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07.08.2019 | 10:03 | Klimaschutz-Debatte 
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Kretschmann: Rumzumoralisieren ist nicht Aufgabe der Politik

Stuttgart - Die Politik darf den Menschen aus Sicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht die persönliche Lebensführung vorschreiben - auch nicht für den Klimaschutz.

Winfried Kretschmann
Dicke Autos? Vegane Kost? Billigflüge? Grünen-Ministerpräsident Kretschmann warnt davor, den Menschen zu viel zu verbieten. (c) proplanta
«Ich halt von dieser ganzen Moralisiererei wenig», sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur etwa mit Blick auf die aktuelle Debatte über Flugscham. «Rumzumoralisieren ist Aufgabe von Eltern, von Erziehern, von Kirchen, von Philosophen, von der Gesellschaft überhaupt - aber nicht von der Politik.» Die Politik müsse den Leuten nicht sagen, was sie essen dürfen und was nicht und wie sie sich fortbewegen. «Das ist Bestandteil der persönlichen Lebensführung.»

Kretschmann hält in dem Zusammenhang auch wenig von einem Verbot innerdeutscher Flüge. «Kurzflüge von Stuttgart nach Frankfurt oder München sind Unsinn, aber auf Flüge nach Berlin kann ich aus Zeitgründen nicht verzichten», sagte er. Er halte nicht viel von dieser Debatte. «Wir müssen einen anderen Weg gehen und attraktive Alternativen anbieten.» So müsse man an technischen Lösungen arbeiten, etwa Flugzeuge mit synthetischen Kraftstoffen zu betanken, um der Umwelt nicht zu schaden. Zusätzlich müssten eine Kerosinsteuer eingeführt und attraktive Alternativen wie Schnellbahntrassen entwickelt werden.

Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen, Inlandsflüge gelten daher inzwischen als Klimasünde ersten Ranges. Oftmals gibt es umweltfreundliche Alternativen, etwa die Bahn. 2018 flogen laut Statistischem Bundesamt 23,5 Millionen Passagiere im Inland. Das Umweltbundesamt schätzt die dabei verursachten Treibhausemissionen auf rund 2 Millionen Tonnen CO2 - das ist allerdings nur ein Bruchteil der rund 163 Millionen Tonnen, die insgesamt dem Verkehrssektor zugerechnet werden. Im Gegensatz zu den internationalen Verbindungen stagniert die Nachfrage aber seit Jahren.

Der Klimaschutz als politisches Thema werde nicht mehr verschwinden, sagte Kretschmann. «Im Gegenteil: Der wird sich verstärken.» Politik müsse vor allem praktikable Lösungen bieten statt zu moralisieren.

«Wenn meine Politik dazu führt, dass Leute wie Trump regieren, habe ich was falsch gemacht», sagte Kretschmann. Es dürfe aber nicht belohnt werden, wenn man sich umweltschädlich verhält. «Deshalb reden wir über eine CO2-Bepreisung und nicht darüber, ob man fliegen darf.»

Dass eine junge Bewegung moralisch auftrete, sei aber nicht zu kritisieren, sagte Kretschmann mit Blick auf die Klima-Aktivisten von «Fridays for Future». Auch die Grünen seien zu Beginn eine moralische Bewegung gewesen. Es sei aber nicht Aufgabe der Politik, die persönliche Lebensführung der Menschen zu bestimmen, sagte Kretschmann. Die Politik müsse allerdings die Dinge so ordnen, dass umweltschädliches Verhalten teuer und im Extremfall auch verboten werde.

Kretschmann räumte ein, es könne zum Problem werden, dass eine Regierung, eine Partei oder ein Politiker Erwartungen nicht in Gänze erfülle. «Damit lebe ich jeden Tag», sagte Kretschmann. «Manchmal muss man erklären, warum etwas nicht geht, warum wir das nicht bezahlen können, warum es rechtlich nicht geht, warum es so schnell nicht geht und warum man dazu Mehrheiten braucht.» An den Grünen sei eine ambitioniertere Klimapolitik aber noch nie gescheitert.

