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20.12.2020 | 15:21 | Corona-Varianten 

Neue aggressive Corona-Mutation sorgt für Wirbel - Grenzen zu, Impfung wirkungslos?

London/Berlin - «Merry ChristMESS»: Eine neue Variante des Coronavirus wirbelt die Weihnachtspläne von Millionen Menschen in Großbritannien durcheinander und zwingt die Hauptstadt London in den Shutdown.

Neue Corona-Mutation
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Die Nachricht klingt alarmierend. Bis zu 70 Prozent ansteckender soll eine neue Corona-Mutation sein, die sich in Südostengland ausbreitet. Welche Auswirkungen hat das auf die bevorstehenden Impfungen? (c) proplanta
Die Mutation breitet sich vor allem in Südostengland rasant aus und ist nach Behördenangaben bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form. «Sie ist außer Kontrolle, und wir müssen sie wieder unter Kontrolle bekommen», sagte Gesundheitsminister Matt Hancock am Sonntag der BBC. In sozialen Netzwerken wünschten sich Nutzer «Merry ChristMESS» - ein Wortspiel mit dem englischen Wort «Mess» (Chaos).

Premierminister Boris Johnson betonte, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Mutation schwerere Krankheitsverläufe oder eine höhere Sterblichkeitsrate auslöse oder dass Impfstoffe gegen die Mutation weniger effektiv seien.

In Deutschland ist die neue Variante nach Angaben von Christian Drosten von der Berliner Charité bisher nicht aufgetaucht. Die Verbreitung könne Zufall sein, schrieb der Corona-Experte auf Twitter. Die Mutationen verschafften dem Virus nicht zwingend einen Selektionsvorteil, auch wenn das möglich sei. Ein Selektionsvorteil kann dazu führen, dass sich ein Virus leichter ausbreiten kann.

Die Bundesregierung prüft inzwischen Schutzvorkehrungen. Einschränkungen der Flüge aus Großbritannien und auch aus Südafrika gelten ab 24.00 Uhr», hieß es am Sonntag aus Kreisen des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte, sie stehe in Kontakt mit den britischen Behörden. Andere Länder reagierten bereits: Die Niederlande sagten Flüge von und nach Großbritannien ab, auch Belgien schließt für mindestens 24 Stunden seine Grenzen zu Großbritannien. Das betrifft auch den Eurostar durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal. Die italienische Regierung will die Flugverbindungen mit Großbritannien wegen der Corona-Lage in England aussetzen.

Um das Virus einzudämmen, gilt aber seit Sonntag in der Hauptstadt London und weiten Teilen Südostenglands auch über die Weihnachtstage ein harter Shutdown mit Ausgangssperren. Mehr als 16 Millionen Menschen sind betroffen, die ihre Häuser nur noch zur Arbeit und in wichtigen Ausnahmen wie Arztbesuchen oder Lebensmitteleinkäufen verlassen dürfen. «Wir opfern die Möglichkeit, unsere Lieben dieses Weihnachten zu sehen, damit wir eine bessere Chance haben, ihr Leben zu schützen, damit wir sie bei zukünftigen Weihnachten sehen können», sagte Johnson.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan zeigte Verständnis für den Shutdown, bei dem nicht lebensnotwendige Geschäfte und Einrichtungen schließen müssen. Zugleich kritisierte er die Regierung, die noch vor wenigen Tagen an den geplanten Weihnachts-Lockerungen festgehalten hatte. «Es ist das Hin und Her, das zu so viel Angst, Verzweiflung, Trauer und Enttäuschung führt», sagte Khan der BBC. «Wenn wir unsere Meinung immer wieder ändern, macht es das Leuten wie mir wirklich schwer, die Menschen zu bitten, uns zuzuhören.»

In London und anderen Regionen in Südostengland gilt nun die neue höchste Corona-Stufe 4. Einwohner dürfen dieses Gebiet nicht verlassen. Nach Bekanntgabe der schärferen Maßnahmen machten sich zahlreiche Menschen noch am Samstagabend spontan auf den Weg, um aus London abzureisen. Fotos und Videos zeigten volle Bahnhöfe. Er habe Verständnis, dass Menschen zu ihren Familien reisen wollen, sagte Khan. «Aber es ist falsch.» Denn die Reisenden könnten das Virus mit sich tragen.

Minister Hancock sprach von «unverantwortlichem Verhalten» und schloss nicht aus, dass die schärferen Maßnahmen «in den kommenden Monaten» in Kraft blieben, bis flächendeckend gegen Corona geimpft worden sei. Auch andere Landesteile wie Wales und Schottland verschärften die Restriktionen.

Ersten Analysen britischer Wissenschaftler zufolge verfügt die neue Variante über ungewöhnlich viele genetische Veränderungen, vor allem im Spike-Protein. Dieses Protein benötigt das Virus, um in Zellen einzudringen. Der in Großbritannien eingesetzte Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer erzeugt eine Immunantwort gegen genau dieses Protein.

Zwar gibt es Befürchtungen, dass der Impfstoff gegen die neue Variante möglicherweise nicht wirkt, aber Experten zeigten sich zuversichtlich. «Ich sehe da derzeit keinen Grund für Alarm», sagte Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel. Auch Andreas Bergthaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) in Wien, hält die derzeitige Entwicklung nicht für «wahnsinnig alarmierend». Dass Mutationen auftauchen sei nicht ungewöhnlich, derzeit wisse man nicht, ob die beobachteten Veränderungen die Eigenschaften des Erregers überhaupt entscheidend verändern.

