Agrarverbände befürchten dagegen Qualitäts- und Ertragsverluste. In Brüssel geht es diesmal um drei sogenannte Neonikotinoide, die unter anderem auch
Bienen schaden können. Kommt für die Wirkstoffe das Aus auf den Äckern?
Was ist das Problem mit den Stoffen?Neonikotinoide können Experten zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Die tödliche Dosis liege für viele der Wirkstoffe bei etwa vier Milliardstel Gramm pro Biene.
Schweizer Forscher zeigten 2016, dass bestimmte Sorten dieser synthetisch hergestellten Wirkstoffe die
Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen verringern und deren Lebensspanne senken. Eine andere Studie befand, dass Bienen die mit den Stoffen behandelten Pflanzen nicht etwa meiden, sondern sogar bevorzugt ansteuern.
Nach einem ersten Bericht 2013 bestätigte die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (Efsa) Ende Februar dieses Jahres erneut die Gefahren: «Die Mehrzahl der Anwendungen von Neonikotinoid-haltigen Pestiziden stellt ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar.» Erschwerend kommt hinzu, dass alle Pflanzenteile, auch die Blüten und
Pollen, die mobilen Moleküle aufnehmen - diese verbreiten sich unter anderem durch den Wind in der Umwelt und bleiben lange wirksam.
Worüber wird nun genau abgestimmt?Konkret soll der Einsatz der Wirkstoffe
Clothianidin, Thiamethoxam und
Imidacloprid auf Äckern untersagt werden. Dann dürfen die Substanzen auf dem Acker gar nicht mehr genutzt werden - weder in Form von Saatgutbehandlung noch als Spritzmittel.
Im Dezember 2013 hatte die
EU-Kommission bereits den Einsatz der drei Substanzen nach einem Gutachten der Efsa eingeschränkt: So war es nicht erlaubt, die Mittel etwa auf Rapssaat und beim
Anbau von Kirschen, Äpfeln oder Gurken anzuwenden. Es gab aber Sondergenehmigungen: So war etwas Getreide wie Hafer oder Weizen, das zwischen Januar und Juni ausgesät wurde, von der Regelung befreit.
Wie betrifft mich das?Ganz abgesehen vom Honig sind Bienen essenziell für die
Bestäubung von Blüten. «Bestäuber haben einen großen Einfluss auf die weltweite Lebensmittelproduktion», sagte Ex-Landwirtschaftsminister
Christian Schmidt (CSU) vergangenen Oktober. In Deutschland wären «vor allem der Obst- und
Gemüsebau, aber auch
Raps, Sonnenblumen oder Ackerbohnen von einem Ausfall der Bestäubungsleistungen betroffen.»
Apropos Wirtschaft - Welche Folgen hätte das für die Bauern?Der Deutsche
Bauernverband (
DBV) ist gegen ein umfassendes Freilandverbot und will etwa Ausnahmen für Zuckerrüben. Ohne
Pflanzenschutzmittel könne man weder in der ökologischen noch in der konventionellen
Landwirtschaft Qualität und Erträge garantieren, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Es sei «eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln».
Gibt es eine Tendenz, wie die Abstimmung ausgehen könnte?Keine eindeutige. Zwar haben ein paar EU-Staaten vorab angekündigt, für ein Verbot stimmen zu wollen. Andere waren sich dagegen bis zuletzt noch nicht über ihre Position einig. Auch ist unklar, ob der Kommissionsvorschlag insgesamt genug Befürworter findet: Damit der Beschluss durchgeht, muss eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 16 EU-Staaten erreichen werden - sie müssen außerdem 65 Prozent der EU-Bevölkerung oder mehr repräsentieren. Das könnte eng werden.
Wie steht die deutsche Politik zu Neonikotinoiden?Bereits vergangene Woche hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (
CDU) bekräftigt, dem Freilandverbot zustimmen zu wollen: «Was der Biene schadet, kommt vom Markt», Grüne, Linke und AfD unterstützen das angekündigte Abstimmungsverhalten.
Harald Ebner von den Grünen forderte weitergehende Maßnahmen: «Nachfolgestoffe mit gleicher Wirkungsweise dürfen gar nicht erst zugelassen werden.» Kritisch äußerte sich hingegen die FDP-Abgeordnete Carina Konrad. Durch die Verbote drohten den Landwirten gravierende Einschränkungen.
Und wie argumentieren Naturschutzverbände?«Das Verbot von Neonikotinoiden ist dringend notwendig und längst überfällig», sagte BUND-Pestizidexpertin Corinna Hölzel. Weil die Gifte wasserlöslich und langlebig seien, verteilten sie sich in der Umwelt. Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter ergänzte: Der Wandel in der Landwirtschaft müsse begleitet werden, damit nicht weniger giftige Wirkstoffe in größeren Mengen eingesetzt werden.
Wäre damit alles geklärt?Es gibt weitere Neonikotinoide, die ohne Einschränkung eingesetzt werden können, etwa Thiacloprid und Acetamiprid - letztes wird von der Efsa als «geringes Risiko für Bienen» eingeordnet. Ein Verbot oder weitere Einschränkungen seien daher «weder wissenschaftlich noch rechtlich angebracht». Das kritisieren Umweltverbände: Alle Neonikotinoide und ähnlich wirkenden
Insektizide müssten komplett vom Markt verschwinden, sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.