Der Erfolg der Grünen habe aber mit dem Klima-Thema einen handfesten Grund. «Man wird sehen, ob die Menschen erkennen, dass der Klimawandel die zentrale Menschheitsfrage des 21. Jahrhunderts ist. Ich bin da zuversichtlich.»
dpa/lsw
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Kommentare 
Gast schrieb am 08.08.2019 11:15 Uhrzustimmen(2) widersprechen(2)
Hier irrt der Herr aber gewaltig und diese Arroganz ist beschämend!! Gerade die Politik ist in die Pflicht genommen und trägt Verantwortung für zukünftige Generationen. Das ist auch keine Panikmache, auch unbequeme Wahrheiten sind Wahrheiten. Viel zu lange wurde auf der ganzen Erde Schindluder und Raubbau mit der Natur getrieben, dass muss aufhöhen. Und da ist auch jede einzelne Person gefragt, jeder nimmt etwas mehr Rücksicht, etwas mehr "wir", etwas weniger "ich", das ist kein Moralisieren sondern Ehrensache für jeden, so sollte es zumindest sein.
Smiling Boy schrieb am 07.08.2019 10:46 Uhrzustimmen(9) widersprechen(2)
Der Klimaschutz als politisches Thema werde nicht mehr verschwinden, sagte Kretschmann. «Im Gegenteil: Der wird sich verstärken.»

Dem stimme ich zu. Verschwinden wird er erst dann, wenn sich die Menschheit selber ausgerottet hat.
agricola pro agricolas schrieb am 07.08.2019 10:46 Uhrzustimmen(12) widersprechen(2)
Werter Herr Kretzschmann, Ihr obig relativierend abschätzig bewertendes „Rummoralisieren“, der stocksteif von vor allen Dingen seitens Ihrer Parteikollegen unübersehbar erhobene Zeigefinger, welcher aus parteitaktischen Gründen auch anderweitig mittlerweile immer mehr Nachahmer erzeugt -gerade und im Besonderen gegenüber den heute noch überlebenswillig ackernden Landwirten- findet durchaus ehrliche Aufmerksamkeit in Reihen des deutschen Bauernklientels, das seitens der Politik gegenwärtig ganzheitlich für jedermann, jederzeit, glasklar einsehbar zwischenzeitlich dauerverhaftet auf der gesellschaftlichen Anklagebank Platz genommen hat.

Mit Ihrer Einsparpolitik sofort parallel verflechtend auftretende negative Konsequenzen -hervorzuheben hier die überarbeitete DüVO wie auch eine Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes im konventionellen Bereich- sind nur schwerlich von der Hand zu weisen. Zunächst verschmerzbar; das Fatale hieran aber ist, dass eben diese spürbaren Folgeerscheinungen ausschließlich die Bauern erreichen. Die vorgelagerte Agrarindustrie kompensiert dahingehend in fortwährenden Preissteigerungen für unsere Produktionsmittel, die nachgelagerte Agrarindustrie der Lebensmittelverarbeitung mit Ihrer bestens geölten, ganzjährig im Dauerbetrieb befindlichen Erzeugerpreis-Abwärtsspirale.

Mit Verlaub, dieses seitens der Politik aufoktroyierte Spardiktat unter dem Deckmantel einer ökologischen Nachhaltigkeit zur kurz- bis mittelfristigen Erreichung äußerst hehrer Zielsetzungen lässt sämtliche Protagonisten der Agrarindustrie ungebremst, vollkommen unbeschadet den Knüppel feudalherrschaftlich über den Köpfen des gemeinen Bauernvolkes schmerzhaft tanzen.

Ein aktuelles Beispiel: Erst gestern berichtete top agrar online über das Aufkommen von Mutterkorn in der heurigen Getreideernte. Es handelt sich hierbei um die Heimsuchung einer biblischen Plage, gegen die sich die Bauern nur schwerlich schützen können, es ist dagegen schlichtweg kein Kraut gewachsen. Kollegen berichteten sogar, dass sie deshalb an den Gossen zu schlimmsten Übeltätern seitens ihrer Genossenschaften (die Genossenschaftsidee - das „geadelte“ immaterielle Weltkulturerbe) degradiert wurden und sprichwörtlich wie „räudige Hunde“ (grausame Wortwahl, ich weiß, widerspiegelt diese Demütigung aber am ehesten) einfach vom Hof gejagt wurden, ohne ihre Ware andienen zu können. - Ja, es bedarf sicherlich mehr Reinigungsaufwand, das wohl, mit modernster Technik aber, die sicherlich verfügbar ist an dem erst in diesem Vegetationsverlauf eröffneten supermodernen Lagerhaus allerdings kein unlösbares Problem darstellte. Randnotiz: Ein genossenschaftlicherseits getätigtes Millionen-Invest, für das im übrigen auch diese jetzt verpönten Genossen mitlatzen durften. - Definiert man SO(!) die grandiose Leistungsfähigkeit, die gerne aus diesen Manageretagen medial selbstbeweihräuchernd publiziert wird!?

