Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einigten sich grundsätzlich auf das Programm. Dies geht aus dem Entwurf für die Strategie «Europa 2020» hervor, die am Freitag zum Abschluss des EU-Gipfels offiziell verabschiedet werden soll. Darin wurden aber mehrere Zielvorgaben fallengelassen. Am späten Donnerstagabend hatte sich die Spitzenrunde auf einen Notfallplan für das schuldengeplagte Griechenland geeinigt. Die in Aussicht gestellten Milliarden-Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euro-Länder sollen aber nur als letzte Möglichkeit gewährt werden. Dies wäre der Fall, wenn Griechenland nicht mehr genügend Kredite an den Kapitalmärkten bekommt.
Am Freitagmorgen erholte sich der Euro etwas von seinem Kursrutsch am Vortag, allerdings nur leicht. Zur neuen EU 2020-Strategie gehören unterschiedliche nationale Reformprogramme, die in allen EU-Ländern umgesetzt werden müssen. Auf Drängen der deutschen Bundesländer wurde das zunächst vorgeschlagene Ziel, 40 Prozent der jungen Menschen müssten eine Hochschulausbildung bekommen, noch nicht in die Strategie aufgenommen. Weil die deutschen Länder für die Bildungspolitik zuständig sind, soll erst im Juni ein EU-Gipfel über die Zielwerte entscheiden. Das vorgeschlagene Ziel, die Zahl der von Armut bedrohten Menschen um 20 Millionen zu senken, wurde in der Beschlussvorlage für den Gipfel «entschärft»: Dort heißt es nur noch, die Armut soll verringert werden.
Auch das Ziel einer Verringerung des Kohlendioxid (CO2)-Ausstoßes um 30 Prozent bis 2020, sofern andere große Verschmutzer mitziehen, findet sich nicht mehr in dem Strategiepapier. Das ist zwar im Rahmen des EU-Energie- und Klimapakets schon beschlossen worden. Dass es nicht mehr in dem neuen Zehn-Jahres-Plan vorkommt, könnte aber ein Zeichen für großen Widerstand innerhalb der EU sein, das 30-Prozent-Ziel bedingungslos zu verabschieden, um die stockenden Weltklimaverhandlungen voranzutreiben. Unumstritten war das Ziel, dass in den kommenden zehn Jahren 75 Prozent der Bevölkerung unter 64 Jahren in Arbeit stehen soll. Für Forschung und Entwicklung sollen drei Prozent der Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausgegeben werden. Jährlich sollen die Staats- und Regierungschefs über die Einhaltung der Zielvorgaben beraten.
Neu ist im Strategiepapier der Verweis auf eine «produktive und wettbewerbsfähige Landwirtschaft», die «einen wichtigen Beitrag zur Strategie hinsichtlich der Beschäftigung und des Wachstums in ländlichen Gebieten» leiste. Neu ist auch ein Verweis auf die in den vergangenen Wochen vor allem von Frankreich beklagten Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen EU-Staaten. Hier steht vor allem Deutschland mit seinen niedrigen Lohnstückkosten in der Kritik. Mit der Einigung auf einen Hilfsmechanismus für Schulden-Länder wie Griechenland oder Portugal überwand die Eurozone mit 16 Ländern beim Gipfel eine schwere Krise. Vorangegangen war ein wochenlanges diplomatisches Tauziehen, bei dem sich vor allem Paris und Berlin gegenüberstanden. Frankreich hatte lange eine Beteiligung des US-dominierten IWF abgelehnt, gab dann allerdings der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (
CDU) nach.
Nicht durchsetzen konnte sich die Bundesregierung mit dem Wunsch, Verhandlungen über langfristige Folgen wie einen Europäischen Währungsfonds (EWF) ins Rollen zu bringen. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, kritisierte Merkel. Sie verkaufe als ihren Erfolg, was Athen bereits lange vorgeschlagen habe, sagte er im ZDF. Einen Monat lang habe die Kanzlerin Nein gesagt, das habe in Brüssel schweren Schaden angerichtet. Schließlich sei sie umgeschwenkt. «Es hat Spekulationen auf den Staatsbankrott Griechenlands gegeben. Das hätte man verhindern können. Da ist mit dem Feuer gespielt worden.»
Die Grünen im Europaparlament warnten vor den langfristigen Folgen für Europa. «Die Schwächung des Euro, die (Merkel) in Kauf nimmt, wird auch für Deutschland negative Folgen haben», sagte Fraktionschefin Rebecca Harms. «Merkels Erfolg an den Stammtischen zu Hause wird nicht nur in Griechenland teuer bezahlt.» (dpa)