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24.06.2008 | 23:01 | Krisenfolge 

Kühle Isländer erwärmen sich immer mehr für EU-Beitritt

Reykjavik - Islands Außenministerin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir liegt voll im heimischen Trend, wenn sie mit kühlem Kalkül für den EU-Beitritt ihres Landes wirbt.

Kühle Isländer erwärmen sich immer mehr für EU-Beitritt: Krisenfolge
«Im Gefolge der Wirtschaftskrise bei uns ist die Zustimmung zur Europäischen Union ziemlich nach oben geklettert», sagt die 53-jährige Sozialdemokratin in ihrem Reykjaviker Ministerbüro. Sie kann sich auf satte Mehrheiten bei jüngsten Meinungsumfragen berufen.

Für viele der 320 000 Bürger auf der Nordatlantikinsel ist der Blick auf den eigenen Kontostand immer mehr zum schwer widerlegbaren Beweis für enormen Schutzbedarf vor globalen Finanzstürmen geworden. Zwölf Prozent Inflation, 15 Prozent Leitzinsen und ein Absturz der Island-Krone gegenüber dem Euro von 50 Prozent seit 2007 haben den Wunsch nach völliger Unabhängigkeit hier mitten im Nordatlantik doch ins Wanken gebracht. «Immer mehr Menschen bei uns glauben, dass wir wirtschaftliche Stabilität nur mit der Einführung des Euro bekommen. Und den gibt es nur mit der EU-Mitgliedschaft», sagt Gísladóttir.

Ihre sozialdemokratische Partei hatte schon während der wirtschaftlichen Boomjahre auf Island für den EU-Aufnahmeantrag plädiert. Das war damals aber eine Minderheitsmeinung und wurde von Ministerpräsident Geir Haarde und seiner konservativen Partei vehement abgewiesen. Der Fischfang als überragende Einnahmequelle Islands dürfe nicht «dem Diktat Brüssels unterworfen werden», hieß es immer an erster Stelle. Gemeint war: Das Teilen von Fischfangquoten und Exporterlösen mit anderen schien wenig verlockend.

«Das mit dem Fischfang ist so ein Dauer-Mantra. Die meisten wissen gar nicht, was konkret dahintersteht. Isländer arbeiten ja kaum noch in der Fischindustrie,» sagt die Außenministerin. Auch ihr Regierungschef und Partner in der großen Koalition gehört zu denen, die das «Mantra» längst nicht mehr so laut verbreiten wie in früheren Jahren. Haarde nennt den Fisch nicht mehr an erster Stelle und gesteht zu, dass sein Nein zum EU-Beitrittsgesuch «vielleicht nicht für immer gelten muss». «Ich wäge ab, und noch ist für mich klar, dass die Nachteile für uns schwerer wiegen als die Vorteile», sagte der konservative Ministerpräsident in «Morgunbladid».

Seine Koalitionspartnerin sieht die Zeit für ihre Haltung arbeiten: «Bei den nächsten Wahlen zum Althing wird die EU-Mitgliedschaft im Zentrum stehen.» Als 2005 die Große Koalition ausgehandelt wurde, einigten sich beide Parteien, ähnlich wie CDU und SPD in Deutschland bei der Atomkraft, das Reizthema EU auszuklammern.

Aber man setzte eine Kommission ein, zu der neben den Parteien auch Verbände ihre Vertreter entsenden. Gewerkschaften und praktisch alle Wirtschaftsverbände bis auf die der Fischerei drängen auf einen Beitritt. Hier sieht die sozialdemokratische Parteichefin durchaus auch Stoff für eine Koalitionskrise: «Die EU-Frage kann schon zu einer Belastung werden, wenn der Druck von außen sehr groß wird.»

Auch dass sich Gísladóttir im Mai öffentlich von neuen Walfangquoten distanzierte, hat mit der Europa-Debatte zutun. Sie habe ein «Signal im eigenen Land, aber auch nach draußen» schicken wollen, dass diese Entscheidung «für die langfristigen Interessen des Landes schädlich ist.» Sie zögert nicht mit der Antwort auf die Frage, ob die Isländer zur völligen Aufgabe des Walfanges bereit seien, wenn das von den anderen EU-Ländern als Bedingung für die Aufnahme verlangt würde: «Der Walfang spielt für Island keine Rolle. Wirtschaftlich nicht und politisch nicht.» (dpa)
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