Der aktuelle Genossenschaftsgedanke ist leider meilenweit davon entfernt, eine WIN-WIN-Situation für alle Beteiligten überhaupt noch zulassen zu wollen; zu eindeutig sind hier mittlerweile die wahren Präferenzen ersichtlich.

Werter Herr Ministerpräsident Kretzschmann, die Agrarindustrie WILL ALSO NICHT, SO WIE SIE(!) ES GERNE HÄTTEN u. keiner kapiert genau das!!!

Eben jene Kanäle, über die solche „minderwertigeren“ Erzeugnisse alternativ problemlos zur thermischen oder energetischen Verwertung hätten abfließen können, hat man in den Hinterzimmern systematisch mit stählernem Willen schlichtweg dicht gemacht und damit die Bauern in eine beängstigende Wehrlosigkeit gegenüber den weit geöffneten Schlunden unserer vielzähligen Dagobert Ducks versetzt, wo man schon berechtigt von einer sichtbar grandiosen Schande innerhalb eines freiheitlich demokratischen Systems, wie es hier in Deutschland vorherrscht, sprechen muss. Es gibt sie tatsächlich, diese Sklaven der Wohlstands-Neuzeit; über die man hinter vorgehaltener Hand auch noch als „vorzeigbar glorreich freie UNTERNEHMER“ witzelt.

„Was auch immer für ein Ende mir das Schicksal bestimmt hat, ich werde es ertragen.“ - Soll das zum Wahlspruch für die deutschen Bauern werden? - Schämt euch; ALLE!!!

Mehr Öko-Landbau soll es demnach richten, zu welchen künftigen Erzeugerpreisen, auch für diese BIO-Bauern? Dies ist ohnedies schon ausgerufen; das bayerische Volksbegehren peilt die 30-Prozent-Marke an, das Ländle unserer Käpsele toppt hier mit sogar verpflichtenden 50%. - Werter Herr Kretzschmann, Papier ist geduldig, KI juckt es nicht im geringsten, wenn die menschliche Intelligenz dabei gänzlich versagt. Haben Ihre Agrarexperten Ihnen bereits vertrauensvoll ins Ohr geflüstert, was an Pilzbelastung so alles als Damoklesschwert über der diesjährigen Bioware bedrohlich kreiste? Für die Biobauern war der übereifrig aktive Helios vor Erntebeginn wahrlich ein Geschenk des Himmels! Diese kaum vermeidbaren Probleme werden sich bei den agrarpolitisch favorisierten Zuwächsen im Ökolandbau künftig noch weitaus dramatischer verschärfen.

Als konventioneller Ackerbauer war es für mich bislang unbedenkbar, ungeniert die Frage in den Raum stellen zu wollen, wer künftig die konventionellen Betriebe vor dem Öko-Landbau zu schützen gedenkt, will man eine durchgängige Versorgungssicherheit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

„Der Klimawandel ist unübersehbar - Gegenmaßnahmen tun dringend not - aber bitte“, hochverehrter Herr Kretzschmann, „ich erachte Sie durchaus als geradlinigen, mit Sachverstand ausgestatteten Politiker, verlieren Sie sich nicht in grandios oberflächlichen Betrachtungsweisen; gehen Sie den Dingen endlich angemessen kritisch hinterfragend auf den Grund, damit Deutschland nicht zusehends seine Bauern verliert. Letztere sind zwar zumeist einfach gestrickt, jedoch die weitaus verlässlicheren Partner in Fragen der Nahrungsmittelversorgung an Ihrer Seite, als es ein Ich-Donald, Putin & Co. jemals sein könnten!“
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