Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
11.07.2022 | 02:45 | Gemeinsame Agrarpolitik 

Neun Bundesländer für Aussetzung der Stilllegung und des Fruchtwechselgebots

Magdeburg - Die Bundesländer bleiben in der Frage gespalten, welche Konsequenzen aus dem Ukraine-Krieg für die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 gezogen werden sollten.

Fruchtwechselgebot
Protokollererklärung bei der Sonder-Amtschefkonferenz - Vor allem grün geführte Ressorts ziehen nicht mit - Übereinstimmung der Länder in einer Reihe von Punkten beim GAP-Strategieplan - Auf Brachflächen soll eine aktive Begrünung möglich sein - Bund will modifizierten Entwurf im September in Brüssel einreichen. (c) proplanta
Auf der Sonder-Amtschefkonferenz vergangene Woche in Magdeburg sprachen sich neun Länder dafür aus, die Regelungen zur geplanten 4 %-Flächenstilllegung und zum Fruchtwechsel im kommenden Jahr vorübergehend auszusetzen.

Eine entsprechende Protokollerklärung gaben die Amtschefs der unionsgeführten Landwirtschaftsministerien von Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt ab, ferner die Staatssekretäre der SPD-Ressorts von Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland, des FDP-geführten rheinland-pfälzischen Ministeriums und des Agrarressorts in Thüringen, das von der Linken geleitet wird.

Das Treffen diente der Abstimmung von Bund und Ländern für die weiteren Verhandlungen mit der Europäischen Kommission über den GAP-Strategieplan. Eine Mehrheit fand beispielsweise der Antrag Niedersachsens, die Regelungen zum Fruchtwechsel flexibler zu gestalten und insbesondere den Anbau von Roggen auf Roggen sowie den einmaligen Nachbau von Weizen nach Weizen zu ermöglichen. Bei den Regelungen zum Mindestanteil nicht-produktiver Flächen soll den Ländern zufolge neben der Selbstbegrünung auch eine aktive Begrünung zulässig sein.

Ambitionierter Zeitplan



„Ich bin froh, dass wir bei vielen offenen Punkten auf einer Linie sind“, erklärte die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender, nach der Konferenz. Die Amtschefs hätten damit den Grundstein für die politische Einigung der Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) Ende Juli gelegt. Bender bekräftigte das Ziel, den GAP-Strategieplan im September wieder in Brüssel einzureichen.

Der Zeitplan sei ambitioniert, „aber wir sind voll im Soll“. Die landwirtschaftlichen Betriebe forderten zurecht Planungssicherheit, die es jedoch erst mit der Genehmigung des deutschen Strategieplans gebe. Nach Angaben Benders laufen die parallelen Abstimmungen mit der Kommission und den Ländern weiter. Es sei geplant, im Juli die inhaltlichen Anpassungen an dem GAP-Strategieplan informell mit der Kommission vorabzustimmen, damit die Genehmigung zügig erfolgen könne. Es gelte jetzt, konzentriert die Punkte abzuarbeiten, die von der Kommission zu dem Strategieplan angemerkt worden seien.

Vertane Chance



Zufrieden mit dem Ergebnis der Amtschefkonferenz zeigten sich die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast und ihr baden-württembergischer Amtskollege Peter Hauk. „Es hilft in der Situation, die wir durch den Krieg in der Ukraine erleben, enorm, wenn nun Stoppelweizen möglich werden soll“, sagte Otte-Kinast zu der gemeinsamen Länderforderung nach mehr Flexibilität in der Fruchtfolgeregelung. Hauk bezeichnete die Möglichkeit der aktiven Begrünung von Stilllegungsflächen als ein zentrales Anliegen seines Landes.

Eine aktive Begrünung sei aus pflanzenbaulicher Sicht notwendig, um einen höheren Aufwand von Pflanzenschutzmitteln zu vermeiden, wenn Felder zum Beispiel zur Erzeugung von Nutzpflanzen reaktiviert würden. Als Erfolg wertete Hauk zudem, dass die Prämie für die Öko-Regelungen „Vielfältige Kulturen im Ackerbau“ einschließlich der Verpflichtung zum Anbau von Leguminosen erhöht werden soll. Hier müsse der Bund jetzt liefern. Der CDU-Politiker bedauerte, dass zur Aussetzung der Bracheverpflichtung von 4 % kein Beschluss zustande gekommen sei. Damit sei eine Chance vertan worden, um in der aktuellen Situation alle Potentiale der Ernährungssicherung zu nutzen.

Nachhaltige Ernährungssicherung



Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte sich anlässlich eines Austauschs mit seinen Länderkollegen im Vorfeld der ACK erneut skeptisch gegenüber einer Aussetzung der Stilllegungsverpflichtung geäußert und stattdessen seinen Vorschlag bekräftigt, die ab 2023 geltenden Fruchtwechselregelung in der EU-Agrarförderung um ein Jahr hinauszuschieben.

Mit einer Regelung zur Fruchtfolge müsse man nicht „an die wenigen Flächen für den Artenschutz ran, wie es andere vorschlagen“, erklärte der Grünen-Politiker. In der derzeitigen Krisensituation brauche es Maßnahmen, „die kurzfristig der nachhaltigen Ernährungssicherung dienen und zugleich im Sinne unserer Umwelt- und Klimaziele wirken“. Mit dem Hinausschieben des Fruchtwechsels könne in Deutschland bis zu 3,6 Mio t mehr Weizen produziert werden.