Großbritannien hatte vor gut anderthalb Wochen mit einer Massenimpfung begonnen. Mit Stand Samstagmorgen hätten etwa 350.000 Menschen das Vakzin erhalten, sagte Premier Johnson.

Gesundheitsminister Hancock sagte, bis Sonntagabend sei vermutlich eine halbe Million Menschen versorgt. Großbritannien ist bereits jetzt eines der am schwersten von der Pandemie betroffenen Länder mit insgesamt mehr als zwei Millionen Infektionen und weit mehr als 80.000 Todesfällen in Verbindung mit dem Coronavirus.

Lübeck neuer Corona-Hotspot im Norden - strengere Maßnahmen ab Montag

Nur noch alleine zum Einkaufen und nicht mehr als eine Person aus einem anderen Haushalt in der Öffentlichkeit treffen: Von Montag an sollen in der Hansestadt Lübeck angesichts einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 schärfere Corona-Maßnahmen gelten. Eine entsprechende Allgemeinverfügung wollte die Hansestadt nach Angaben eines Stadtsprechers noch am Sonntag auf der Grundlage eines Landeserlasses auf den Weg bringen. Lübeck hatte am Wochenende die 200er-Marke überschritten und liegt nach Angaben der Landesregierung von Samstagabend bei dem Wert 230,5. Alle anderen kreisfreien Städte und Kreise liegen unter diesem Wert.

Die Sieben-Tage-Inzidenz - also die Zahl der neuen Infektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen - lag am Samstagabend in Schleswig-Holstein bei 93,1. Insgesamt haben sich seit Ausbruch der Pandemie in Schleswig-Holstein 20.680 Menschen nachweislich mit dem Virus infiziert. Am Samstag kamen 431 neue Corona-Fälle hinzu. Die Zahl der Genesenen wird auf 15.100 geschätzt.

Im Sonntagvormittag hatte die Landesregierung einen Erlass veröffentlicht, nach dem kreisfreie Städte und Kreise bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr 200 schärfere Maßnahmen greifen müssen.

 Wird diese Marke überschritten, müssen die jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte weitergehende kontakteinschränkende Maßnahmen verfügen. Dazu gehört, dass sich in der Öffentlichkeit zu privaten Zwecken nur noch ein Haushalt mit einer Person eines anderen Haushalts treffen darf und die Gesamtzahl von fünf Personen dabei nicht überschritten wird. Kommen die Menschen aus einem Haushalt, ist die Zahl nicht begrenzt. Gehören sechs Personen zu einem Haushalt, dürfen sie beispielsweise gemeinsam spazieren gehen. Auch vier Personen aus einem Haushalt sowie eine weitere Person dürfen sich in der Öffentlichkeit treffen - zwei befreundete Pärchen aus zwei Haushalten hingegen nicht.

Zudem darf in Kommunen mit einer Inzidenz von über 200 nur noch eine Person pro Haushalt einkaufen. Kinder bis einschließlich 14 Jahren, die während des Einkaufs nicht anders betreut werden können, dürfen ihren Vater oder ihre Mutter begleiten. Zum Abholen von Speisen und Getränken beim Außerhausverkauf muss man zuvor einen Termin vereinbaren. Für Pflegeheime müssen unter anderem die Besuchsregeln verschärft werden.

Auch sollen Maßnahmen zur Begrenzung des Tagestourismus getroffen werden. Lübeck-Travemünde durften Tagestouristen auf Grundlage einer früheren Allgemeinverfügung bereits an diesem Wochenende nicht mehr für einen Ausflug ansteuern. Das Ordnungsamt hatte dies nach Angaben eines Stadtsprechers kontrolliert - etwa indem die Insassen von Autos mit auswärtigen Kennzeichen angesprochen wurden. Einige hätten von dem Verbot noch keine Kenntnis gehabt. Die meisten hätten angesichts der Corona-Zahlen Verständnis für die Maßnahmen gehabt. Der Stadt sei es wichtig gewesen, durch die Kontrollen das Thema bereits vor den Weihnachtstagen bekannter zu machen, da Travemünde auch bei Menschen aus dem Umland oder Hamburg ein traditionelles Ausflugsziel sei.

Mit Blick auf die bevorstehenden Feiertage und die bereits hohe Arbeitsauslastung des öffentlichen Gesundheitsdienstes hatte das Gesundheitsministerium zudem einen Erlass herausgegeben, nachdem sich neben positiv getesteten auch ansteckungsverdächtige Personen, also enge Kontaktpersonen Infizierter, umgehend in häusliche Isolation/Quarantäne begeben müssen. Die Kreise und kreisfreien Städte müssen dies nun in Allgemeinverfügungen umsetzen.

In einigen Kreisen wie Schleswig-Flensburg gilt die neue Regelung seit Sonntag, in Nordfriesland etwa tritt sie am Montag in Kraft. Danach müssen sich Infizierte und ihre engen Kontaktpersonen unverzüglich in Quarantäne begeben, wenn jemand mit einem PCR-Test oder einem Antigenschnelltest positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet wurde. Das gilt unabhängig davon, ob ein Arzt, ein Labor oder ein Gesundheitsamt das Testergebnis mitteilt, wie es etwa beim Kreis Nordfriesland heißt. «Dadurch beginnt die Quarantäne jetzt häufig rund 24 Stunden früher als bisher. Das kann uns viele Neuansteckungen ersparen», sagte Nina Rahder aus der Kreisverwaltung Nordfriesland.
dpa
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