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02.02.2023 | 09:20 | Treibhausgas-Einsparungen 

Klimaschutzgesetz in Baden-Württemberg erhält grünes Licht

Stuttgart - Nach langem Ringen hat der Landtag in Stuttgart mit den Stimmen der grün-schwarzen Koalition das neue Klimaschutzgesetz beschlossen.

Klimaschutzmaßnahmen
Innerhalb von sieben Jahren soll der Ausstoß von klimaschädlichen Kohlendioxid kräftig gesenkt werden. Das heißt unter anderem: mehr E-Autos, weniger Fleisch und mehr Windräder. Und vor allem mehr Tempo. Ein Gesetz soll wegweisend sein. Wenn es eingehalten wird. (c) proplanta
Damit ist Baden-Württemberg das erste Bundesland, das konkrete Ziele für die Einsparung von Treibhausgasen etwa im Verkehr, bei Gebäuden und in der Wirtschaft gesetzlich verankert.

Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und bis 2040 klimaneutral zu werden - fünf Jahre früher, als es der Bund für Deutschland beschlossen hat. Es dürften dann nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie wieder gebunden werden können.

«Die Ziele, die wir uns vorgenommen haben, sind sehr ambitioniert. Wir haben eine riesengroße Herausforderung vor uns», sagte Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) am Mittwoch im Landtag. «Das hier ist heute nicht ein Schlusspunkt. Das ist ein weiterer Meilenstein.»

Die Novelle greift in mehr als zwei Dutzend weitere Gesetze und Vorschriften ein. Es werden unter anderem sogenannte Sektorenziele beschlossen - also konkrete Vorgaben für Bereiche wie Landwirtschaft, Straßenbau und Gebäude, um den CO2-Ausstoß zu senken. Für die Fortschritte sollen die jeweiligen Ministerien zuständig sein. Ein Klimasachverständigenrat soll jährlich überprüfen und bewerten, was die Ressorts vorlegen. Er kann auch eigene Vorschläge einbringen.

In einem zentralen, den Abgeordneten aber noch nicht vorliegenden Register soll geregelt werden, welche Maßnahmen die Ministerien ergreifen müssen, um ihre selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen.

Die grün-schwarze Koalition hatte sich erst Anfang der Woche darauf verständigt. Die FDP will rechtliche Schritte prüfen, weil die Abgeordneten vor der Abstimmung nicht ausreichend informiert worden seien und die geschätzten Kosten nicht transparent seien.

«Das Parlament kauft quasi die Katze im Sack», sagte der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Karrais. Die Regierung breche ein Gesetz mit weitreichenden Folgen und Kosten übers Knie.

Entsprechend den Vorgaben des Bundes sollen laut Gesetz zudem 1,8 Prozent der Landesflächen für den Ausbau der Windenergie bereitgestellt werden. Mindestens 0,2 Prozent sieht das Land für Freiflächen-Photovoltaik (PV) vor.

Vorgesehen ist auch eine PV-Pflicht auf Neubauten und bei grundlegenden Dachsanierungen, außerdem beim Neubau von größeren offenen Parkplätzen. Gebäude in Landesbesitz müssen ab 2030 über Solaranlagen verfügen. Außerdem wird bei Baumaßnahmen, Anschaffungen und Dienstleistungsaufträgen des Landes künftig ein fiktiver Preis für Treibhausgas-Emissionen eingerechnet. Dadurch soll die Wahrscheinlichkeit sinken, dass bei Ausschreibungen besonders klimaschädliche Angebote die günstigsten sind.

Es wird zudem einen sogenannten Klimavorbehalt geben. Er besagt, dass neue Förderprogramme des Landes daraufhin überprüft werden, ob sie klimaschädlich sind. Von 2040 an soll es dann nur noch klimafreundliche Förderprogramme geben. Das bedeutet zum Beispiel, dass Umbaumaßnahmen in Schulen nur noch dann vom Land finanziell unterstützt werden, wenn diese nicht dem Klima schaden. Eine neue Ölheizung wäre demnach nicht mehr förderfähig.

Aus Sicht von Klimaverbänden und Opposition reichen die Maßnahmen aber nicht aus. «Das Gesetz geht in die richtige Richtung, aber es fehlen Instrumente, die zur Umsetzung anregen», sagte die SPD-Abgeordnete Gabriele Rolland. Auch die Vorgabe für die Photovoltaik sei «bei weitem nicht ausreichend». Das Klima-Maßnahmen-Register müsse zudem erst noch mit Inhalt gefüllt werden.

Auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kritisierte, es blieben «mehr Fragen offen als beantwortet werden». Das Gesetz nannte er Teil einer «wirkungslosen Ankündigungs- und Schaufensterpolitik von Grün-Schwarz».

Kritik kommt auch aus der Wirtschaft. Verbindliche Klimaschutzziele auf Landesebene seien kontraproduktiv und wettbewerbsverzerrend, monierten die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände. «Es ist bereits extrem schwierig, globale Treibhausgas-Minderungsziele auf die EU und - erst recht - dann noch auf die Mitgliedstaaten zu verteilen», sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), Peer-Michael Dick. «Eine noch kleinteiligere Betrachtung grenzt aus unserer Sicht fast schon an Willkür.» 

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) lobte das Gesetz, kritisierte aber, dass die Ziele nicht einklagbar seien. «Auch das beste Gesetz und die ambitioniertesten Ziele sind nicht viel wert, wenn man für die Nicht-Erreichung am Ende nicht geradestehen will», sagte der Nabu-Landeschef Johannes Enssle.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz zeigte sich zufrieden, aber auch skeptisch: «Die Festlegung von Sektorzielen ist gut und sinnvoll», sagte die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch. «Aber wir sehen bereits auf Bundesebene, dass in der Realität oft Entscheidungen getroffen werden, die nicht im Einklang mit diesen Zielen stehen.»
dpa/lsw
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