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09.07.2014 | 11:03 | Bundesnaturschutzgesetz 

Ökolandbau gleicht Eingriffe in Natur aus

Itterbeck / Visselhövede - Erstmals wird in Niedersachsen die Umstellung auf ökologischen Landbau als Ausgleichsmaßnahme bei Eingriffen in den Naturhaushalt anerkannt. Pilotprojekt „PIK" von KÖN und Naturschutzstiftung Grafschaft Bentheim in Itterbeck vorgestellt.

Ausgleichsmaßnahmen
(c) proplanta
In Niedersachsen können erstmalig Eingriffe in Natur und Landschaft durch den ökologischen Landbau ausgeglichen werden.

Am Montag stellten Vertreter der Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen GmbH (KÖN) und der Naturschutzstiftung Grafschaft Bentheim das Konzept vor, das sie jetzt auf Flächen des Bio- Landwirts Jan Hemmeke in Itterbeck umsetzen.

Landrat Friedrich Kethorn sagte, die Grafschaft Bentheim und Landwirt Hemmeke seien niedersachsenweit damit Vorreiter, um bauliche Eingriffe produktionsintegriert, also durch ökologische landwirtschaftliche Nutzung zu kompensieren.

Wer durch den Bau einer Wohnsiedlung, einer Straße oder eines Windparks Flächen versiegelt und in Natur und Landschaft eingreift, muß nach dem Bundesnaturschutzgesetz für einen Ausgleich sorgen. Bisher werden dafür oftmals Hecken angelegt, Flächen aufgeforstet oder Gewässerufer renaturiert, was aus landwirtschaftlicher Sicht zu einem weiteren Flächenverlust führt.

„Wo Agrarflächen knapp oder besonders fruchtbar sind, soll zukünftig öfter produktions-integriert kompensiert werden", sagte Dr. Bettina Frieben, die als Biologin das Pilotprojekt beim KÖN betreut. Gezielte Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen sollen den Eingriff ausgleichen. „Wenn solche Maßnahmen mit ökologischer Bewirtschaftung kombiniert werden, wirken sie sich besonders vorteilhaft für die Natur aus", so Dr. Frieben.

Im Rahmen des Pilotprojektes stellt Jan Hemmeke in 2014 und 2015 weitere 16 Hektar Ackerland auf ökologische Bewirtschaftung um. Zusammen mit angrenzenden Ökofeldern entsteht ein 22 Hektar großes Areal, das in fünf Felder unterteilt wird. Der Bio-Landwirt bewirtschaftet es in einer fünfgliedrigen Fruchtfolge und legt dazwischen Gras-Stauden-Säume an.

„Wo Feldlerchen, Rebhühner oder wie dieses Frühjahr Kiebitze in den Feldern und Grassäumen brüten, lässt Jan Hemmeke die Nutzung bis zum Ende der Brutzeit ruhen", sagte Christian Kerperin von der Naturschutzbehörde des Landkreises bei der Besichtigung der neuen Ökoflächen. Er betreut die Umsetzung fachlich gemeinsam mit Paul Uphaus, Geschäftsführer der Naturschutzstiftung. Auch Gelege anderer bedrohter Offenlandarten wie des Großen Brachvogels werden in den umgestellten Äckern bei Bedarf geschützt.

Auf konventionellen Ackerflächen wachsen meistens nur bis zu drei Feldfruchtarten, oft dominiert Mais. Der Ökolandbau dagegen arbeitet nicht nur mit einer erweiterten Fruchtfolge, er verzichtet auch auf mineralische Stickstoffdünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. In Boden und Grundwasser gelangen weniger Nähr- und Schadstoffe.

Der Boden wird lockerer und kann wieder mehr Wasser aufnehmen, die Humusbildung wird gefördert. Auf den Äckern wachsen wieder vermehrt Wildkräuter wie Kamille, Mohn und Vergissmeinnicht, auch im Mais. Sie bieten Lebensraum und Nahrung für Spinnen und Insekten. Die Kleintiere locken wiederum Feldvögel an, Greifvögel finden mehr Beute.

"Die Agrarlandschaft um Itterbeck wird aus Sicht des Naturschutzes durch die Umstellung aufgewertet", sagte Elke Schnieders, Leiterin der Naturschutzbehörde des Landkreises. Sie hat die Maßnahme auf dem Betrieb Hemmeke deshalb als produktionsintegrierte Kompensation (PIK) anerkannt.

„Die Umstellung auf den Ökolandbau eignet sich gut als Ausgleichsmaßnahme, vor allem wenn andernorts Ackerboden bebaut wird, wenn also Tiere ihren Lebensraum verlieren oder er durch Windparks oder Stromtrassen erheblich beeinträchtigt wird", so Bettina Frieben vom KÖN. Die Umstellung und die ergänzenden Maßnahmen werden dauerhaft vertraglich und grundbuchlich gesichert.

Für die Einschränkungen bei der Flächenbewirtschaftung erhält der Landwirt von der Stiftung einen finanziellen Ausgleich. „Die Aufwertung der Flächen wird nach einem speziellen Bewertungsschema in Ökopunkte umgerechnet und fließt in ein bei uns geführtes Ökokonto ein", so die beiden Geschäftsführer der Naturschutzstiftung Hartmut Schrap und Paul Uphaus. Wer einen Eingriff verursacht, kann sich des Ökokontos bedienen und muß für entsprechende Ausgleichsmaßnahmen zahlen. „Über den Verkauf der Ökopunkte erfolgt die Refinanzierung des Gesamtprojektes", so Schrap.

Auch der Kreislandvolkverein unterstützt die Maßnahme. Der Vorsitzende Hermann Heilker sagte auf Hof Hemmeke: „Der Flächendruck auf die Landwirtschaft nimmt zu, die Ausgleichsregelungen über die Naturschutzstiftung sind deshalb ein Erfolgsmodell. Wir tragen diese Maßnahmen mit, denn konventionelle und ökologische Landwirtschaft haben beide ihren Platz in der Grafschaft."

Die Umstellung der Flächen wird jährlich von einer unabhängigen Öko-Kontrollstelle überprüft. Eine begleitende Untersuchung der Uni Kassel soll erkunden, wie die Aufwertung für den Naturschutz erfasst und dokumentiert werden kann. Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Planungsarbeiten des KÖN als Pilotprojekt gefördert.

Das KÖN in Visselhövede arbeitet seit 2010 daran, die ökologische Bewirtschaftung als PIK zur Anwendung zu bringen. Betriebe, die sich für die Umstellung als PIK interessieren oder weitere PIK-Maßnahmen in ihre Bewirtschaftung integrieren wollen, unterstützt das Kompetenzzentrum als Mittler zu Naturschutzbehörden, Stiftungen und Eingriffsträgern und erarbeitet passende Kompensationsangebote. (kön)
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