch Auslieferungen möglich.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, dass nach dem Infektionsschutzgesetz bei Verstößen gegen die Ladenöffnungszeiten «Geldbußen, Geldstrafen und auch Freiheitsstrafen» möglich seien. Um die Grundversorgung mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Produkten sicherzustellen, weitet Bayern aber die Ladenöffnungszeiten für bestimmte Geschäfte aus: Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Tankstellen, Banken und einige weitere Geschäfte dürfen unter der Woche nun bis 22.00 Uhr öffnen und auch sonntags geöffnet haben, dann bis 18.00 Uhr.

Anders als in anderen Ländern soll es wegen des Coronavirus in Bayern zunächst keine Ausgangssperren geben. Söder appellierte aber an alle Bürger, sich genau zu überlegen, welche Orte man besuchen wolle. «Ich kann nicht versprechen, dass es die letzten Maßnahmen sind», so der Ministerpräsident. Zugleich betonte er, dass niemand sagen könne, ob die Maßnahmen am Ende den gewünschten Erfolg bringen würden. «Es gibt keine Blaupause, wie es funktionieren kann. (...) Es kann auch noch sehr schlimm werden, aber wir geben uns Mühe.»

Die Reaktionen auf die Maßnahmen waren überwiegend positiv - einzig die Gewerkschaft Verdi kritisierte die verlängerten Öffnungszeiten in Lebensmittelgeschäften und Drogerien. «Die extremen Belastungen zehren an der Gesundheit und am Immunsystem der Beschäftigten, was sie zusätzlich angreifbar macht für eine Ansteckung durch den Coronavirus», hieß es in einer Mitteilung. Dagegen lobten etwa Wirtschaftsverbände, Pfleger-Vereinigung und die SPD die Maßnahmen.
dpa/lby
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Experten überprüfen Corona-Maßnahmen - Empfehlungen für die Zukunft

 Kritik an Söders China-Reise - «Krachend gescheitert

 Zahl der Feldhasen in Bayern stabil - Naturschützer warnen

 Jede fünfte private Waffe in Deutschland ist in Bayern

  Kommentierte Artikel

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken

 Entwaldungsfreie Lieferketten: EU-Kommission zur Klärung aufgefordert

 Bund Naturschutz: Kein kategorisches Nein mehr zum Wolfsabschuss

 Nach Atomausstieg boomen erneuerbare Energien in Niedersachsen