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30.06.2022 | 08:35 | Bundeshaushalt 

Lindner will Weg zurück zur Schuldenbremse finden

Berlin - Nach drei Ausnahmejahren wegen der Corona-Pandemie will Finanzminister Christian Lindner (FDP) im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten.

Staatshaushalt
Eine solide Haushaltspolitik: Für die FDP war das eine Grundbedingung, um in die Ampel-Koalition einzutreten. Entsprechend pocht der Finanzminister darauf, nun weniger Schulden zu machen. Das sehen aber nicht alle so. (c) proplanta
Dazu soll haushaltspolitisch stark auf die «Bremse» getreten werden, wie am Mittwoch aus Regierungskreisen zum Entwurf des Finanzministeriums für den Bundeshaushalt 2023 verlautete. Lindner selbst sagte: «Der Staat muss aus den Schulden raus, denn auch das treibt die Inflation.»

Auch um die Schuldenbremse einhalten zu können, will der Bund die milliardenschwere Rücklage stärker als bisher geplant einsetzen, insgesamt geht es um einen Betrag von 40 Milliarden Euro. In der Rücklage liegen rund 48,2 Milliarden Euro. Daneben helfen steigende Steuereinnahmen. Um Personalausgaben zu sparen, soll es in den Ressorts eine «pauschale Stelleneinsparung» von 1,5 Prozent geben, ausgenommen davon sind Stellen etwa bei der Bundespolizei.

Das Kabinett soll dem Entwurf Lindners an diesem Freitag zustimmen. Noch immer hätten Ressortchefs zusätzliche Ausgabenwünsche, hieß es aus den Regierungskreisen. Die Spielräume im Haushalt seien aber viel enger geworden. Dazu kämen steigende Zinslasten des Bundes.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse lässt nur eine minimale Kreditaufnahme zu. In den vergangenen Jahren wurde sie wegen der hohen Lasten durch die Corona-Pandemie ausgesetzt. Der Bund hatte viele Milliarden Euro neue Schulden gemacht, um die Folgen der Pandemie etwa auf Jobs abzufedern.

Die Neuverschuldung soll nun 2023 laut Regierungsentwurf auf einen Wert von 17,2 Milliarden sinken. Darin enthalten sind aber auch milliardenschwere Kredite etwa an den Internationalen Währungsfonds, diese werden bei der Schuldenbremse ausgeklammert. Damit beträgt die Neuverschuldung im Etat knapp 10 Milliarden Euro. Der Rahmen der Schuldenbremse wird laut Entwurf damit eingehalten.

Coronabedingte Ausgaben sollen im kommenden Jahr zurückgefahren werden, so dass die Gesamtausgaben im Bundeshaushalt auf 445,2 Milliarden Euro sinken sollen. Mehr Investitionen sind geplant etwa für die Schiene, den Klimaschutz, Bildung und Forschung und sozialen Wohnungsbau. Mehr Geld geben soll es auch dafür, die Energiewende voranzutreiben und weniger abhängig von Russland zu werden.

Für Milliarden-Investitionen in die Bundeswehr war ein Sondertopf geschaffen worden mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro. Dieser Topf steht neben dem regulären Haushalt, das Geld soll an der Schuldenbremse vorbei durch Kredite aufgenommen werden.

Falls die Konjunktur infolge des Ukraine-Kriegs einbricht und Steuereinnahmen sinken, soll im Etat 2023 ein Puffer geschaffen werden. Alle Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung seien mit großen Unsicherheiten behaftet, hieß es.

Lindner schrieb auf Twitter, er wolle mit der Rückkehr zur Schuldenbremse «drei Jahre des finanzpolitischen Ausnahmezustands» beenden. Die Regel sei nicht nur ein Verfassungsauftrag, sondern auch ein Gebot der ökonomischen Klugheit und ein Garant der Generationengerechtigkeit.

Zur Schuldenbremse droht allerdings Streit in der Koalition. So hatten Grünen-Chefin Ricarda Lang und SPD-Chefin Saskia Esken die Einhaltung der Bremse infrage gestellt. Sie betonten, etwa für Energiewende und Digitalisierung müsse es Milliardeninvestitionen geben.

Dazu kommt die Frage, in welchem Umfang es weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger geben soll wegen stark gestiegener Energie- und Lebensmittelkosten. Vorhaben der Koalition wie eine Kindergrundsicherung oder eine Aktienrente sind außerdem im Etatentwurf noch nicht enthalten.

Im Finanzministerium wurde darauf verwiesen, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert sei. Eine Ausnahmeregelung ist vorgesehen nur bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen.

Die große Frage ist, ob eine schwere Gaskrise eine solche Notlage wäre - wenn der russische Präsident Wladimir Putin den Gashahn völlig zudreht. Viele Ökonomen fürchten dann einen schweren Wirtschaftseinbruch in Deutschland.

«Wenn sich die Gaskrise verschärft, und danach sieht es aktuell aus, haben wir im zweiten Halbjahr eine akute Rezessionsgefahr», sagte Jens Südekum, Professor am Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. «Dann macht es keinen Sinn, auf die schnellstmögliche Wiedereinhaltung des Normalmodus der Schuldenbremse zu pochen.» Notwendig sei dann eine «fiskalpolitische Flexibilität» zum Gegensteuern.

«Wenn die Energiepreise so massiv weiter steigen, sind absehbar weitere kurzfristig und gezielt wirkende Entlastungen für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen und Betriebe erforderlich», sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post. «Hierfür müssten dann auch noch in diesem Jahr zusätzliche finanzielle Ressourcen mobilisiert werden.»

Der Bundestag habe die Schuldenregel für das laufende Jahr ausgesetzt, auch aufgrund der Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. «Damit besteht ein Handlungsrahmen, um im Jahresverlauf nötigenfalls weitere Mittel zweckgebunden in den Bundeshaushalt einstellen zu können.»
dpa
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