Die Zeit drängt



Im Vorfeld der Amtschefkonferenz hatte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, den politischen Entscheidungsbedarf im Hinblick auf die GAP ab 2023 betont. „Die Zeit drängt erheblich“, erklärte Rukwied angesichts der anstehenden betrieblichen Entscheidungen für das kommende Anbaujahr. Seien die Förderdetails am 1. September nicht geklärt, sei ein Inkrafttreten der neuen GAP zum 1. Januar 2023 den Landwirten nicht zumutbar, heißt es dazu in einem aktuellen DBV-Papier zum GAP-Strategieplan.

Scharfe Kritik übte Rukwied an der vorgesehenen Mittelkürzung bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) im Entwurf des Bundeshaushalts 2023. Den Ländern werde damit eine stabile nationale Kofinanzierung der Zweiten Säule im GAP-Strategieplan entzogen. Eine solche Kürzung der GAK sei nicht hinnehmbar.

Öko-Regelungen an die Realität anpassen



In seinem Papier spricht sich der Bauernverband erneut dafür aus, zur Stabilisierung der Ernte 2023 für das kommende Jahr das Fruchtwechselgebot und die 4 %-Pflichtbrache auf Ackerflächen auszusetzen. Mit ersterem könnte laut DBV-Schätzung auf 500.000 ha die Erntemenge von rund 4 Mio t Weizen aufrechterhalten werden.

Mit einer Absenkung des Anteils der nicht-produktiven Flächen auf 1,5 % bis 2 % wäre dem Bauernverband zufolge gewährleistet, dass im Vergleich zu bisher keine zusätzlichen Flächen stillgelegt werden müssten. Zudem unterstreicht der DBV die Notwendigkeit, die GAP-Förderung für die Betriebe attraktiver zu gestalten. Dazu müssten die Öko-Regelungen „an die Realität angepasst werden“.

Insbesondere die Öko-Regelungen „Anbau vielfältiger Kulturen“ und „Dauergrünlandextensivierung“ seien höher zu dotieren. Bei Altgrasstreifen sei die degressive Staffelung der Prämien abzubauen. Insgesamt bedürfe es aktualisierter Kalkulationen der Öko-Regelungen und daraus folgend einer Erhöhung der Fördersätze.

Eine Absage erteilt der Bauernverband weiteren Verschärfungen in der Konditionalität wie beispielsweise eine zeitliche Ausdehnung von Bewirtschaftungsverboten und Einschränkungen ackerbaulich unverzichtbarer Pflegemaßnahmen. Stattdessen gelte es, fachlich notwendige Ausnahmenregelungen etwa von der Mindestbodenbedeckung im Winter zu erhalten.

Wirtschaftliche Anreizwirkung nötig



Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, hält es ebenfalls für unerlässlich, die Prämienhöhen einzelner Öko-Regelungen anzuheben. Dieser Schritt sei wichtig, um Klima- und Artenschutzmaßnahmen für die Betriebe attraktiver zu machen, so Schulz anlässlich der Amtschefkonferenz.

Ebenso wichtig wäre es aus seiner Sicht allerdings, das Budget der Öko-Regelungen insgesamt anzuheben und alle Öko-Regelungen mit wirtschaftlicher Anreizwirkung auszugestalten. Dann ließe sich auch die dringend benötigte Weideprämie für Milchkühe für die bisher überproportional benachteiligten Grünlandbetriebe finanzieren.

Zu Recht habe die EU-Kommission moniert, dass Deutschland die sozialen Aspekte der GAP nicht ausreichend berücksichtige. Für den AbL-Vorsitzenden wäre ein Ausweg, die Prämien der Öko-Regelungen nach Betriebs- oder durchschnittlicher Schlaggröße zu staffeln. Eine entsprechende Systematik sei in einzelnen Öko-Regelungen bereits angelegt. Zudem lasse sich eine Staffelung anhand der nicht zu leugnenden Kostendegressionseffekte von flächenstarken Betrieben „sauber begründen“. Schließlich könne zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Degression und Kappung der Basisprämie umgesetzt werden.
AgE
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Litauen dringt auf mehr Zölle für russische Lebensmittelimporte

 GAP-Zustimmung: Ändert ein Rechtsgutachten alles?

 Ukraine darf auf Verlängerung des Agrarabkommens hoffen

 Özdemir begrüßt EU-Kompromiss zu Zöllen auf ukrainische Agrarprodukte

 US-Finanzministerin warnt Chinas Firmen vor Handel für Moskaus Krieg

  Kommentierte Artikel

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken

 Entwaldungsfreie Lieferketten: EU-Kommission zur Klärung aufgefordert

 Bund Naturschutz: Kein kategorisches Nein mehr zum Wolfsabschuss

 Nach Atomausstieg boomen erneuerbare Energien in Niedersachsen

 Massive Flächenverluste in Bayern

 Umsatzsteuersätze: Union will Reform

 Union fordert Ergebnisse beim Bürokratieabbau