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15.06.2013 | 15:16 | Genpatente 

Keine Patente auf menschliche Gene

Washington / Berlin - Nach dem Verbot von Patenten auf menschliche Gene in den USA ist der große Jubel der Patent-Kritiker ausgeblieben. Die Reaktionen blieben gespalten.

Genanalyse
(c) proplanta
So begrüßte das Genom-Zentrum in New York das Urteil des Obersten US-Gerichtshofs, weil es faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffe. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit genetischen Informationen sei nun besser möglich.

In Deutschland wertete Gentechnik-Experte Christoph Then die Entscheidung allerdings nicht als Durchbruch. «Die Hintertür ist sehr groß», sagte der Geschäftsführer des Vereins Testbiotech, der Genpatente kritisch beleuchtet. Weder das Europäische Patentamt noch Pharmafirmen sahen eine sofortige Wirkung auf Europa.

Die neun Richter des Obersten Gerichtshofs in Washington hatten am Donnerstag einstimmig geurteilt, dass sich Unternehmen menschliche Gene nicht mehr patentieren lassen dürfen. Das Verbot gelte aber nicht für künstlich hergestelltes Genmaterial, schränkte das Gericht ein. Das Urteil wurde von Experten daher als Kompromiss für die Biotechnik-Industrie gewertet. Die wirtschaftlichen Folgen sind noch unklar.

Der Fall drehte sich darum, dass die US-Firma Myriad Genetics Patente für zwei isolierte Brustkrebs-Gene erhalten hatte, die zur Einschätzung des genetisch bedingten Brustkrebsrisikos helfen sollen. Die Firma brachte daraufhin entsprechende Tests exklusiv auf den Markt.

Verschiedene Organisationen klagten gegen die Patenterteilungen auf die Brustkrebs-Gene. Die Tests seien zu teuer, monierten Kritiker außerdem.

Schlagzeilen machten die Verfahren auch, weil sie US-Schauspielerin Angelina Jolie darin bestärkt haben sollen, sich ihre Brüste amputieren und künstlich wieder aufbauen zu lassen. Bei Jolie waren mutierte Brustkrebs-Gene nachgewiesen wurden, das Erkrankungsrisiko habe bei über 80 Prozent gelegen, sagt die Schauspielerin in Interviews.

Deutsche Kritiker wie Then gehen davon aus, dass der Urteilsspruch an der Monopolstellung von US-Unternehmen nicht viel ändern wird. Künstliche Gene, die in den USA nach wie vor patentierbar sind, könnten relativ leicht aus natürlicher DNA hergestellt werden, sagte er.

«Durch diesen patentrechtlichen Trick wird sich wahrscheinlich wenig an der wirtschaftlichen Verwertung menschlicher DNA ändern.» Then sieht in der synthetischen Herstellung menschlicher Gene keine «große Erfindung», die ein Patent rechtfertigten. «Das sind standardbiologische Verfahren».

Nach Ansicht des Europäischen Patentamts hat das US-Urteil keinen sofortigen Einfluss auf Regelungen in Europa. Patente auf menschliche Gene seien hier unter genau definierten und eingeschränkten Bedingungen möglich, sagte Sprecher Oswald Schröder am Freitag. Es gebe eine bewährte gesetzliche Grundlage. Neue Regelungen müssten von EU-Gremien wie der Kommission, der Ratspräsidentschaft und dem Parlament angestoßen werden.

Auch der deutsche Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) blieb am Freitag gelassen. «Das Urteil zur Patentierung menschlicher Gene betrifft gentechnisch hergestellte Medikamente nicht», sagte Siegfried Throm, vfa-Geschäftsführer für Forschung, Entwicklung und Innovation. Zu deren Herstellung würden zwar oft Gene verwendet, die ein Vorbild in einem menschlichen Gen haben. Aber diese Gene seien gegenüber der Natur planmäßig verändert.

«Erst die Erfindung solcher Veränderungen hat die Herstellung der Medikamente möglich gemacht», ergänzte Throm. Das aktuelle Urteil befasse sich hingegen mit natürlichen menschlichen Genen.

Nicht ganz so locker könnte die US-Firma Myriad die Entscheidung des Gerichts nehmen. Der Kurs der Aktien fiel am Freitag um 16 Prozent. Nur wenige Stunden nach dem Urteil verkündete ein Unternehmen, dass es den Brustkrebs-Gen-Test in den USA für 995 Dollar (etwa 745 Euro) anbieten werde. Myriad hatte für sein Produkt 3.000 Dollar verlangt.

In Deutschland ist die Diskussion, wie mit den Ergebnissen von Genanalysen umgegangen werden soll, in vollem Gang. Der medizinische Schatz kann auch Probleme mit sich bringen.

Die Medizin schwärmt zwar von den Möglichkeiten, die eine Entschlüsselung menschlichen Erbguts für die Therapien von Krankheiten bedeuten kann. Auf der anderen Seite legt dieses Verfahren jede Menge Informationen über einen Menschen offen. Wie geht man damit um? Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen haben in dieser Woche Richtlinien dazu vorgeschlagen.

Ihr Kodex reicht bis hin zu Formularen. Auf ihnen könnten Patienten ankreuzen, welche Risiken sie wissen wollen - und welche nicht. Denn ein mutiertes Gen muss nicht unbedingt heißen, dass eine Krankheit auch ausbricht. (dpa)
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